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Zentral-Dombauverein <Köln> [Hrsg.]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1855 (Nr. 119-130)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1521#0012
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soaftigt Frkchte. Ln dem Lhore naht fich freilich der schreckliche Lnblick
der LuSsätzigen. die im ganzen biblischeu Morgenlande vielleicht nirgendwo
zahlreicher vorkommen. als in Rablvuse. DaS Lhal um Nablonse herum
dieSseitS und jeuseitS, mit seiuem frischen Quell und sprudelnden Waffer,
«it seinen Garten. Muhleu uud mannigfaltigea Obstbäumen, ist reizend,
»nd eS ist begreiflich, wie die Gegeud einen so geprieseuen Lufenthalt
bildeu kouute i» den Tagen Joseph's und seiner Brüder. Wir lagerten
hier beiuahe eiuen ganzeu Lag ienseits der Stadt, mit den seltsamsteu
Gefühleu Ler Welt. Leider ist die vou Zeuo iu Nablouse erbaute Marien
Lirche gegenwärtig zerstört; aber wenu Justiuiau, der morgeuländische
ftaiser uud so berkhmte Xircheudauer, alleiu fünf abgebrannte Kirchen,
die ia eiuer FeuerSbruust ihren Uutergang fanden, wieder herstelleu konnte,
so ist dieses gewiß ein Beweis für die Dedeutsamkeit des Ortes in christ-
licheu Zeiten. Er wird nicht nur von dem berühmten Geschichtschreiber
der ersteu Kreuzzüge, Wilhelm von LyruS, in seinem Buche der Eroberun
geu häufig erwähut, soudera wac auch mit einem eigenen Bischofs
fitze geschmückt.

Eine Stunde ungefähr nördlich vou Nablouse, auf dem Wege nach
Nazareth, liegt Samaria, Schomer, ,die Krone deS Landes', welches von
jener Hanptstadt den Ramen trägt, Die Stadt kröut den Gipfel einer
ziemlich bedeuteuden Bergkuppe. Sie ist im Vergleich mit dem patriar
chalischen Sichem eine jüngere Stadt. von Lmri, Lönig in Jsrael. er-
baut, vou Herodes verschönert und erweitert und nach griechischem Ge
schmack mit Lheater und sonstigem Bauwerk versehen, wie es in den Zei
ten jenes nichts weniger alS jüdischen Königs Lblich war. Noch stehen
die SLuleu des Lmphitheaters in einem Lhalgrunde alS seltsam spre-
chende Monumente aufrecht, vhne Eapitäl und Architrav, wie als beson-
dere Denksteine hingesetzt; aber vou dem Lempel, «elcher Herodes hier
dem Lugustus erbaute (vaher Augusta, Sebaste im Griechische»), ist nichts
mehr vorhanden. Dic h. Helena erbaute hier eine Kirche zu Ehren Jo
hanneS deS LäuferS. der hier begrabeu, nach Lnderen sogar hingerichtet
wurde. Nach Flavius JosephuS aber geschah die Hinrichtung iu Machä
runt, einem Schloffe am todten Meere, nach Andereu in Jerusalem, wo
»r denn auch begraben w«rde; er soll aber später nach Sebaste hinüber-
gebracht worden sein. Die Johanuiter errichteten hier ein prächtiges Bau
werk zu Ehren deS h. Johannes, daS größtentheils noch steht; aber die
Bewohner d«r OrteS find ein wildeS, wüsteS Bolk, und Untersuchungen
hier mit mehr Schwierigkeiten verbunden, alS an irgend einem sonstigen
Orte des h- LandeS. Die Kirche scheint »och auS dem zwölften Jahrhun-
derte zu sein, und ihre Herstellung in besseren Zeiten, die mit Gottcs
Suade uicht fern seiu mögeu, wäre »icht gar sehr schwierig. Wenn man
aver auch grgenwärtig noch daS Grab Les h. IohauneS zeigt, so ist doch
darüber längst kein Zweifel gewesen, daß vo» seinen Reliquien hier uichtS
mehr vorhaudeu. Das Haupt deß berühmten Vorläufers Christi befindet
fich theilweife in der schönen Kathedrale von Lmiens, theilweise iu Rom
Ein Zahu desselben gehörte Lereiust zu den Kroureliquien uud Kleinodien
deS h. Römischen Reiches Deutscher Nation, ein anderer wurde durch den
am Rheine und im sechsten Kreuzzuge berühmten Ritter Heinrich von
Jlmen, oder lllmen, von dem auch St. Matthäus in Lrier eine schöne
Lipsanothek erhalten. der Abtei Heisterbach geschenkt, nachdem ihn der
Ritter alS Beute-Antheil bei der Sroberung von Konstaatinopel, welche
so viele Kunstschätze nach dem Abendlande brachte, davon getragen.

Bon Sebaste, oder Samaria, führt der Weg nach Razareth über
das Gebirge Ephraim wieder in die Ebene hiuunter nach einer anderen
Bergstadt, Bethulien, und endlich über Ginnin iu die Ebene vou Jezrael,
von dem gegenwärtig uichts mehr vorhanden, als einige elende Hütten,
wieder aufwärts an jäher Bergwand in daS schöue Lhal, in dem fich die
liebliche Stadt Nazareth befinvet. Der Weg durch die fruchtbare, mit
allerlei Blumen durchwirkte Ebene ist reizend. Da erblickt man zur Seite
daS Gebirge von Gelboe, den SchauplaH der Niederlage von Saul und
Jonathan, in nicht zu weiter Ferne deu Thabor uud die glänzende Schnee
kuppe deS großeu Hermon. Es ist biblischer Bodeu, wohin man fich wen
det, aber leidkr auch überall der Fluch Gottes fichtbar. Das mit Blu
meu vo» den schönsten Farben durchwirkte Gras steht hier an vier Fuß
hoch, aber die Köpfe der Disteln, die fast nicht weniger dicht stehen, rageu
darüber hinweg. Luf den benachbarten Gebirgea hausen Eber, Panther,
Schakals, die zur Nachtzeit hinuntersteigen und wegrauben, was fie
bewaltigea können.

Die Heiligthümer in Nazareth wareu schon in fcüher Zeit Gege»
stande frommer Verehrung der Gläubige». Der Oct hatte aber so viel
Uugluck in den Zeiten der morgenländischen Äriege, als er fich gegen-
«artlg des Friedens und eineS kirchlichen Gedeihens erfceut, wie kaum
rlgend ein auderer im heilige» tzaude. Die Katholiken sind hier die ein-
zrgeu Besitzer der katholischen Heiligthümer. Die Schismatiker haben sich
andere angeschafft.

Nazareth, der Wohuort, »ach Einigen sogar auch der Geburtsort
der sellgsten Jungfrau uud der Ort, wo der Heilaud die Zeit seiner Ju-
gend und sernes ersten Maunesalters, vielleicht bis zum Lode des heil.
Joseph, zubrachte, oder zu jener Begebenheit, »on der wir unten noch
««lter zu reden genothigt sein werden, wo er mit seiner Mutter nach
Kaparuaum hrnübergiug, das daher auch von dem Evangelisten feine
Stadt genannt wird, hat gegenwärtig noch mehrere in Kirchen oder Ca-
pelleu verwandelte «anctuarieu, die allerdings mehr oder weniger dnrch
die Lheiluahmlosigkeit des Abeudlandes iu eiuem betrübten Zustande sind,
obgleich eS dre Wächter derselben keineswegs an Sorgfalt zu ihrer Pflege
fehleu lassen. Die in Nazareth bestehenden Eanctuarien sind folgende:

1) die Kirche uud Grotte der Verküudigung; 2) die Werkstätte des heil.
Joseph; z) die gegeuwärtig in eiue griechisch-unirte Kirche verwandelte
ehemalige Synagoge; 4) das sogenaunte Präcipiz und 5) die Kenso eiiristi.
Die Schriftsteller berichten, daß an der Stelle der Verkündigung des Heiles
durch deu Eugel an die seligste Jungfcau dereinst eiue äußcrst prächtige
Sirche gestauden, die aber im Jahre 1263 uuter dem grausamen Sultau
Bibars zerstörr worden. D:e Seideu, welche damals die Christen zu be-
steheu hatten, waren unneuubar, aber dennoch sollten sie später noch
größer werdeu, uud von den Heiligthümern, wie von dem Christeathume
io Nazareth blieb lange Zeit nichts der gebühreudeu Verehrung zugäng-
lich. Erst allmählich konnke man sich erholeu, und gegenwäctig sind dle

Berhaltniffe der Katholiken dort erträglich, wenigstenS uicht schlrmmer,
als das SooS aller Bewohuer von Razareth. Man wird sogar seltsa»
überrascht, wenn mau vo» dem Gebirge hinouterkommt und aufder Kirche
der Annuntiation einen italienischen Campanile, eiueu Glockenthurm,
erblickt-

1) Die Kirche der Lnuuntiation, über der Grotte erbaut, a» welcher
ehemals daS heilige Haus gestanden, wo der Engel Gabriel die frohe Bot-
schaft de» Heiles verkündet, «elches vo» einer dortigen Jungfrau a«S-
geheu sollte, ist ein Werk des XVII. Jghrhunderts von nicht gar bedeu-
reuder Größe, gauz im Bausysteme von St. Maria in der Schnurgaffe
zu Kölu. Mau weiß sogar ein bestimmtes Datum ihrer Erbauung, näm-
lich das Jahr 1620. Sie hat ein erhöhtes Chor, so wie alle Kirchen,
unter denen sich eine Krypta befindet, und unter demselben, 17 Stufen
adwärts, jedoch so, daß der Blick frei ist uud ohne Lie Absperrung rrgend
einer Scheidemauer nach dieser Seite hin, ist die für die Christen so merk-
würdige Grotte, i» der eiust das heilige Haus der seligstcn Jungfra«
gestanden und wo der Engel Gabriel sie im Gebete überraschte und ihr
die frohe Meldung brachte, daß sie die Mutter des so lange erwartete»
Crlösers seiu sollte. Die Stelle, wo der Engel stand, ist durch eine Säule
bezeichnet, eben so, wo die seligste Jungfrau saß. Lber die Lürken habe»
jene Säule mitten durchgesägt und eiu Stück daraus weggenommen, weil
fie darin besvndere SchaHe vermutheteu. So häugt deon eiu Lheil der-
selben frei von der Decke herunter, ohoe Verbindung mit dem untereu,
der auf dem Boden steht- Zwischen beiden Säuleu befindet sich die Stelle,
wo der göttliche Heiland die menschliche Natur annahm. Sie ist am Bo-
den mit Lcr Ueberschrift bezeichnet: „Verbum Kic csro ksctum s-r", und
über derselbeu ein Altar errichtet. Eine gleiche Jnschrift lies't man in
dem h. Hause zu Loreto. Jn Nazareth ist es der Boden, in Loreto das
HauS, das man mit dersclben verherrlichte. Denn als die Saraceneu im
Zahre 1290 Akko, oder St. Jean d'Acre, belagerten und das vielleicht nur
7—8 Stunden entfernte Narareth mit größeren Gefahre» bedroht wurde,
va nahmeu Engel jenes heilige Hans, das für das göttliche Werk der
Erlösung von so großer Bedeatung gewesen «nd immer noch eine stete
Verehrung der Gläubigen geblieben, um es gegen Zerstörung z« schützen,
und trugen es nach Dalmatieu hin. Sie setzten eS zuerst bei einem Ca-
stell, Namens Fiume, uieder, drei Jahre später in eiuem Walde bci Re-
canati und endlich z« Loreto, in der Mark Ancona. Die wunderbare
Erschcinung veranlaßte gleich AnfangS eine vollständige und umfassende
Untersuchung, die über die Wirklichkeit der Ueberbriugung des h. HauseS
vou Nazareth nach Loreto keisen Zweifel mehr übrig ließ. Es konnte
aber nicht anders sein, als daß Nazareth dadurch in der ersten Zeit, be-
soaderS wo es die rohen Lürken. Lie keiues frommen PilgerS schonten,
besetzt hatten, Manches au Lheilnahme verloreu hatte. Dazu kamen uoch
die Schwierigkeiten Ler Reise. Dessen ungeachtet wußteu sich uoch immer
Katholiken an dem Orte zu halten und die Hciligthümer z« wahren. Ge-
genwärtig haben es die Katholike» in Nazareth schon deßhalb beffer, als
a» irgend einein anderen Orte deS heiligen Landes, weil sie wenigstenS
ihre heiligen Besitzthümer uuangefochten genießen. Es befinden sich aber
nicht bloß lateinische Christen, sondern außer den schismatischen auch
griechisch-unirte und marouitische hierselbst; ja, sogar die Bibel-Gesellschaft
hat hier ein Haus, um i» einem Lande, wo doch so wenig gelesen wird,
so Wiele uicht lesen können, die Bekehrung zum Christent-um mittelS der
Bertheilung von Bibeln zu bewerkstelligen, oder audere Secten a» sich
heranzuzichen, vie im Nothfalle, was das anbelangt, ohne nur lesen z«
köunen, eben so bibelfest sind, als irgend ein americanischer Methodist.
Der Boden. oder die Gcotte der Annuntiation, in welchem dereinst daS
heilige Haus gestanben, ist Kreidegrund.

2) Die sogenannte Werkstätte des h. Joseph war der allgemeinen
Angabe »ach schon in den Zeiten der h. Helena in eine christliche Kirche
verwandelt. Die Lürke» zerstörten sie und bauten eine Hütte hiuein- De»
Franciscanern gelang cs endlich nach weitläufigen Unterhandlungeu, diese
zu kaufen und zu einer kleiuen Capelle einzurichten. Sie ist aber riugs
mit türkischen Wohnungen und, «as damit dasselbe sageu will, mit tür-
kischem Schmutz umgeben.

3) Die Synagoge, aus welcher einst der göttliche Heiland von de»
Mitbürgern einer Stadt gestoße» wurde, die ihm allein noch einen Ra-
men in der Geschichte und sicher ihren gegenwärtigen Destand verdaukt,
und nach jener Stelle hingeschleppt wurde, die gegenwärtig unter dem
Namen des Präcipiz bekannt, ist nun eine Kirche des griechisch-katholi-
schen Ritus. Jch wohnte daselbst einem Gottesdienste bei, der mich nichts
wenrger als erbaute und mir, wie auch bei einer anderen Gelegenheit in
eiuer maronitischen Kirche, abermals die Ueberzeugung beibrachte, wenn
ich sie nicht schon längst gehabt, daß es mit einem verheiratheten Priester
nur Jammer und Noth ist.

4) DaS Präcipiz, oder dre Stelle, wo die Juden deu göttlichen Hei-
laud hinuntcrstürzen wollten, ist ein furchtbarer Abhang auf der Höhe
von Nazareth. Die seligste Jungfrau folgte von fern, und ma» fieht a»
der Stelle, wo sie stehen blieb, eiue Kirche, oder vielmehr die Ruiue»
derselben, 8. blnris 6«I Iremors.

5) Dr'e «enss Cdristi ist eine große Sternplatte von ovaler Form, «n-
gefähr 18 Zoll über dem Boden, von einem harten weißlichen Steiue uud
ganz geeignet z« der Weise, wie die Orientalen zu Lische liegen. Der
göttliche Heiland hat hier ber Tradition nach wiederholt mit seinen Jüu-
gern z« Lische gelegen, und zum Andenken daran rst der mit dem Boden
zusammenhaugende Stein mrt eiuer Capelle überbaut, — jedoch ärmlich
uud ohne besonderen Schmuck, wie dies an so vielen Stätten des heiligeu
LandeS und darum auch in Nazareth der Fall ist. Nur etwas sieht mau
an der Kirche der Annuntiatrou daselbst, waS man sonst im heil- Lande
nicht zu sehen gewohnt ist. Es winkt daher schon als ein erfreulicheS
Anzeichen auf Len ersteu Anblick dem Aukömmling hinüber: das ist der
bereits erwähnte Campanile.

Derantwvrtlicher Herausgeber: I. I. NelleS i» Kö'ln.
Commissious-Verlag des VerlegerS der Köln. Ztg.: Jos. DuMont in Köl».
Druck von M. DuMout-Gchauberg in Kvlu.
 
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