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Jn GemLßheit deS h. 22 dee Statuten und des h. 9 derGeschäfts-
Ordnung beehre ich mich, die Herren Mitglieder des Vorstandes des
Dombau-Vereines ;u der ordentlichen Vvrstands-Versammlung einzu-
ladrn, welche am 5. Juli d. I., Nachmittags 3 Uhr, im großen
Rathhaussaale hierselbst Statt finden wird.

Köln, dcn 27. Juni 1842. Der Pra'sident des Dorstandes,

v. Wittgenstein.

Vergangenheit und Zukunt't -es Dombaues.

Von Zwirner.

Eine große Kunstaufgabe haben unsere Vorfahren in KölnS un-
vollendetem Dome hinterlassen, woran die Generationen der letzteren
Jahrhunderte theilnahmlos vorübergingen, indcm sie bei der bekannten
Kunstrichtung ihrer Zcit weder die edle Einfachheit der Antike, noch
den eigenthümlichen, auf einem kühnern Constructions-Systeme beru-
henden Organismus der mittelalterlichen Acchitektur zu würdigen ver-
standen. Die Zeit der Erbauung unseres Domes hatte überhaupt nur
wenige Jahrhunderte hindurch gewahrt; in der kurzen Entwickelungs-
periode des Spitzbsgenstils entstande» ums dreizehnte Jahrhundert die
schönen, Gott gemeihten Säulenhallen, welche durch ihre hochstreben-
den, leichten Gewölbe und durch die ihnen zu Grunde liegenden fein-
gefühlten Verhältnisse cinen so bezaubernden Eindruck hervorbringen
und unser Gemüth zu der religiöscn Begeisterung crheben, die jene
crhabenen Tempel zur Ehrc Gottes emporsteigen ließ. Bedeutungsvoll
nnd edel in der Gesammkanordnung, reich und mannigfaltig in den
Einzelhciten, so versuchten dic Architekten des Mittelalters die neue
Kunstbildung in ihrem Organismus immer weiter zu treiben, bis er
über die höchste Blüthe hinaus sich in Auswüchse verzweigte und von
der Reinheit der Formen zu jencr, den Verfall dieser Kunstweise cha-
rakterisirenden Figurenverschlingung ausartete. Aüch bcdingte die kühne
Construction eine sehr sorgfältige Ausführung im Allgemeinen und
die sast ausschließliche Anwendung der Quadcrsteine insbesondere, de-
ren mühevolle Bearbeitung eine lange Bauzeit erfordcrte, so daß der
Bau solcher kolossalen Wcrkc mehre Menschenlcben währte und an
cinem Bau vcrschiedcne Architekten auf cinander folgtcn. Diese besa-
ßen vielleichk nicht immer die nöthige Resignation, um die ursprüngli-
chen Plane streng zu verfolgen, und übten je nach ihrer individuellen
Auffassung, o'oer nach dem jezeitigen Standpuncte der Kunstentwicke-
lung, wcscntlichen Einfluß auf die Formengestaltung aus. Daher fin-
det sich denn auch an den meisten Kunstwerken des Mittelaltcrs ein
Gemisch verschiedener architektonischer Motive, und man vermißk na-
mentlich mcist den Einklang und die Reinheit des edlen Spitzbogenstils,
der sich in seiner höchstcn Vollendung am kölner Dome entfaltet.

Die Eonception dieses Bauwerkcs gehörk wohl zu den crhabensten
des menschlichen Gcistes in der Geschichtc der Architektur, so wie seine
Größe untec den Domen des Mittelalters nur von der dcs mailänder
Domes um ein Wcniges übertroffen wird. Bei einer großarrigen, har-
monisch geordncten Grundidce findet si'ch am kölner Domc durch-
gängig eine glückliche Vertheilung der Maffen, in sublimen Verhält-
nissen leicht und kühn aufstcigend und so den Urtypus wie die voll-
endetste, reinsteEntwickelung der deutschen Architektur bis zur höchsten
Vollkommenheit nachweisend

Aber der Dom ist leider nicht vollendet und erscheint überdies noch
durch ungünstige Um- und Einbaue bcim ersten Anblicke so verküm-
mert, daß selbst die für sich bestehenden fertigen Theile, wie z. B.
der hohc Ehor, auf den ersten Anblick nicht den erhabenen Eindruck
hervorbringen, dcn man nach den allgemeincn Schilderungen davon
zu hoffen berechkigt ist, und der sich auch bald wieder geltend macht,
wenn man zu näherec Betrachtung übergeht.

Betritt man das Jnnere des hohen Ehores, so durchläuft der Blick
wohl zunächst die mächtigcn Höhenverhältnisse seines Mittclschiffes
und gleitet an den schönen perspectivischcn Bildern vorüber, welche
sich innerhalb dcr Gewölbe in den Seitenschiffen und Eapellen dac-
stellen. Die eigenthümliche Schönheit dec architektonischen Vehandlung
zeigt sich hauptsächlich auch in den schlanken, reich- und feingeglieder-
ten Pfeilern, die cinen doppelten Zweck zu erfüllen haben, indem lie
einestheils zur Untecstützung der kühnen Gewölbe dienen, andemthcils
aber die UmfassungSmauern des Mittelschiffes bilden und vcrmöge
ihrer geringen Masse als bloße Einsassungsrahmen der mächtigen Fen-
ster erscheinen. Diese stnd in der edelsten Spitzbogenform angeordnet,
erheben sich scheinbar in ununterbrochener Fortsetzung über einem zier-
lichen steinecnen Laubgange und reichen bis zu dem Gcwölbe hinauf,
in angenehmen Zemliederungen mit den prachtvollsten Glasteppichen
alter enkaustischer Malerei geschmückt. Ueberall liegt die Form des
spitzcn Bogens zu Grunde, deffen oft wiederholte Anwendung vielleicht
Monotonie zur Folge gehabt haben würde, wenn nicht durch die
Mannigfaltigkeit der Gruppicungen das Auge stäts neue Nahrung
und neuen Reiz zur Vergleichung der, bei aller Gleichartigkeit in den
Grundzügen, doch in der weitern Entwickelung wieder so verschiedenartigen
Bildungen sände. Bei dec im Jnnem vorhecrschenden außerordentli-
chen Kühnheit und Leichtigkeit möchte man fast für die Standfähig-
keit besorgt sein; doch wendet man nur einen Blick aufs Aeußere, so
lassen die sinnreich angeordneten Strebesysteme sogleich ihre eigentliche
Bestimmung errathen, nämlich die Gewölbe zu stützen. Aus den mit
Spitzsäulen umgebenen und gleichartig gekrönten Pfeilern entspringen

die kühnen Strebebogcn mit reichen, durchbrochen gearbeiteten, doppelt
über einander aufsteigenden Galerieen und schließen sich über zierli-
chen Säulchcn an das Mittelschiff des hohen Ehores, wo sie einen,
bei keinem nndern Bauwerke in ähnlicher Weise vorkommenden, majc^
stätischcn Anblick gewähren.

Jn Uebereinstimmung mit dem hohen Ehor sollte auch das vordere
Lang-und Quecschiff ausgebaut wecden; aber nur biS zu der geringen
Höhe von 42 Fuß sind die Gewölbepfeiler in den vorderen Räumen
aufgcführt, worübcr an dec nördlichen Seite 7 Kreuzkappen gewölbt
worden, wähcend alle anderen Räume mit Nothdächern abgedcckt er-
scheinen. Die beiden Seitenportale des Querschiffes fehlen ganz und
sind nur theilweise fundamentirt, obwohl si'e als Hauptstützpuncte in
der Gesammtanlage sür das Querschiff berechnet waren, so wie dies
die beidcn Thürme sür das Langschiff nach Westen hin bezwccken.
Dicse Thürme sollten cine Höhc von 500 Fuß erhalten, jedoch ist nur
der südwestliche bis kaum suf ein Drittel, der nocdwcstliche da-
gegen kaum über dcn Erdboden fortgeführt. Prächtig erscheint die
Thurm-Architektur, schon von ihrem Fuße mit einem Gliederreichthume
beginnend, dcc gegen dcn einfachen Unterbau des Domes selbst einen
starken Gegensatz bildct und offenbar als ein Ergebniß »er während
des Baues verfeinerten Kunstentwickelung zu betrachten ist, wovon
Eingangs die Rcde war. Doch übcrall ist die Architekiur streng syste-
matisch und in reinen Verhältnissen durchgeführt, und gcwährt einen
durchaus großartigen, harmonischen Eindruck.

Geschichtliche Ucbeclieferungen über den Bau selbst sind nicht auf
uns gekommen; man weiß nur so viel, daß der Grundstein zu dem
Dome durch den Erzbischvf Eonrad von Hochsteden am 14. August
1248 gelegt, und der fertig gewordene Hochchor durch den Erzbischof
Heinrich vou Virncnburg den 27. Septembcr 1322 feicrlich cingeweiht
worden ist. Nach dieser Zeit scheint der Bau nur mit Unterbrechungen
fortgesetzt worden zu sein, bis zum' Anfange des 16. Jahrhunderts,
wo er wahrscheinlich mit dem Einsetzen der kunstreichen Glasmalereien
in den nördlichen unleren Kirchenräumen ganz aufhörte. Zn diesen
Fenstern sinden si'ch nämlich die JahreSzahlen 1507 und 1509, wor-
aus si'ch schließen läßt, daß, wenn um diese Zeit die Fenster eingesetzt
wor'oen si'nd, auch schon die unvollendeten Kirchenräume mit den noch
jetzt vorhandcnen Nothdächern geschlossen sein mußten, welche auf den
Gewölbepfeilern des Langhauses ruhen. Letztere mögen schon lange
unbedeckt gestanden haben, da ihre oberen Steinschichten starke Spu-
ren dcr eindringenden Verwitterung an si'ch tragen, dre später unter
dem Schutze dec Dacher si'ch nicht bilden konnte. (Forts. folgt.)

Vombau - Sänger - llerein.

Die überall Statt sindcndcn musicalischen Aufsührungcn zum Besten
des Dombaues sind gewiß die schönsten Beweise, daß jeder Musi'kfreund
gern an dem Riesendaue mitwirkcn, sich durch die Kunst an diesem
deutschen Nationalwerke betheiligen will. Um auf dieser Bahn im
Gebiete der Musik fortan thatkräftig fortschreiten zu helfen, wäre
nachstehender Vorschlag, dcr namentlich Männergesang in großartigcr
Aufführung bezweckt, vielleicht einer nähcrn Prüfung wcrth.

Könntcn die Städte Köln, Aachen und Düren, da in jeder der
Männergesang blüht, ihre Liedertafeln nichc jährlich insgesammt, ab-
wechselnd in einer der Städte, zu größeren Aufführungen vereinen und
die um so viel größeren Erträgc derselben zum Besten des Dombaues be-
stimmen? ES wäre jetzt eine solche Zusammenkunst mit wenig Kosten
verbundcn, da die Eisenbahn diese Städte einander so nahe gsrückt.
Solche vereinte Aufführungen müßten gewiß bedeutenden Anklang bcim
Publicum findcn und ihr'jährlicher Erlrag ein recht erfreullcher sein;
ja, bci dem Wetteifer Les ganzen Volkes für den schöncn Zweck, wie
viele Nachahmung würde däs bei allen deutschen Licdcrrafeln fi'nden!

Ein unmaßgeblichec Vorschlag zur Gründung eines solchen Vereins
wäre folgender: Es bilde sich äus den Vorständen der gedachten drei
Liedertafeln ein Eomite, das gemeinschaftlich die Einleilungen und An-
ordnungen zu cinem Dombau-Sängcrfeste lräfe. — Die geeignetste
Zeit zur Aufführung dürfte der Spätsommer oder Herbst sein (etwa
jährlich am Vorabend oder dem Geburtstage unseres Allergnädigsten
Königs, den 15. Oct.y. — Die vorzutragenoen Gesänge müßten nur
Ehöre sein, wclche von allen mitwirkenden Sängern ausgeführt wür-
den. Jeder von den betheiligten Liedertafeln müßte das Recht zustehen,
ein Drittel der Gesänge, welche zum Vortrage kommen sollen, zu be-
stimmen. Diese von jeder Liedertafel bestimmten Gesänge würde ihr
derzeitiger Director leiten. — Die Dauer eineS solchen Festes dürfte
nur einen Tag wähcen, die Probe hierzu könnte am Tage vorher
abgehalten werden.

Der Unterzeichnete spricht mit gcgründeter Hoffnung den Wunsch
aus, daß die betreffenden Vorstände der Liedertafeln der drei Schwester-
Städte durch diese Worte Veranlassung nehmen, sich hicrüber recht bald
zu besprechen, um noch in diesem Jahre, wo Seinc Majcstät unser Aller-
gnädigster König unsere Provinz mit seiner Gegenwart beglückt, das
erste Dombau-Sängerfest zu begehen.

Düren, im Zuni 1842. Ferd. Rahles, städt. Musik-Director.

Verantwortlicher Herausgeber: Jos. DuMont.

Druck und Eommissions-Verlag des Verlegers der Kölnischen Ieitung,
M. DuMont-Schauberg.
 
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