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rtichlichsten Früchte nicht ermangeln wird. Auch nehme ich keinen
Anstand, hier vvr Jhnrn allen zu erklären, daß, wenn ich vorher dem
Dereinszweck mit Liebe zugethan war, diese meine Liede stch seit gestern
zur wirklichen Begeisterung gesteigert hat, und daß ich sür mich die
Pflicht anerkenne, von jetzt an für daS Werk auch mit materiellen
Mitteln mehr zu leisten, als dies bisher von mir geschehen ist. Bis
jetzt habe ich mich zu einem Jahresbeitrage von 3 Thalern verpflichtet,
von nun an und für die Dauer meines Lebens werde ich jährlich 10
Thaler beitragen, auch Fürsorge treffen, daß meine Theilnahme an
dem Dombau über meinen Tod hinauSreicht. Jch bemerke fecner, daß
ich im Besttze eines GlaSfensters bin, welches, wenn auch nicht von
bedeutendem Umfange und in dem besten Zustandc, doch aus der besten
Zeit der Glasmalerkunst herrührt. Jch werde mit Frcudcn dieses
Fcnster den bereiten Mitteln des Dombaues zufügen, und ich spreche
mich über diese Gade und über meinen künfligcn Beilrag, so wie
über meine Dispositivn für den Fall meines Absterbens hier sreimüthig
vor der verehrten Versammlung aus, weil ich, meines reinen Willens
und meincr guten Absicht bewußt, von Herzen wünschen muß, daß, so
wie ich und gewiß in erhöhkem Maße noch, auch rccht viele Andere
das Jhrige sür das Werk inskünftige thun mögen.—Die Zustimmung
zu diesen von dem Hercn Bergrath Böcking geäußerlen Gestnnungen
gibt sich durch die lauteste und allgemcinste Beisallsbezeugung in der
Versammlung zu crkennen.

Auf ein Ersuchen deSHerrn Rolshausen erstattetHerr Reichens-
perger solgenden Bericht:

„Durch cin Schreiben des königl. Ober-Prästdiums der Rheinprovinz
ist dec Verwaltungs-Ausschuß davon in Kenntniß gesetzt worden, daß
des Königs Majestät zur Erneuerung der Wandmalereien in dcn Gurt-
bogenseldcrn des hohen Chors cine Summc von 1000 Friedrichsd'or
auszusetzen geruhet, damit diese Wiederherstellung „i m Geiste d er
alten Malerei, jedoch dem Stande der jetzigen Kunstbil-
dung entsprechend", herbeigeführr werde. Es sei, so sagt das hoch-
geehrte Schreiben, über den'Gegenstand mit dem Maler Steinle be-
reitS berathen und hiernächst Allerhöchsten Ortes bestimmt wordcn, daß
diese Erneuerung in Fresco-Malerei, als dem Geiste des großen Bau-
werkcs allein entsprechend, ausgeführt werden solle. Da jedoch hierzu
«in Fond von 9900 Thalern erfordcrt sei, so werde erwartet, daß der
Eentral-Dembau-Verein die fehlende Summe von 3233'/, Thaler
aus seinen Mitteln zuschieße.

„Dcr Derwaltungs-Ausschuß nabm diesen Gegenstand sofort in Be-
rathung und beehrte mich, die Erstattung eines gulachtlichen Berichtes
über denselben mir aufzugeben, indcm er dabei von der Voraussetzung
ausging, daß sowohl den hohen Behörden, als der öffentlichen Mei-
nunq gegenüber es eine unerläßliche Pflicht des Vorstandes sei, seincc
Enkscheidung cine möglichst umstchtige und gcwissenhafte Prüsung voc-
angehen zu lassen, und daß hier nicht schon cin entschiedener könig-
licher Wille vorliege, in welchem Falle allerdings die Pflicht des Ge-
horsams sowohl, als die weil schönere der Dankbarkei't füc den «rha-
bencn Protcctor unbedingt maßgebend sein würde.

„Iwar ist der Verein nicht Baüherr; er kann seinen Darbringungen
nur Wünsche beifügen; solchen Wünschen wird aber, das dürsen
wir mik Auverstcht hoffen, stcherlich jede mögliche Berückstchtigung zu
Theil werdcn, wenn nur icgend die Iweckmäßigkeit und die Billigkeit
ihnen zur Seile stehen.

„Die Zragc, deren Erörterung mir demnach obliegt, wäre eine höchst
«infache; die Antwort auf dieselbe würde stch, so zu sagen, von selbst
verstehen, wenn man ste so isolirt, wir ste oben gestellt ist, ins Auge
fafsen und unabhängig von jeder anderweitcn Rücksicht entscheiden
könnte.

„Selbst das wenigcr gebildete Auge wird sofort von der leeren Wand-
fläche unangcnehm getroffen, welche unter dem Laufgange des hohen
Ehores an beiden Seiten dcr Bogenschenkcl stch befinden. Man fühlt^,
daß hier «in« unbewältigte Masse lastet, daß das Princip der Vergei-
stigung der Materi« hier nicht durchgedrungen ist. Dieses Princip/
welchcs die christlich-deutsche Baukunst des Mittelalters vorzugsweise
charakteriflrt, soll aber im hohen Ehoce unseres Domes, wie ihn der
Genius des Meisters ersonnen, seineu schönsteu Triumph feiern. Durch
architektonische Gliederungen, Sculpturwerk und Farbe ist in den tod-
ten Stoff Leben und Bewegung gebracht und jene höhere, freischwe-
bende Harmonie, welche dir höchste in Gott wiederspiegeln und auf die
Gesetz« der himmlischen Architektonik hindeuten soll. Leider ist durch
die Unbilden der Ieit und den irregelcitelen Geschmack der letztvergan-
genen Jahrhunderte mehr als Ein Mißton in diesen Einklang gekom-
men. So haben die farbigen Fenster, welche am Fuße der obersten
Fenster des Chores hinter der umherlaufenden Galerie hervvrdlitzten,
weißen Gläsern weichen müssen, die nunmehr im grellsten Conlraste
mit der strahlenden Pracht jener obcren Fenster stehen und die hohf
Halle gewaltsam in zwei Hälften zerschneiden.

„Jn nicht so gewaltsamer, aber kaum wenigcr störender Weise wurde
svdann auch fast aller sonstige Farbenschmuck dem StrebeN nach einer
mißverstandenen Einfachheit geopsert, und so geschah eS denn auch,
daß die hier in Frage stehenden kolossalen Figurcn unter die Tünche
begraben «urden, aus welcher man vor Kurzem noch einige Lineamente
berselben heworschimmern sah. Es waren dreißig in den bezeichneten
Bogenwinkeln paarweife gegcn einandcr schwebende Engel, von welchen
die sechszehn üder de« vorderen achl Bogrn besindlichen Musik-Jnstcu-^

mente hielten, die übrigen vierzehn aber Rauchsässer schwangen. —

Die hochherzige königliche Freigebigkeit, welcher wir die Erhaltung
des schönsten Baudcnkmales der Erde verdanken, hat sich auch bereits
auf das Jnnere erstceckt, und bewundernd sehcn wir dasselbe zum gro-
ßen Theile wieder in dec ursprünglichen Jugendfrische prangen.

„Jahrhunderte können oft nicht wieder hcrstellen, waS eine unheil-
volle Stunde zerstört hat; was Wunder, daß, so Vieles auch bereitS
gcschehen ist, doch weir mehr noch, wenigstenS qualitativ, zu thun
übrig bleibr! Außer den oben schon gedachten, bis auf wenige Bruch-
stücke gänzlich abhanden gekommenen Laufgangfenstern sehlt noch die
Mehrzahl der qemalten Fenster des Chor-UmgangeS und ber Capellen,
und fast alle Malereien, mit welchen vordem dic geblendeten Fenster,
so wie überhaupt alle Wände auf Tapelenhöhe bedeckl waren. Der
Chor ist sohin noch weit entfernt davon, in seiner ursprünglichen Aus-
staitung und in vollec Wirkung zu erscheinen; dem Kunstsinne so-
wohl als der frommen Frcigebigkeit ist hier noch cin weiles Feld er-
öffnet, wenn anders der Gedanke festgehalten werden soll, welcher ge- .
wiß allein deS großen Unternehmens würdig ist, daß nämlich AlleS,
vom größten dis zum kleinsten Detail herab, getreu
nach dem ursprünglichen Plane herzustellen sei.

„Die Wiederherstellung der in Frage stehenden Engelsfi'guren, auf
welche ich nach diesec, durch die Sache hoffentlich cntschulöigten, Ab-
schweisung zurückkomme, würde gewiß schon eine bedeutende Lücke aus-
füllen und die Gesammlwickung nicht wcnig erhöhen. Da von der
alten Malerei nur sehr wenige und überdies noch unzuverlässtge Spu-
ren zu entdecken waren, so konnte hier an eine genaue Herstellung
derselben nicht wohl gedacht werden, und es blieb nichts übrig, alS
dieselbe „im Geiste der alten Malerei, jedoch dem Stande der jetzigen
Kunstbildung entsprechend" ausführen zu lassen, wie denn auch solches
von dcr hohen Behörde, nach dem oben bcreits Mitgethcilten beabsich-
kigt ist. Wo ganz bestimmte Anhaltspuncte mangeln, an welche die
Äestauration sich anschließen kann, da wird eine ängstliche Nachahmung
des Styles der Alten in allen seinen Eigcnheiten leicht in Manier
oder gar Carcicatur auSarten. Man wird dann am besten thun, den
dermaligen Standpunct der Kunst, namentlich in allem, was Zeich-
nung und Technik anbelangt, festzuhallen, und sich nur dabei mit der
Auffassungs- und Behandlungs-Weise der Alten möglichst vertraut zu
machen und zu durchdringen, damit aus der verjüngten Hülle der
alte Geist allenthalben hervorblicke. Wenn aber ein lebender Künst-
ler (Overbeck vielleicht allein ausgenommen) solcher Aufgabe gewachsen
ist, so ist es gewiß Steinle. Die Werke dieses Meisters athmen den
hohen Geist und die edle Einfalt der christlichcn Kunst des Mittelal-"?
tecs, sie stnd durchweht von jenem heiligen Ernste, welcher den Dar-
stcllungen aus dem Gcbiete dcr Religion allererst die wahre Weihe zu
ertheilen vermag. Stci'nle ist würdig, in die Fußlapfcn jener wahrhaft
christlichen Künstler der alten italischcn und deutschen Schulen zu
treten, welche ihre Jnspirationen aus dem Himmel oder doch ans dm
reinsten Erregungen ihrcr hohen Seelen schöpften, dieser demuthsvol-
len Geriien, welche das göttliche Wort in Form und Farbe verkün-
deten und von welchen — man erlaube mir den AuSdruck — jeder
Pinselstrich ein Act des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe war.

„Wcnn solchergestall dcr Gedankc, nach dem angeführten Plane un-
verweilt an die Herstellung dieser Wandgemälde zu schreiten, nur ein
höchst glücklicher und segensreicher genannt werden kann, und die dar-
auf zu verwendenden Geldmittel stcherlich nichl im Mißverhältnisse zu
dem zu erzielenden Ergebnisse stehen werden, so möchte es scheinen,
als ob es keincm Bedenken unterliegen könne, daß der Vorstand die
ihm gestellte Frage mit sreudiger Hast zu bejahen und die erforderten
Geldmittel zu bewllligen habe.

„Unser Slatur stellc stch auch solcher Vecwilligung wohl nichl in den
Weg, indem dasselbe die Vrreinsmittel nicht bloß für den Fortbau,
sondern auch für die „„würdige Erhaltung dcr Kathedral-Dom-
kirche" " bestimmt. Allein ich glaube, daß die Frage, welche uns beschäf-
tigt, auch noch eine andere Seite darbietet, die nicht außer Acht gelas-
sen werden darf, vielmehr die gewissenhafteste Prüfung erheischt.

„JsteineIersplitterung der Vereinsmittel nach verschie-
denen Richtungcn hin übechaupt räthlich? Hicrauf muß
geantwortet werden, wenn wir festen Boden für die hier in Rede ste-
hende sowohl, als für noch manche kommcnde Erörterung gewinnen
wollen. . /

^„Der Berichterstatter zählt sich nicht zu denjenigeri, welche da glau-
ben, daß alle Beiträge und Hülfsmittel fchlechkhin ohne Unterscheidung
auf das große Ganze zu verwenden seien, daß jedes Hervortreten Ein-
zelner oder auch nur einzelner Gruppen eines Untcrnehmens unwürdig
sei, welches nur auf die höchste Jdee gegründet werden dürfe, ln «el-
cher alles Egoistisch-Jndividuelle untergehen müsse. So gem ich die
persönliche Eitelkeit, welche nie cine Sache, sondern nur eine Person,
und zwar die eigene, im Auge hat, von solchem Wcrke fern gehalten
sehe, so glaube ich doch, daß es noch einen andern, schönen Ehrgeiz,
eirien edlen Wetteifer gcbe, dcr, ln gewissen GrLnzen gehalten, keineS--
wegS als vcrdammlicheS Motiv, als AuswuchS zu betrachten ist, in
welchem vielmehr die schönsten Entschlüsse und Lhalen reifen. Diesen
höhern, wenn auch nicht höchsten Seclentrieb aber müssen wir gewiß
unserem Unternehmen bienstbar zu machen suchen. — Es ist ein «lter
Spruch, daß das Wrrk den Meister lobe, und solchem Lobe darf wohl
Jeder entgegenstreben und dassclbe zuverdienen sich angelegen sein laffen. /
 
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