DER TEMPEL VON SEGESTA
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diesen zweifellos noch dem 5. Jahrhundert v. Chr. und zwar
am wahrscheinlichsten der zweiten Hälfte des Jahrhunderts zu-
schreiben müssen, gehört auch der
Tempel von Segesta in dieselbe
Zeit, nicht wie Hohn I 304 meinte,
möglicherweise erst in das 4. Jahr-
hundert. Erinnert man sich nun.
wie armselig die Verhältnisse der
Segestaner waren, als sie die
Athener baten, ihnen gegen Seimus
zu helfen (Thuk. Vi 6. 8. 4G), wird
man gern annehmen mögen, dass
die Erbauung des Tempels in eine
glücklichere Zeit, etwa ein bis zwei
Decennien früher, in die Jahre
von 430—420 v. Chr. gefallen sei.
Das scheint auch ungefähr die Zeit
zu sein, der die schönen Münzen von
Segesta mit dem Kopf der „Nymphe"
und mit dem Jäger (Krimisos) u. ä.
angehören {Coins of Sicily 133 ff. Head,
Hist. Nuiu. 145; jetzt bei Holm III 635),
die Freeman II 369 mit einer neuen
Periode in der Hellenisierung der
sicilischen Barbarenstädte inZusammen-
hang bringt.
tum des Aeneas, wozu noch kommt, wTas aus der Existenz
eines Theaters und aus den Münzen entnommen werden kann).
Abb. 117.
Das Capitell N. 3 v. 0. des Tempels bei Segesta
von Süden gesehen.
Welcher Gottheit der Tempel ge-
weiht war, ist nicht überliefert, und
die Angaben über den Fundort einer
Weihinschrift an Aphrodite Urania
(Kaibel 287) sind zu unbestimmt, als
dass man sie auf den Tempel beziehen
dürfte. Auch ist wohl daraus kein
sicherer Schluss zu ziehen, dass er, wie
nach etruskisch - römischer Lehre ein
Venustempel (Vitruv I 7, 1), aufserhalb
der Stadt liegt, nordwestlich, hart an
der schroffen Schlucht des Baches
Pispisa und von der Stadt durch eine
beträchtliche Einsenkung getrennt, auf
einer Kuppe, die niedriger ist als der
sehr hohe Stadtberg, die aber durch
die natürliche Beschaffenheit des Ter-
rains kaum minder geschätzt war
(vergl. die italienische General-
stabskarte bei Holm I Taf. V).
Die zufälligen Angaben der
classischen Autoren über die Culte
von Segesta sind nur dürftig und
betreffen wohl kaum die Haupt-
sache (Aelian v. h. II 33 über die
in Männergestalt verehrten Flüsse
Porpax, Krimisos — vergl. Serv.
Aen. I 550. V 30 -- und Telmessos;
Cicero Verr. IV 34 über eine Cult-
statue der Artemis — vergl. dazu
Holm I 444, III 402 und Roschers
Lexikon der Mythologie I 572 —;
Herodot V 47 über das Heroon des
11' 11111111
Abb. 118. Von dem Tempel bei Segesta.
Das Capitell nach Nicolö Puglia (1790). Ein verankerter Dübel.
Stylobatquadern.
Abb. 119. Der Stufenbau des Tempels bei Segesta.
Die Ostfront von Süden.
Der mit seiner Ostfront unge-
fähr der Stadt zugekehrte Tempel
hat 6:14 Säulen. Nur die Peristase
mit den beiden Giebeln steht noch
aufrecht. Die Cella ist vollständig
verschwunden, vielleicht nur mit
Ausnahme einer Quader bei der
Säule S. 3 v. W. und einer im
Nordosten (vergl. Serradifaleo 1114).
Das Innere liegt jetzt im Niveau
der Oberstufe, und aus der gras-
bewachsenen Fläche sieht nament-
lich in der SW.-Ecke der Fels
hervor; die Cella wird demnach
abgesondert in Felsgräben fundamen-
tiert gewesen sein und ihr Grundriss
müsste sich durch eine Aufräumung
mit Leichtigkeit ergeben.
Der Stylobat ist vielsteinig, aber
seine Fugen sind genau von der Säulen-
stellung abhängig und liegen in ge-
nauem Fugenwechsel zur Oberstufe, zur
Unterstufe und zur Stereobatkrone.
Jede Säule steht auf einem Paar
Binder, die an den Ecken so gelegt
sind, dass ihre Stofsfuge an die Lang-
seite fällt. Beide Blöcke bilden zu-
sammen gleichsam die Säulenplinthe.
Zwischen ihnen lagen zwei Reihen von
je zwei gleichartigen Blöcken; davon
ist die hintere Reihe, die vielleicht
zweischichtig war, nirgends erhalten.
Der Werkzoll ist auf der Oberfläche
nur für die runden Säulenstandflächen
und vorn an der Kante abgenommen
(Abb. 118 und 119). Auch die Vorder-
fläche hat Werkzoll und unten Rand- |
beschlag mit Fugensicherung, aufser-
dem an jedem Block eine Versatzbosse,
an den längeren Eckblöcken deren
zwei oder drei. Es sind also die
in gewohnter Weise isometrisch
disponierten Säulenplinthen und
Zwischenplmtheii noch einmal ge-
teilt, unter der Säule nur in der
Querrichtimg, im Intercolunmium
in der Quer- und in der Längs-
richtung. So kommen auf jedes
Joch (von 4.36) 4 gleiche Blöcke
(je 1.09), nur die in den zweiten
Jochen (4.24) sind gleichmäfsig um
3 cm kleiner (1.06) und die im
Eckjoch (4.11) ebenfalls gleich-
mäfsig um 6 cm (1.03) kleiner als
die im Normal-Joch.
Derselbe Unterschied in den
schönen Philippos von Kroton und Dionys I 53 über das Heilig-
Quadorfrontbreiten wiederholt sich bei der Oberstufe, der
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diesen zweifellos noch dem 5. Jahrhundert v. Chr. und zwar
am wahrscheinlichsten der zweiten Hälfte des Jahrhunderts zu-
schreiben müssen, gehört auch der
Tempel von Segesta in dieselbe
Zeit, nicht wie Hohn I 304 meinte,
möglicherweise erst in das 4. Jahr-
hundert. Erinnert man sich nun.
wie armselig die Verhältnisse der
Segestaner waren, als sie die
Athener baten, ihnen gegen Seimus
zu helfen (Thuk. Vi 6. 8. 4G), wird
man gern annehmen mögen, dass
die Erbauung des Tempels in eine
glücklichere Zeit, etwa ein bis zwei
Decennien früher, in die Jahre
von 430—420 v. Chr. gefallen sei.
Das scheint auch ungefähr die Zeit
zu sein, der die schönen Münzen von
Segesta mit dem Kopf der „Nymphe"
und mit dem Jäger (Krimisos) u. ä.
angehören {Coins of Sicily 133 ff. Head,
Hist. Nuiu. 145; jetzt bei Holm III 635),
die Freeman II 369 mit einer neuen
Periode in der Hellenisierung der
sicilischen Barbarenstädte inZusammen-
hang bringt.
tum des Aeneas, wozu noch kommt, wTas aus der Existenz
eines Theaters und aus den Münzen entnommen werden kann).
Abb. 117.
Das Capitell N. 3 v. 0. des Tempels bei Segesta
von Süden gesehen.
Welcher Gottheit der Tempel ge-
weiht war, ist nicht überliefert, und
die Angaben über den Fundort einer
Weihinschrift an Aphrodite Urania
(Kaibel 287) sind zu unbestimmt, als
dass man sie auf den Tempel beziehen
dürfte. Auch ist wohl daraus kein
sicherer Schluss zu ziehen, dass er, wie
nach etruskisch - römischer Lehre ein
Venustempel (Vitruv I 7, 1), aufserhalb
der Stadt liegt, nordwestlich, hart an
der schroffen Schlucht des Baches
Pispisa und von der Stadt durch eine
beträchtliche Einsenkung getrennt, auf
einer Kuppe, die niedriger ist als der
sehr hohe Stadtberg, die aber durch
die natürliche Beschaffenheit des Ter-
rains kaum minder geschätzt war
(vergl. die italienische General-
stabskarte bei Holm I Taf. V).
Die zufälligen Angaben der
classischen Autoren über die Culte
von Segesta sind nur dürftig und
betreffen wohl kaum die Haupt-
sache (Aelian v. h. II 33 über die
in Männergestalt verehrten Flüsse
Porpax, Krimisos — vergl. Serv.
Aen. I 550. V 30 -- und Telmessos;
Cicero Verr. IV 34 über eine Cult-
statue der Artemis — vergl. dazu
Holm I 444, III 402 und Roschers
Lexikon der Mythologie I 572 —;
Herodot V 47 über das Heroon des
11' 11111111
Abb. 118. Von dem Tempel bei Segesta.
Das Capitell nach Nicolö Puglia (1790). Ein verankerter Dübel.
Stylobatquadern.
Abb. 119. Der Stufenbau des Tempels bei Segesta.
Die Ostfront von Süden.
Der mit seiner Ostfront unge-
fähr der Stadt zugekehrte Tempel
hat 6:14 Säulen. Nur die Peristase
mit den beiden Giebeln steht noch
aufrecht. Die Cella ist vollständig
verschwunden, vielleicht nur mit
Ausnahme einer Quader bei der
Säule S. 3 v. W. und einer im
Nordosten (vergl. Serradifaleo 1114).
Das Innere liegt jetzt im Niveau
der Oberstufe, und aus der gras-
bewachsenen Fläche sieht nament-
lich in der SW.-Ecke der Fels
hervor; die Cella wird demnach
abgesondert in Felsgräben fundamen-
tiert gewesen sein und ihr Grundriss
müsste sich durch eine Aufräumung
mit Leichtigkeit ergeben.
Der Stylobat ist vielsteinig, aber
seine Fugen sind genau von der Säulen-
stellung abhängig und liegen in ge-
nauem Fugenwechsel zur Oberstufe, zur
Unterstufe und zur Stereobatkrone.
Jede Säule steht auf einem Paar
Binder, die an den Ecken so gelegt
sind, dass ihre Stofsfuge an die Lang-
seite fällt. Beide Blöcke bilden zu-
sammen gleichsam die Säulenplinthe.
Zwischen ihnen lagen zwei Reihen von
je zwei gleichartigen Blöcken; davon
ist die hintere Reihe, die vielleicht
zweischichtig war, nirgends erhalten.
Der Werkzoll ist auf der Oberfläche
nur für die runden Säulenstandflächen
und vorn an der Kante abgenommen
(Abb. 118 und 119). Auch die Vorder-
fläche hat Werkzoll und unten Rand- |
beschlag mit Fugensicherung, aufser-
dem an jedem Block eine Versatzbosse,
an den längeren Eckblöcken deren
zwei oder drei. Es sind also die
in gewohnter Weise isometrisch
disponierten Säulenplinthen und
Zwischenplmtheii noch einmal ge-
teilt, unter der Säule nur in der
Querrichtimg, im Intercolunmium
in der Quer- und in der Längs-
richtung. So kommen auf jedes
Joch (von 4.36) 4 gleiche Blöcke
(je 1.09), nur die in den zweiten
Jochen (4.24) sind gleichmäfsig um
3 cm kleiner (1.06) und die im
Eckjoch (4.11) ebenfalls gleich-
mäfsig um 6 cm (1.03) kleiner als
die im Normal-Joch.
Derselbe Unterschied in den
schönen Philippos von Kroton und Dionys I 53 über das Heilig-
Quadorfrontbreiten wiederholt sich bei der Oberstufe, der
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