Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Typen der Löwenpanther und der Figurenszenen beweisen, daß Flachbilder zugrunde liegen1.
Während auf der Akropolis neben dem Flachrelief das Hochrelief mit seiner rundplastischen
Gestaltung steht, ohne daß sich Zwischenstufen erkennen lassen2, wölbt sich hier die Kom-
position des Flachreliefs zum Hochrelief und sprengt durch das Hervortreten einzelner Teile
die einheitliche Vorderebene des Reliefs3. In dem Kampfe um die Plastizität ergeben sich die
mehrfach hervorgehobenen Konflikte mit dem Raum. Wir werden diese Lösung schwerlich als
eine allgemeine entwicklungsgeschichtliche Zwischenstufe auffassen dürfen, sondern als einen
besonderen Weg, den die korinthische Kunst beschritt. Demgegenüber bedeutete die rund-
plastische Bildung der attischen Tiergruppen einen neuen, kühnen Beginn.

Die Kunst der Tempelskulpturen ist rein dorisch. Auch die vielleicht vorhandenen ikono-
graphischen Beziehungen zu Sizilien bleiben in diesem Bereiche. Was den Zauber ionischer
Marmorkunst ausmacht, fehlt hier, die weiche Hingabe an die Schönheit der Erscheinung. Wir
sind in einer herberen Luft als in der von „einzigartigem Duft"4 kostbarer Blüten erfüllten der
ionischen Inseln. Der Geist, der hier schafft, ist aktiver, konstruktiver, logischer und mathe-
matischer. Aber auch in der Stimmung, die die eigentümliche Haltung dem Kopf des Chrysaor
verleiht, kann man eine Vorahnung von peloponnesischen Werken des herben und des klassi-
schen Stils empfinden. Die Komposition des Giebels mit dem bewunderungswürdigen Gleich-
gewicht und der Konzentration der Kräfte, mit der zwiefachen Bewegung zur Mitte und nach
den Ecken ist nicht nur die Vorstufe für die Giebel der späteren archaischen, der herben und
der klassischen Kunst, für Aigina, Olympia und den Parthenon, sondern offenbart den gleichen
Geist, der später den klassischen Kontrapost schafft. Der Giebel von Korkyra steht in einer
Tradition, die in stärkerem Maße als die Porosgiebel auf der Akropolis für die klassische Ge-
staltung des Giebels bestimmend gewesen ist5. In der konstruktiven Klarheit der einzelnen
Gestalten erkennen wir die archaische Vorstufe der argivischen Plastik des fünften Jahr-
hunderts. Die letzte Vollendung gibt dem Werke die nicht mehr konstruierbare, sondern dem
Gefühl entspringende Gestaltung der Oberfläche, jenes „/aXsTraraTov spyov, ötocv sv ovuyi 6 rcrjXög
YivrjTai“6.

Wie die ältesten attischen Kuroi der attischen Klassik vorangehen, so ist die archaische Plastik
von Korkyra die Vorstufe der Kunst Polyklets.

1 Vgl. insbesondere das Motiv der linken Hand des Liegenden mit dem Vasenbilde Payne N. Taf. 41, 4 (s. oben S. 99 Anm. 1) und
das Sitzmotiv des Priamos (vgl. FR. Taf. 121).

2 Heberdey a. O. 13ff.

3 Der Vorgang ist umgekehrt als ihn Casson a. O. 104 definiert.

4 Buschor, Altsamische Standbilder 5.

5 Vgl. die Wendung von der Richtung zur Mitte nach den Ecken im Westgiebel von Aigina, im Ostgiebel von Olympia und in den
Parthenongiebeln und mit den Löwenpanthern die formale Bedeutung der Gespanne im Ostgiebel von Olympia und im Westgiebel des
Parthenon.

6 Wolters, MJ. N. F. 11, 1934, 8ff.

198
 
Annotationen