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Krause-Schmidt, Heike
"... ihr Brodt mit kleiner Silber-Arbeit erwerben": die Geschichte des Gmünder Goldschmiedegewerbes von den Anfängen bis zum Beginn der Industrialisierung, unter besonderer Berücksichtigung der Filigranproduktion — Schwäbisch Gmünd: Einhorn-Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.52957#0042
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Walter Klein betrachtete die Darstellungen auf der Schützentafel als reale Wiedergabe der
Preise, die für ihn von Gmünder Goldschmieden gefertigt sein mußten, und schloß daraus
auf ihre „Tüchtigkeit“. Andere Mutmaßungen könnten aber auch dahin gehen, daß es sich
um eine geschönte, idealisierte Abbildung der Preise handelte; schließlich war die Tafel für
,Werbezwecke‘ angefertigt worden mit dem Ziel, möglichst viele Teilnehmer für das Preis-
schießen zu gewinnen. Da sich die Tafel in Gmünd fand, ist anzunehmen, daß man sie vor
dem Turnier als Reklametafel verwendete und während des Turniers anstelle der Originale
öffentlich zur Schau stellte, um die Preise dem Risiko, gestohlen zu werden, nicht auszuset-
zen. Eine weitere Möglichkeit wäre, daß die Preise, zumindest die Deckelpokale, nicht in
Gmünd selbst hergestellt, sondern von auswärts (vielleicht von Augsburg?) bezogen worden
sind. Letztendlich wird man die ,Wahrheit4 um diese Tafel nicht ergründen können; sie wäre
jedoch als Beweis für die Gmünder „Goldschmiedstradition“ überfordert.
1.3. Die Rolle der Zünfte bis 1552
Die Quellen zur Entfaltung des Zunftwesens in Gmünd sind äußerst spärlich, und über die
Entstehung der 1344 erstmals bezeugten Zünfte fehlt jede Nachricht. Man weiß lediglich,
daß es ursprünglich dreizehn Zünfte gab, in die alle Gewerbetreibenden eingegliedert waren;
um welche Zünfte es sich dabei im einzelnen handelte, ist unbekannt.149
1344 kam es in Gmünd zur Einführung der „Zunftverfassung“, das heißt zur Beteiligung der
von den Meistern eines Handwerks gewählten Zunftmeister am Stadtregiment und zur Ablö-
sung der Geschlechter durch eine neue Führungsschicht. Der Historiker Klaus Graf vermu-
tete in seinem Aufsatz „Gmünd im Spätmittelalter“, daß ein gewaltsamer Aufstand der
Handwerker gegen die „Burger“, die bis dahin alleinherrschenden Geschlechter, vorange-
gangen sei, der einen Konsens aller politischen Kräfte über die künftige Wahrung des inner-
städtischen Friedens notwendig gemacht habe.150 151 Fortan hieß es, wenn von „Obrigkeit“ ge-
sprochen wurde, „Schultheiß, Bürgermeister, Stättmeister, Zunftmeister und Gemeinde“.
Kaiser Karl IV. bestätigte 1373 die Beteiligung der Zünfte am Stadtregiment: Bei wichtige-
ren städtischen Angelegenheiten wurden stets auch die Zunftmeister zu Rate gezogen.
1462 kam es zu einer Verfassungsänderung, die den Einfluß der Zünfte auf die Regierung
noch stärkte. Die Zunftmeister wurden ständig in den Rat aufgenommen. Gleichzeitig stellte
man den für die städtischen Finanzen zuständigen beiden Stättmeistern einen dritten zur Sei-
te, der aus den Reihen der Zunftmeister kam. Seitdem gab es in Gmünd drei „Ratsbänke“ -
auch „Kleiner Rat“ genannt: die „Burgerbank“, die „Gemeindebank“ und die „Zunftmeister-
bank“ mit je dreizehn Mitgliedern. Neben dem Kleinen Rat bestand der 1410 erstmals er-
wähnte „Große Rat“, der zusätzlich je zwölf Meister aus den einzelnen Zünften, die soge-
nannten „Zwölfmeister“ umfaßt haben dürfte. Über seinen Einfluß auf die Politik des Klei-
nen Rats ist allerdings nichts bekannt.'51 Klaus Graf urteilte über den Einfluß der Zünfte auf
die Regierung: Die Zunftverfassung war nur scheinbar eine Herrschaft der Zünfte, denn im

149 GRAF: Spätmittelalter 1984, S. 105.
Abhandlungen zu den Zünften in Schwäbisch Gmünd sind:
Ursula LAURENTZSCH: Die Gmünder Zünfte um 1500. Unveröffentlichte masch. Zulassungsarbeit, Schwä-
bisch Gmünd 1979. Eberhard NAUJOKS: Obrigkeitsgedanke, Zunftverfassung und Reformation. Stuttgart
1958.
150 GRAF: Spätmittelalter 1984, S. 102.
151 GRAF: Spätmittelalter 1984, S. 104.

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