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Krause-Schmidt, Heike
"... ihr Brodt mit kleiner Silber-Arbeit erwerben": die Geschichte des Gmünder Goldschmiedegewerbes von den Anfängen bis zum Beginn der Industrialisierung, unter besonderer Berücksichtigung der Filigranproduktion — Schwäbisch Gmünd: Einhorn-Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.52957#0050
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Zunfthaus eine kaiserliche Kaserne untergebracht 198, 1813 an den Wirt des „Walfisches“
verkauft 199 und 1864 schließlich abgebrochen 20°. Das Verhalten im Zunfthaus war streng
geregelt: So war es zum Beispiel verboten, im Zunfthaus den Degen oder ein Messer zu zük-
ken. jemanden zu schlagen oder Gott durch Schwören zu lästern201. Wichtigstes Requisit ei-
nes Handwerks war die Zunftlade, in der die Handwerksbücher mit den Artikeln, Statuten
und Namensverzeichnissen, alle Dokumente und Urkunden, Siegel und Wappen aufbewahrt
wurden. Gleichzeitig war die Lade auch die Hauptkasse der handwerklichen Gemeinschaft.
Alle offiziellen Angelegenheiten von Bedeutung wurden vor offener Lade verhandelt: die
Einschreibung und die Ledigsprechung der Lehrjungen, die Überreichung des Gesellen- und
Meisterbriefes, die Aufnahme eines auswärtigen Meisters, die Verleihung von Kapitalien
und Eintragungen in die Bücher202.
Die Oberaufsicht über das Zunfthaus und die Zunftlade hatte der Stubenmeister, der die
Aufgaben eines ,Hausmeisters1 bekleidete203. Ihm zur Seite stand der Zunftknecht, der ne-
ben allen anfallenden Arbeiten204 auch die Aufgaben eines Boten und Ausrufers über-
nahm205, und - im Fall der Goldschmiede, die als mitgliederreiches Handwerk innerhalb ei-
ner heterogenen Zunft über einen eigenen Zunftknecht verfügten - den Gewerbeangehörigen
die für ihren Beruf notwendigen Kohlen verkaufte206 (vgl. S. 222).
Außer dem Zunfthaus, das den Rahmen für offizielle Anlässe bot, verfügte das Handwerk
zusätzlich über eine oder - wie zum Beispiel die Goldschmiede - zwei Herbergen, sozusa-
gen Stammlokale, in dem oder denen die geselligen Zusammenkünfte, gemeinsamen Feste
und Trinkgelage stattfanden; dabei verkehrten die Goldschmiedemeister und -gesellen in un-
terschiedlichen Herbergen.207
Regelmäßige Zusammenkünfte des gesamten Goldschmiedehandwerks fanden zweimal
jährlich an Pfingstmontag und an „Martin Episcopi“ (11. November) im Zunfthaus (Abb. 7)
statt208. Die Teilnahme an den Treffen war für alle Goldschmiedemeister verbindlich; bei

198 (Sta Gd) D. DEBLER: Chronica. Bd. 5/2, S. 603.
199 (Sta Gd) D. DEBLER: Chronica. Bd. 7, S. 69.
200 DEIBELE 1955, S. 11.
201 (Sta Gd) D. DEBLER: Chronica. Bd. 3/3, S. 302 bis 305.
202 Vgl. GRIMM 1867, S. 388.
DEIBELE 1955, S. 12.
Herbert SINZ: Lexikon der Sitten und Gebräuche im Handwerk. Freiburg/Br. 1986, S. 213.
203 Eduard FUNK: Das Gmünder Handwerk in zwölf Jahrhunderten. In: einhorn 81, Juni 1967, S. 165 bis 171.
204 (Sta Gd) RP 1745 bis 47, 24. März 1746, S. 49: Das Amt des Zunftknechts wurde im allgemeinen auf Lebens-
zeit versehen. Konnte ein Knecht seine Arbeit alters- oder krankheitshalber nicht mehr versehen, so wurden
die Aufgaben auf die Ehefrau oder den Sohn übertragen. Im nachfolgenden Beispiel wurde die Nachfolge
schon vor dem Tode des bisherigen Knechtes geregelt. Auf allenfalls erfolgendtes Absterben des allbereits ei-
ne lange Zeit hero krankh darnieder ligendten Joseph Bekhen, Zunftknechts bey dem Ersamen Handtwerkh
derer Goldschmidten, soll der hinderbleibendten Wittib hiemit der Dienst (. . .) zugesagt seyn, der Sohn Jo-
seph aber solcher für die Muetter, solang sie sich guetlich miteinander comportiern könnten, zu versehen ha-
ben.
205 (Sta Gd) D. DEBLER: Chronica. Bd. 6/2, S. 540: Der Zunftknecht mußte alle die Zunft und die einzelnen
Handwerke betreffenden Neuigkeiten den Mitgliedern überbringen.
206 (Sta Gd) RP 1786, 11. Mai 1786, S. 45 bis 46.
207 Vgl. (Sta Gd) D. DEBLER: Chronica. Bd. 3/2, S. 484 bis 485: Wo die Professionen ihre Herberg haben
1780: Beim Roten Hahnen die Goldschmiedsgesellen, weilen das Haus verkauft worden anno 1787 seind sie
abgezogen. Beim Roten Ochsen die Goldschmiedemeister; die Schreiner und Kübler seind abgezogen. Bei
der Glocken seind die Schuhmacher abgezogen anno 1787, weilen die Goldschmiedsgesellen angekommen.
Bd. 6/2, S. 501 bis 502: 1807 wählte das Goldschmiedehandwerk eine neue Herberge. Die meisten Stimmen
entfielen auf das Wirtshaus „Heberle“ von Johann Debler.
208 (Sta Gd) Goldschmiedeordnung vom 28. Juli 1739, Punkt 1. Erneuerung des Punkts in der Goldschmiedeord-
nung vom 27. Februar 1798 (Sta Gd).

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