Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
C. FRAGMENTE VON FRIESEN

Bei der Ausgrabung im Frühjahr 19141 wurden am östlichen Ende der nördlichen Ringhalle
zwei Relieffragmente, Nr. I u. 2, gefunden, die Dörpfeld dem Pronaos zuschrieb und als Reste
eines Frieses oder einzelner skulptierter Metopen erklärte (AM. 39, 1914, 164). Im Jahre 1920
fand K. Rhomaios (AsXt. 6, 1920—21, HapapT. 168) im Süden, etwa 12 m westlich der öst-
lichen Euthynteria, zusammen mit dem oben S. 111 Nr. 5 behandelten Stücke drei Fragmente
(3—5), die er dem £uo<p6po; tgu 7ip:S6|j.o'j zuschrieb. Der Annahme, daß es sich um einen durch-
laufenden Fries im Pronaos handle, hat sich C. Weickert, Typen der archaischen Archi-
tektur 110, angeschlossen. Zu derselben Reihe gehören wegen der gleichen Basisleiste das wahr-
scheinlich im Westen gefundene Fragment 6 und vielleicht das sicher im Westen gefundene
Fragment 7. Endlich sind die Fragmente 8—10, deren Fundort nicht bekannt ist, mit Sicher-
heit dieser Reihe zuzuweisen.

Nach ihrer tektonischen Gestalt würde man die Fragmente unbedenklich den Metopen des
Tempels, sei es an den Fronten, sei es über dem Pronaos oder dem Opisthodom, zuschreiben.
Fragment 1 läßt sich zu einer den erhaltenen glatten Metopen entsprechenden Höhe ergänzen
und gleicht ihnen auch in der Dicke. Die an mehreren Stücken vorhandene untere Leiste ist
ein normaler Bestandteil der Metope, und auch oben war eine Leiste vorhanden (1). Veran-
lassung zum Zweifel gibt ausschließlich der Gegenstand von Fragment 1, dessen Figuren bei
einer normalen Metopenbreite keine geschlossene Szene (s. unten) ergeben.

Ein durchlaufender Figurenfries ist an einem normalen griechischen Tempel dorischen Stils nicht
erhalten. Der Fries amArchitrav des Tempels von Assos gehört wohl zu den Elementen orien-
talischen, wahrscheinlich durch den lydischen Königshof vermittelten Einflusses auf klein-
asiatischem Boden. In den Bereich dorischer Kunst gehört der Reiterfries von Prinias, den
Pernier dem Gebälk der Fassade zuweist2; aber die kretischen Tempel des siebenten Jahr-
hunderts sind Schöpfungen einer Provinzialarchitektur, die abseits von dem Hauptstrom der
Entwicklung liegt, und ihre Formen können daher nicht als sichere Zeugnisse für die Archi-
tektur des Festlandes betrachtet werden. Eine Besonderheit stellt auch der niedrige Fries mit
Panthern und Löwen von der Akropolis dar. Immerhin ist hier ein durchlaufender Fries vor-
handen, der mit höchster Wahrscheinlichkeit in den Zusammenhang einer dorischen Archi-
tektur gehört3. Mit der Möglichkeit eines Frieses ist bei einigen Fragmenten des Athenatempels
von Mykene zu rechnen4. Wenn man die Beinreste des mykenischen Fragmentes Nr. 45 6 zu
ergänzen versucht, so finden die Figuren kaum in einer normal proportionierten Metope Platz.
Der Seitenrahmen des Fragmentes 3 ist bei einer archaischen Metope möglich, hat aber auch an
den Friesen des Siphnierschatzhauses in Delphi eine Parallele. Da die Fragmente in der Dicke
und der Proportion der Figuren nicht übereinstimmen, könnten die mykenischen Fragmente
1 u. 2 zu Metopen, die anderen zu einem Friese an den Zellafronten gehören. Der Annahme eines

1 Vgl. das für die Mitglieder der Berliner Archäolog. Gesellschaft gedruckte Telegramm des Kaisers vom 23. April 1914 (VII).

2 Vgl. dazu C. Weickert a. O. 59f. L. Pernier, AJA. 38, 1934, 171ff.

3 H. Payne-Young, Arch. Marble sculpt. from the Acropolis 11. W. H. Schuchhardt, AM. 60, 1935, lOOf. Der zeichnerische Versuch
einer Einfügung in die Pronaosarchitektur des alten Ringhallentempels (a. O. 103, Abb. 18) wirkt allerdings wenig überzeugend.
Der Fries wird zwischen dem hohen Architravbalken und dem zusammengesetzten und ergänzten Gesims erdrückt. Man möchte
ihn sich im Rahmen einer zierlicheren Architektur oder an einem anderen Baugliede denken. Der Pantherfries von Prinias wirkt an
seiner Stelle sehr glücklich.

4 K. Kuruniotis, Jdl. 16, 1901, 18ff. E. Katterfeld, Die griechischen Metopenbilder 3. Vgl. G. Rodenwaldt, Corollä Curtius 63Pf.
Die Eventualität eines Frieses dort S. 64 angedeutet.

5 A. O. 21. Gute neue Aufnahmen aller Fragmente hat auf meine Bitte vor einer Reihe von Jahren das Deutsche Archäologische

Institut in Athen durch H. Wagner ausführen lassen. Zeichnungen der Fragmente verdanke ich H. Johannes. Eine neue Unter-
suchung durch F. Goethert ist zu erwarten.

115
 
Annotationen