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Entwürfe zur neuen Holzschnittpassion


Abb. 137. Vücherzeichcn des Propstes von St. Lorenz
in Nürnberg, Hektor Pomer. Holzschnitt, mit der
Bezeichnung des Formenschneider N 1825
Unterschrift in drei Sprachen: „Dem Reinen ist alles
rein" (Zu Seite 137)

erklären; und deswegen hat er wohl,
in dem Gefühl, daß es ihm unmöglich
sei, in diesem Werk sich selbst völlig Ge-
nüge zu tun, das Ganze aufgegeben.
Die frühesten der Blätter sind zwei
Darstellungen der Kreuztragung, beide
im Jahre 1520, also noch in Antwerpen,
gezeichnet und beide jetzt in Florenz
befindlich. Die eine zeigt einen figuren-
reichen Zug, der eben das Stadttor ver-
läßt; das gaffende Volk drängt sich zu
beiden Seiten; die Roheit der Kriegs-
knechte^ die dem Zuge Bahn machen
und die über die Stockung, die das
Niedersinken des Christus verursacht, in
Zorn geraten, ist mit unbarmherziger
Wahrheit geschildert. Man sieht hier
deutlich die Einwirkung niederländi-
scher Kunstweise. Auch das andere Blatt
zeigt eine dichte Menschenmenge von so
natürlicher Anordnung, daß man die
Masse leben und sich bewegen sieht;
aber jene Schroffheiten sind vermieden.
Christus ist nicht im Augenblick des
Niedersinkens dargestellt, sondern wie
er mühsam unter der Last des schweren
Kreuzes schreitet, — und das wirkt fast
noch rührender (Abb. 122). Von 1521
sind drei Zeichnungen der Grablegung
(eine in Florenz, eine in Frankfurt,

eine im Germanischen Museum zu Nürnberg), die, bei sonstiger großer Verschieden-
heit untereinander, das von der üblichen Darstellungsweise Abweichende gemeinsam
haben, daß ein förmlicher Leichenzug an uns vorüberzieht. Auf dem Florentiner
Blatt schreitet Joseph von Arimathia mit anderen Personen, die Spezereien und
Tücher tragen, dem heiligen Leichnam voraus; in geordnetem Zuge folgen die
Frauen und der Lieblingsjünger nach, nur Maria Magdalena ist laut jammernd
aus der Reihe heraus und an die Seite des Toten getreten; an die kleine Schar der
Angehörigen und Getreuen haben sich, aus dem Stadttor kommend, mehrere Leute
angeschlossen, die, ebenso wie einige den Zug betrachtende Männer, nicht sowohl
durch Verehrung für den zu Grabe Getragenen, als vielmehr durch Neugierde her-
beigeführt worden sind (Abb. 123). Also auch hier Betonung eines naturgetreuen
Volkslebens. Im Jahre 1523 zeichnete Dürer einen Entwurf zum letzten Abend-
mahl (in der Albertina), der ebenfalls von der üblichen Darstellungsweise in der
Anordnung abweicht: Christus sitzt nicht in der Mitte, sondern am Kopfende der
langen Tafel. In einer auf Holz übertragenen Zeichnung aus demselben Jahre
aber hat Dürer die Komposition in einer Weise angeordnet, die der von Leonardo
da Vincis Wandgemälde ähnlich ist. Dem Format und der Art der Zeichnung nach
gehört zu dieser Folge von Bildern aus dem Leben des Erlösers auch das schöne
Blatt in der Albertina, das die Anbetung der heiligen drei Könige in einer ebenso
schlicht und herzlich empfundenen wie großartigen Komposition zeigt (Abb. 136).
Zur Ausführung in Holzschnitt kam von alle dem nur die erwähnte eine Darstel-

lung des letzten Abendmahls.
Der letzte Holzschnitt religiösen Inhalts, den Dürer herausgab — im Jahre
1526 —, war eine heilige Familie: ein kleines, feingezeichnetes, liebliches Bild,

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