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Knackfuß, Hermann; Rubens, Peter Paul [Ill.]
Rubens — Künstler-Monographien, Band 2: Bielefeld, Leipzig: Verlag von Velhagen & Klasing, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.60845#0172
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Hermen geschmückten Torbau das schattige Dunkel einer Grotte, sprudelnde Wasserwerke
kühlen die Luft. Neben der Grotte erhebt sich ein mit dem Marmorbilde der Venus
geschmückter Springbrunnen, und zu den Füßen der Göttin, die hier Allherrscherin ist,
hat der größte Teil der Gesellschaft sich niedergelassen. Auf dem Rande des Brunnen-
beckens aber gaukeln lebendige Liebesgötter, sie steigen in die Lust, um ihre gefährlichen
Waffen zu gebrauchen, sie huschen durch die Rosenbüsche und flattern aus den Boden
herab, um zu helfen, daß die Paare sich finden, hier eine Zaghafte drängend, dort einer
Nachdenklichen süße Worte ins Ohr raunend. Über dein Ganzen liegt ein unbeschreiblicher
Zauber von Daseinssreude. Unschwer erkennen wir unter den Damen der Hauptgruppe
die in Liebenswürdigkeit und lächelnder Anmut strahlende junge Frau des Künstlers. Manche
der anderen Schönen haben eine schwesterliche Ähnlichkeit mit ihr; und eine nach ihr skizzierte
Zeichnung (im Louvre-Museum, Abb. 128) hat als Studie gedient für eine der Besucherinnen
des Liebesgartens, die in halb kniender Stellung sich an ihren Kavalier schmiegt und
mit neckisch zur Seite gewendetem Kopf den Worten lauscht, die er ihr zuflüstert.
Einmal, in einem kleinen Bilde des Hosmuseums zu Wien, finden wir diese fröhliche
Gesellschaft, lustwandelnd, musizierend und mit heiteren Bewegungsspielen beschäftigt,
auf einem Wiesengrunde, an den sich parkartig angelegte Baumreihen anschließen, vor
einem stattlichen alten Schloß, dessen Türme sich in dem breiten Burggraben spiegeln.
In diesen: Schloßbild hat Rubens sich die einstige Erscheinung eines alten Edelsitzes aus-
gemalt, den er selbst sein Eigen nannte.
Am 12. Mai 1635 kaufte Rubens für den Betrag von 93000 Gulden die Herrschaft
Steen bei Eppeghem in der Nähe von Mecheln. Daselbst war, wie der Kaufbrief sagt,
„eine Hofstatt mit großem steinernen Haus und anderen schönen Baulichkeiten in Form
eines Schlosses mit Hof, Baumgarten, Fruchtbüumen, Aufziehbrücke mit einer großen
Erdaufschüttung und einem großen viereckigen Turm in der Mitte derselben: ringsherum
zieht sich ein Teich, an welchen sich der Okonomiehof mit seinen besonderen Pächter-
wohnungen, Scheunen, verschiedenen Stallungen und allem Dazugehörigen anschließt.
Alles zusammen vier Tagwerk und 50 Ruten innerhalb seines Wassergrabens. Ferner
Pflanzungen, verschiedene Alleen und Parke, wohlbesetzt sowohl mit schönen, großen
jungen Eichen als anderem." Dazu gehörte noch ein ausgedehnter Grundbesitz an Acker-
land, Wiesen und Wald; auch Gerechtsame von Zins und Lehen waren damit verbunden.
Rubens verwandelte den alten Herrensitz, den er durch Ankauf der angrenzenden kleinen
Herrschaft Attenvoorde noch vergrößerte, mit nicht unerheblichem Aufwand in einen
behaglichen Sommeraufenthalt. Das Schloß steht noch, gewährt aber kaum mehr eine
Vorstellung von seinem damaligen Zustande. Auf dieser Besitzung verbrachte Rubens
nunmehr regelmäßig die schöne Jahreszeit. Gute Nachbarschaft konnte er Pflegen mit
einem Kunstgenossen; denn kaum eine Stunde von Steen entfernt lag der Hof Dry
Toren (Drei Türme), den David Teniers der Jüngere im Sommer bewohnte. Daß in
der Tat freundschaftliche Beziehungen zwischen dem Meister und seinem früh zu Ruhm
und Ansehen gelangten Nachbar bestanden, wird durch den Umstand bestätigt, daß
Teniers im Jahre 1637 Rubens' Mündel Anna Breughel, die Tochter von dessen Jugend-
freund Jan Breughel, heiratete.
Wie das Schloß Steen in seiner Umgebung lag, zu der Zeit, wo Rubens Frau
Helene hier als Schloßherrin spazieren führte, das zeigt ein augenscheinlich naturgetreues
Bild in der Nationalgalerie zu London. Den auf einer Erderhöhung alleinstehenden
alten Turm mit dem weiten Blick über die offene Gegend hat Rubens abgemalt in
einem kleinen Bilde, das das Kaiser-Friedrich-Museum besitzt. Aus Schloß und Turm
und Fernsicht hat er, in engem Anschluß an die Wirklichkeit, aber mit dichterischer An-
schauung, ein herrliches Landschastsgemälde geschaffen, dessen Vordergrund er, die Tage
der Vorzeit zurückträumend, durch ein Turnier belebte (im Louvre-Museum, Abb. 129).
Der Aufenthalt auf dem Landsitze mochte wohl dazu beitragen, daß Rubens sich jetzt
viel mit Landschaftsmalerei beschäftigte. Von etwa fünfzig Landschaften, die er gemalt
hat, scheint die größte Mehrzahl aus die Zeit von 1635 an zu entfallen. Häufig hat die
gewaltige Kraft seiner Erfindungsgabe in den Formen der landschaftlichen Natur ein
 
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