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Zentral-Dombauverein <Köln> [Hrsg.]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1855 (Nr. 119-130)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1521#0047
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FreiKaatea uud byzantinischeu Räuk« uicht wenig begünstigt wurden,
auch die verschiedenen, der Erhaltung dcs heiligcn Landes gewidweten
Ordeu hatten bei aller Lapferkeit de» erhaltende» Geist der christlichen
Demuth verloren. Jn dem prächtig gebauten Jean d'Ztcre war jedes
Viertel abgesperrt und handelte ohne gemeinschaftlichen Pla«, wohl »«-
weilen gegen einander; es hatte eine eigene Regierung. ja, war gewisser
Maßen ein eigeues Land. Die Absonderung der Städte in Biertel ift
bis auf den heutigen Lag im Orient geblieben. Jn Jerusalem haben
die Lürken, die Grieche», die Judc», die Lateiuer, die Armenier ihr eige-
ues Biertel oder Quartier, — ein Name, der wohl als Bezeichnung dec
Wohuvng daher stammt, daß sich Eroberer und Erobcrte einer Stadt in
die in Biertel eingstheilte GrunLfläche uach einem bestimmten Maße Ler
Uebereiukuoft theilten und an dieser Eintheilung durch festgcsetzee Ber-
träge hielten. Rach Liesen hatte Jerusalem in den ersten Asiten durch
Lie türkische Eroberung wirklich vier Biertel, nämlich das Biertel der
lateinischen Christen, der Lürken, der Juden, der morgenläodischen Christen,
u»L bie Einrrchtung der Quartiere behielt auch hier. wie anderweitig im
Morgenlande, einen politischeu Grund. Sie war der Halt ihrer Berwal-
tung, JurisLiction. Steuerumlage, ihrer bürgerlichen Sicherheit. Die
Wiertel sind daher im Morgenlande, was die Zünfte im Abendlande wa-
ren: der vorzüglichste Schutz bürgerlicher Rechte und Freiheiten, aber
auch Lie Quelle vieler M-ßbräuche und Unarten, und deren gab es im
reich gewordeneu St. Jean d'Lcre allerdings sebr viele, aber, es läßt sich
nicht läugnen, doch auch »och immer mauche schöne Khat. Seine scho'nste
Zeit war wohl iu den Lageu des heiligeo Ludwig nach dem Unglücke in
Aegypten; aber St. Jean d'Acre kann auch gleichsam alS eiue Eroberung
des heiligen Frauz vou Assisi betrachtet werdcn, die bis zur heutigen
Stunde ihr kleines Kirchleiu behauptet hat. Es war ein Häuflein von
zwölf Brüdern, in Lumpen gekleidet und miteinem Stricke um den Seib,
weßhalb sie in allen sultauischen Fecmanen die Brüder vom Stricke ge-
nannt werden, welche von hier auS zur Eroberung «ud Behauptung deS
hekligen Landes und des Berges Sion ausgingeo, nachdem es die ge-
haroischten und bewappneten Ritter nicht mehr vermochten. Das Auf-
treten deS heiligen Franz in Aegypten vor dem Sultan und in St. Jeaa
d'Acre vor Len entmuthigten Kreuzfabrern hatte eine Macht, die selbst
auf die größten Männer und Feinde des Christenthums ihren Eindruck
nicht verfehlte. Jn Aegypten war es nahe daran, daß er den Sultan
selbst zum Christenthume bekehrte, und seine Söhne erhielten nicht bloß
Len erforderlichen Schutz gegen die Bedrücknngen derPaschas und gegen
die Ränke Ler Schismatiker im heiligen Lande, sondern es ist auch dabei
daS Merkwürdige, daß alle großen Männer des Morgenlandes, die ge-
fürchtetsten Feiade deS christlichen Namens, den Brüdern vom Stricke
dieselbe Zuflucht gewährten. wie späterhin die größteu Herrscher deS
Abendlande«: Friedrich II. von Preußen und Katharina II. von Rußland,
den Jesuiten, während alle Ränkeschmicde gegen Baterland «nd Landes-
herrn. und alle schwachen Geister, welche den Sturz ihrer eigeneu Re-
gierung vorbereiteten, sie verfolgten.

Durch Geduld, Klugheit und Langmuth haben Lie Drüder deS heiligeu
Franz die Achtung ihrer Gegner gewonnen, und während Patriarch,
Lempler, Johanniter, die Ritter deS deutschen OrLens, Genuesen, Eng-
länder und Franzosen die Stadt und ihre schönen Quartiere verlaffen
mußte», hat der Orden vom Strick sich bis auf deu heutigeu Lag iu
St. Jean d'Acre in einem bescheidenen Kloster behauptet. Jch könnte
freilich nvch eiu Beifpiel der Lapferkeit von den Nonnen in einem Kloster
vou Jeau d'Acre erzählen, welche sich bei der Eroberung der Stadt durch
die Türken, um ibre Lugend zn wahren, die Naseu abschnitten und ihre
Gesichter so entstellten, daß die Wüstlinge in Wuth geriethcn und sie
sämmtlich niedersäbelteu; allein dies liegt hicr außer meinem Zwecke.

Nicht ganz so weit südlich vom Karmel, «ie St. Jean d'Acre nörd-
lich, liegt das jetzt zerstörte Castellum Peregriuorum, das alte Magdalel,
Magdihel bei den Arabern. Es ist eine in das Meer hineingeschobene
Position, die zur Zeit den Angriffen der Saracenen lange Widerstaud
geleistet, aber endlich als eine unhaltbare, nachdem rund umher Alles ver-
loren gegangen, freiwillig aufgegeben wurde. Nach der Angabe mehrerer
Schriftsteller wurde dasselbe von Walrher von Avesnes und den Lem-
pelherren ursprünglich zum Schutzs Ler Pilger gegen die Räuber be-
festigt. Die Lürken nennen es Athlik, das ist Ritter-Orden. Bou der
Landseite her sind die Mauern noch ziemlich gut im Stande, und die
Stadt sieht von hier aus wie manche kleine Burgflecken im südlichen
Frankreich. welche ihre mittelalterlichen Mauern und Lhore noch erhal-
ten haben. Jm Jnncrn ist aber naiürlicher Weise nichts als Vcrwüstung
und türkischer Schmutz und eine geringe Anzahl von Einwohnern, die
unter Lrümmern unb aufgeworfenen Lehmhütten hausen. An Ler Seeseite
hatte die Stadt einen prächtigen Palast und eine herrliche Kirche. Noch
stehen gewaltigr Sä'ulen von ägyptischem uud orieutalischem Granit um-
her, welche dereinst die schönen Hallen stützten. Diese sind jedoch größteu-
theilS eiugestürzt, und das Baumaterial ist von der Salzflut angefreffen
uuv wie ein Schwamm durchlöchcrt. Einige Reisende wollen auf dem
Lhorwege, den wir umritten, geflügelte Löwen demerkt habeo, unL schrei-
ben das Werk den Venetianern zu- Daß das Castellum Peregrinorum mit
seinen sämmtlichen Bauten den Lemplern zugehören mußte, schien mir
auf den ersten Anblick auch ohne desondere Angaben klar. Ein Gebäude
der Lempler ist an der Großartigkeit und Correctheit deS Styles gleich
erkennbar. Wer aber mag sage». welchen W-g die Säulen gemacht,
die hier in den Ecken Herumstehen. welche Tempel und Paläste sie der-
einst geschmückt! Wir wissen nicht bloß aus dem Verfall: der Kaiserzeit,
wie die Säule» von den zerfallenen Gebäuden der Tempel und Theater
aus allen Enden der bewohnteu Erde nach Rom und Byzauz verschrieben
«urden, «ud dies ist sogar noch im achten Jahrhuudert, i» den Lagen
Karl'S des Großen, bei dem Baue des aachener Münsters geschehen,
und später noch im zehnten Jahrhunderte. wie umgekehrt weit frühec.
in deu Zeiten der römischen und griechischen Republik, sonderu manche
Saulen haben auch ihre eigene Geschichte. Sie wanderten von Aegypteu,
welcheS bcsondcrS reich ist an prächtigem Baumaterial. nach Kleinafien,
vou da wieder zurück »ach Aegypte» und Bom, vou Rom »ach Dyzaur
«der Koustanti'uopel; später unter Karl dem Großen a» daS MüuSer zu
Aacheu, unter Ott» dem Großen an deo Dom zo Magdeburg, voa Aache>

nach Frankreich iu deu Louvre «nd «ieder zurück nach Aache», »der au»
Kleinasie» uud Syrien. wie wir im Verlaufe dieseS Aufsatzes zu erwäh»
uen noch Gelegenheit finde», nach Kairo iu Aegypte». Fragmeute der
Lempel zu Jerusalem und Sphesus «anderten i» ihreu Säulen umher,
«nd in St. Peter zu Rom wird »och heutigen Lages eine Säule auS
dem Lempel zu Jerusalem gezeigt. i» deren Nähe der göttliche Heilaud
vor 1800 Jahren Len Menschen die frohe Botschaft der Erlösung ver-
kündete.

Noch immer hattc» wir den Karmel zur Seite, «ud eS war «i» be«
sonderes Hvchgefühl, als wir auf der Straße Alexander's de« Große»
und Gottfried's von Bouillon nach Cäsarea (Maritima) ritten. Wir
machteu nach unserer Besichtrgung im Castellum Peregrinorum, »ach
einer Strecke vo» etwa ein paar Stunden, au einem Sumpfe in der
Rähe der alteu Lontirra, gegenwärtig Dor, «inen kurzen Halt. Um u»S
vor den heißeu Strahlen der Mittagssonne zu schützeu, kehrte» «ir i»
einem außerhalb des Ortes liegenden Khan ein, wo sich LSrken, auf
Binsenmatten an der Erde liegend, an eiuem Spiele mit kleineu Etä«
ben, die mit einem anderen weggehoben werden müsseu, ergö'Hten. Der
Kha»*) war aber einer von denen, die man im Oriente Mensil (arabisch
und hebräisch) oennt, nämlich ein bedeckter Raum für Menscheu und
Vieh zugleich. Erstere habe» bloß eiue etwas erhöhte Estrade zu ihrem
Aufenthalte. War aber auch die Situation an solcher Stelle, wo die
kleine» Seiden deS menschliche» LebeuS, uud namentlich gewiffe Jnsecten,
eine so bedeutende Rolle spielen. für uns höchst bedenklich, so daß ich «S
fast vorzog, in der heißen MittagSsonue zu lagern, so mußte» wir uuS
doch finden uud fügeu i» das, was nicht r« äuderu «ar. Neu erquickt,
saßen wir indeß bald wieder zu Pferde. Das Meer -atte uus eine schöue
harte Bah» geebnet, uud «enn es einem gewissen Lhiere z« wohl ist,
dann geht eS aufS Eis, wie das Sprnchwort sagt. Während wir un«
»un mit dem Commando eines Parisers in dem Exercir-Reglement eineS
frauzösische» Dragoners übten und iu der strengsten Sarriere vordie Müa-
duug dcs Nahr Abu Zabara ins Meer ankamen. ritten unsere Border-
männer gleich in der Nähe der zerstörten Brücke iu de» Fluß hiueiu,
wo daS Pfcrd des Einen stecken blied, andere keinen Boden fanden, und
Pferd und Reiter »ur mit Muhe vor dem Srtrinken gerettet werde»
konnten. Unsere Führer brachten uns nun an einer anderen Stelle über
dcn Fluß, uud wir kamen an die Wafferleitung, welche nach Cäsarea
führt. Hier sah ich einen der grauenvollsten meiner Lräume verwirklicht:
eine große, dereinst mit den prächtigfteu Bauwerken geschmückte Stadt,
aber auch ohne nur eine lebendige Seele oder eine» einzigen Sinwohner
vor Augeu- Cäsarea, Lie einst so prächtige Stadt Herodes' des Großen
«nd der Herodianer, Lie Hauptstadt von Palästina xrim» «nd deS jüdi-
schen Landes in den Lagen des göttlichen HeilaudeS, des Pontius Pila-
tus, der Landpfleger Festus und Felix, die Stadt, welche der heilige
PauluS so oft besuchte, wo Philippus wohnte, und wo Eornelius, der
durch Petrus bekehrte heidnische Hauptmann, mit seiner Cohorte stand
und, der allgemeinen Angabe uach, später der erst« Bischof war, die
Stadt, welche der heilige Ludwig so glänzend wieder herstellte, und zwar,
wie sei» genieller Seueschall meldet, i» so bewuuderungSwürdiger Schnel-
ligkeit und Schöuheit — es sind dieselben Maueru und Lhor«, welche
wir vor uns sahe» —, hat auch niemanden mehr, der fie bewohut, Llles ist
todt. Joiuville und die Ritter, welche mit ihm lebteu, täglich an seiner
Lafel speis'tea, Bibars uud seine wilden Hordeu. die fie eroberten, ha-
ben auch keine» einzigeu Nachkomme» hier zurückgelaffen.

Wir ritten die ganze Länge der östlichen Mauer entlang an zehn
Lhürmen «orbei nach der Südseite hin, wo wir außerhalb aufeiner klei-
nen Anhö'te in der Nähe des Meeres, des Schloffes uad dcs Gtadtgra-
bens unser Lager aufschlugen und unsere Zelte aufrichteten. Ueberall
war Lodtenstille, die Gräben mit Gras bewachse», die Lhore schwer zu-
gänglich; denn vo» der Stadt stand nichts mehr, als die zwanzig biS
dreißig Fuß hohen und sechs Fuß dicken Mauern, Lhürme und Lhore.
Da es noch ziemlich fröh am Lage war, so gingen wir gleich zur Un-
tersuchung der i» unserer nächsten Rähe liegenden Ruinen des ehemali-
gen Schlosses zwischen Stadt und Hafen- Wie erstaunteu wir aber, alS
wir Las prächtigste Material fanden. welches sich in der Welt rnrr den-
ken ließ! Die schönsten Säulen von ägyptischem Granit, Porphyr, 6i,IIo
sntloo, orientalischem Alabaster, Jaspis, Säulen von dem schö'nste» Blau
und Lem blendendsten Weiß mit röthlrchen Adern waren hier ganz ein-
fach wie Bausteiue beuutzt und bald mit ihrer Säugen-, bald mit ihrer
Stirnseite i» die Mauern eingesetzt, wie ich bies auch später in Beyrut,
dcm alten Berytus, und Rhvdos wiedersah. Jch konute AnfangS die
Barbarei, mit welcher man Lie kostbarsten Sachen auf eiue so gemeine
Weise verwandte, nicht begreifen, höchstens mit dem Drange der Zeit
entschuldigeu und nur mit dem bekanuten Berfahren bei Ler Belagcrung
Roms unter Lotilas erklären, wo man aus Mangel an soustigem KriegS-
material die kostbarsten Statue» alS Wurfsteine geg^ deu Feind de-
nutzte. Später las ich die Memoiren des Ritters Joiui^rie, d«z berühm-
ten Seneschalls und BegleiterS Les heiligen Ludwig, und hier entdeckke ich,
daß der Grund ein fortifiratorischer war, weil ma» auf diese Weise de»
Manern mehr Festigkeit und Sicherheit vor dem Einsturze zu gebe»
glaubte. Hattcn nämlich die Belagerer ihre Pfähle unter die Maueru
gesetzt und dicse angezündet, vder mit ihrem Sturmbock ein Loch hinein-
getriebe», s» stürzte doch nur immer ein Lheil derselben zusammen, iu-
dem die darüber liegende Säule das Ganze trug oder fester verdand.

Cäsarea, früher StratonS-Lhurm, eine von Herodes dem Große»
»euerbaute und nach dem Kaiser Augustus au« besonderer Hofschmeichelei
benannte Stadt im ehemaligen Lande derPhilister, hatte, wie alle der-
artigen Schöpfuugen, eine gemischte Bevölkerung und einen großen Theil
von griechischen und römischen Sitte». Sie hatte ihre Lheater, Lempel,
Gymnasieu, prächtigen Hallen und sonstige kostbare Bauten, die HerodeS
als Schmeichler römischer Hoheit «nd des Zeitgeistes nicht zur Beför-
derung der guten Sittea und der echte» Wohlfahrt des ihm anvertrauteu

*) Bei den Orientalen gibt es keine Wirthshäuser, sondern von der
Frömmigkeit der Moslemin gestiftete Karawanseraien, bei dra
Christen Klöster, unter dene» die griechischcu sich wacker bezahlen

lssse».
 
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