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DER GROSSE ALTAR VON HTERON II

solchen Vorbildern wäre es auch möglich, dass das Epistyl unter
dem Triglyphon gefehlt hat*;; die inißw^ig über dem Geison und
der Sima wird höchst wahrscheinlich an den beiden Enden im
Norden und Süden nicht einfache plattenförmige xqareviai (vergl.
E. Fabricius, De architeciura graeca, Berlin 1881, 73), sondern
Voluten und Polster gehabt haben und die Voluten werden an
den Langseiten im Osten und Westen durch den üblichen canalis
verbunden gewesen sein. Den Canal überragt in der "Regel eine
Quaderschicht, die als Feuerherd für die Opfer dient oder den
Herd falls er vertieft ist einfasst. Aus dem Rost, der den Altar-
bau durchzieht, ist zu folgern, dass der Herd aus grofsen Platten,
die der Rost trug, zusammengesetzt war. Diese mögen noch
einen starken Estrich oder einen Ziegelbelag oder sonst einen
Schutz gegen die unmittelbare Wirkung des Feuers gehabt
haben.

Alle kleineren von uns der Prothysis zugewiesenen Archi-
tekturglieder liegen vor der Westfront der Ruine, nämlich ein
Triglyphenblock und G Geisonwerkstücke. An dem Triglyphen-
block sitzt links ein Rest der Metope (Serrad. IV 24, 3). Die
Glyphiden sind spitzwinklig und endigen oben in gerader Linie.
Das Capitell ist abgebrochen; zwischen ihm und dem Glyphiden-
ende ein glatter Streifen. Auch das Triglyphon war mit Stuck
überzogen. Die Profilierung des Geison (die Werkstücke um-
fassen je zwei Mutulen und zwei Vien) mit der angearbeiteten
Sima stimmt mit der des grofsen Geison überein; nur sitzt
unter den sehr flachen Mutulen nur ein lesbisches Kyma und
an der Sima ist niemals ein Löwenkopf vorhanden. Bisweilen
ist die Profilierung durch den Stuck stark verändert. Da zwei
Blöcke auch oben auf der Oberseite mit Stuck überzogen sind,
einer roh convex behauen ist, die anderen sicher nicht so sorg-
fältig geglättet sind wie unten, muss man es als sicher be-
trachten, dass sie kein Auflager weiter gehabt haben, sondern
die Prothysis mit dieser Sima endigte. Zwei Blöcke, die in
ganzer Tiefe erhalten sind, zeigen auch an der Rückseite
Stuck, so dass sie an die Rampenwand gehören müssten; frei-
lich liegt der eine davon weit südlich von der Rampe.

Berechnet man die Höhe der Prothysis ebenso wie es
oben bei der Altarwand geschehen ist, so erhält man G.06 m
gegenüber 9.GG m, so dass die Prothysisterrasse um etwas mehr
als 4 m niedriger als der Herd gelegen hätte; fast zu demselben
Resultat gelangt man, wenn man wie in der Reconstruction
Abb. 54. 55 geschehen ist für die Schätzung der ursprünglichen
Prothysishöhe von der nach dem Fufsmafs zu berechnenden
Höhe der Telamonen (etwas unter anderthalbfacher Lebens-
gröfsej ausgeht. Wie der Aufgang von der Prothysis zum Herd
beschaffen war, ist unbekannt. Möglicherweise schnitten die
Treppen ähnlich dem Prothysisaufgang in den Altarherd ein;
dasselbe scheint beim olympischen Zeusaltar angenommen
werden zu müssen.

Auch wie sich die dorische Bekrönung der Prothysis zur
Thüreinfassung verhielt, ist nicht sicher nachzuweisen; wahr-
scheinlich wird sie, von den sofort zu erwähnenden Telamonen

*) An dem Altar in Megalopolis (s. Journal of hellenic Studies, Snßplementary
Papers I, Excavaiions at Megalopolis, London 1892, 51) ist die ganze Wand weiter nichts
als ein einziges unmittelbar auf die Stufen gesetztes Triglyphon.

getragen, darüber hinweggelaufen sein und die tiefe Lage der
Schwelle damit zusammenhängen.

Von der Thürwand ist nur das untere Ende der rechten
Leibung erhalten, im wesentlichen aus Quadern aufgemauert.
Während die Leibimgsfläche selbst glatt ist, ist vorn in flachem
Relief ein Pilaster ausgearbeitet; von dessen Basisprofil sind
nur geringe Stuckansätze erhalten, das Capitell besteht aus
einem Rundstab und zwei dorischen Kymatien vom Charakter
der in Sicilien in späterer Zeit üblichen Kymabildung; ihre Un-
ters chneidungen sind nachträglich mit Stuck zugeschmiert worden.

Auf dem so durch den Reliefpilaster angedeuteten Posta-
ment stand auf einer Plinthe in flachem Relief ein Telamon;
nur die beiden steif neben einander gesetzten Füi'se sind er-
halten; man hat sie aus der obersten Quader herausgearbeitet und
so wird der ganze Körper aus Quadern aufgebaut gewesen sein.
Nach Cavallari sind beim Eingang des Altars Fragmente von
Karyatiden gefunden worden, die ins Museum von Syrakus ge-
langt seien. Wir haben diese nicht kennen gelernt. Dass die
Figur eines schönen echt hellenistischen Satyrs mit Fellschurz,
der als Atlant verwendet war und der sich im Museum von
Syrakus befindet, dazu gehöre, ist sehr unwahrscheinlich. Nach
den am Altar vorhandenen Füfsen ist auf eine viel schlechtere
Figur zu schliefsen. Die Verbindung von Atlanten mit einem
Triglyphenfries ist übrigens gerade für Hieron IL durch die Be-
schreibung seines Frachtschiffes bezeugt. Serradifalco hat end-
lich noch ein rohes Pilastercapitell und einen am Eingang ge-
fundenen Adler (diesen sehr schlecht und ohne den jetzt vor-
handenen Kopf) abgebildet; ob die zum Altar gehören, ist nicht
auszumachen.

Zur Bestimmung der Gottheit, der der Altar geweiht war,
fehlt es, wofern man den eben genannten Adler ausscheidet, an
jedem Anhalt. Anzunehmen, dass der Altar für das jährliche
Opfer von 450 Ochsen, das zur Erinnerung an die Befreiung
von der Tyrannis der Deinomeniden (46G v. Chr.) am Fest der
Eleutheria gebracht wurde (Diodor XI 72), ist für eine Stiftung
des Königs Hieron schon wogen des grofsen Zeitunterschiedes
wenig wahrscheinlich. Die Benutzung des Altars ist freilich
an etwaigen Aschenresten nicht mehr zu controlieren, aber,
abgesehen davon, dass der späte Stuck ein Zeichen der Blüte
des Cultus ist, zeugen hierfür vornehmlich die zahlreichen
Votivnischen, die in die Stufcnvorderflächen im Osten und
Westen, besonders mehr nach Süden zu, auch in die Wand
des Altars gleich links über der Treppe zur Rampe einge-
meifselt sind. Sie sind zum Teil verstuckt, als wenn sie schon
wieder leer gewesen wären. Vielleicht stammen auch die
Leicher auf der Unterstufe der Westseite von hier aufgestellten
Votiven her. Zahlreiche kleinere und gröfsere Nischen finden
sich auch an der Felswand nördlich vom Altar: teils mit
geradem Absehluss, teils oben leicht gebogen und dann wirk-
lich nischenförmig, unten tiefer als oben. Dass derartige Fels-
nischen namentlich in Syrakus häufig sind, und dass sie teils
mit Reliefs ausgefüllt waren, teils auch nur eine Malerei ent-
hielten, hat P. Orsi in den Notizie degli seavi 1891, 393 f. bei
der Besprechung eines wahrscheinlich aus einer solchen Nische
stammenden Reiterreliefs dargelegt.
 
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