Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Krause-Schmidt, Heike
"... ihr Brodt mit kleiner Silber-Arbeit erwerben": die Geschichte des Gmünder Goldschmiedegewerbes von den Anfängen bis zum Beginn der Industrialisierung, unter besonderer Berücksichtigung der Filigranproduktion — Schwäbisch Gmünd: Einhorn-Verlag, 1999

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.52957#0076
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
oder 1750 kritisierte der Handelsmann Augustin Deibele, man schlage allerhandt falsche
Zaichen auf die Doßen™5 (vgl. Kapitel B. 2.1.7. Das „Mittel“ und das „Schauamt“ als Kon-
trollorgane?). In einem anderen Fall verklagte 1749 der Gmünder Goldschmied Sebastian
Pfister seinen Kollegen Michael König, dieser habe auf silberne Doßen, so münder dan 12
Löthig gewesen, den buntzen (Punze) mit dem Zwöllfer darauf schlagen lassen,™6 und zwar
durch Bestechung des Schaumeisters.365 366 367 Sowohl die Schaumeister als auch der einzelne
Goldschmied schienen sich über bestehende Verordnungen hinweggesetzt zu haben. Auch
kam es vor, daß der eine oder andere Goldschmied selbst seine geringlötigen Silberprodukte
mit einer gefälschten Stadtbeschau- oder Lötigkeitsmarke versah.368 Da die Kauf- und Han-
delsleute, die diese falsch gekennzeichneten Silberwaren auf Messen, Jahrmärkten und
Wallfahrtsorten (unwissentlich?) verkauften, zumeist die Leidtragenden waren, denn sie
wurden für den Verkauf geringlötiger Ware zur Rechenschaft gezogen, und weil die Be-
weisführung sich häufig äußerst schwierig gestaltete, den Produzenten und das Produktions-
jahr der Ware ausfindig zu machen, unterbreiteten die Gmünder Kaufleute 1747 den Vor-
schlag, man solle das Schau- oder Stattzeichen alle Jahr renoviren, auch mit einem beson-
deren Nahmen aus dem Alphabeth oder sonstigem invento zu marquiren, auch derley
Stampf bey löbl. Stättmeister-Ambt auf zu behalten, damit man sodan sehen möge, wan,
wie, von wem, oder in was Jahrgang einfalsum begangen, oder von denen schaumeisteren
eine schlechte Obsicht gehalten worden seye.™9 Sie orientierten sich bei diesem Ansinnen,
das Stadtwappen durch einen jährlich wechselnden Buchstaben zu kennzeichnen und da-
durch das Beschaujahr genau datierbar zu machen, an der Augsburger Praxis, wo 1734 die
Jahresbuchstaben auf dem Beschauzeichen, die für zwei Jahre Gültigkeit hatten, eingeführt
worden waren.370 371 Auch die Schaumeister hatten großes Interesse, ihren in Verruf gekommen
Ruf wieder zu verbessern, und unterstützen deshalb den Vorschlag der Kaufleute. Sie selbst
aber waren der Meinung, daß zuerst eine neu eingerichte schau seinen Anfang nehmen müs-
se, und erst dann solle das schau-zeichen mehrmahlen widerum renovirt, und mit einer ge-
wisen Marque notirt werden. Da aber denen Schaumeisteren wegen des schauzeichens ei-
niger Verdacht vorkommen, sollen sie befuegt seyn, solches zu cassieren, in Verwahr zu
nehmen, damit wan über kurtz oder lang sich ein betrug dardurch entdeckhen mögen, da
gegen aber das schauzeichen widerum renoviren, und mit einer anderen Marque zu noti-
ren, wordurch leichtlich aller betrug verhindert, ia gäntzlich ab gesteh werden könteN'
Keiner der beiden Vorschläge wurde jedoch realisiert. Jedes Beschauzeichen behielt so lan-
ge seine Gültigkeit, bis es durch den häufigen Gebrauch abgenutzt und verschlissen war.
Danach erhielt ein Graveur den Auftrag, ein neues herzustellen. Zwar variierten die unter-
schiedlichen Schauzeichen im Aussehen, keines war mit dem anderen identisch, und man

365 (Sta Gd) RP 1750, 1. Oktober 1750, S. 224.
366 (Sta Gd) RP 1749, 15. April 1749, S. 67 bis 68.
367 (Sta Gd) RP 1749, 17. April 1749, S. 71 bis 72. Der Acht- und Schaumeister Jakob Bulling gab zu Protokoll,
daß Michael König ihme (. . .) 52 x versprochen, manchmahlen ihm 51, auch zuweilen 50 x bezahlt, so habe
er auf dessen Verlangen den Zwöllfer darauf geschlagen.
368 (Sta Gd) Extr. RP 1700 bis 1778, 31. Oktober 1778, S. 164. Goldschmied Michael Eisele wird vor dem Rat
wegen Verfälschung des Silbers und Aufschlagung der Pro&vernommen.
(Sta Gd) RP 1783, 28. Januar 1783, S. 6 a bis 7. Achtmeister Niklas Forster zeigt dem Rat an, daß der Gold-
schmied Michael Lipp einige geringhaltige Silberwaren mit einem eigens in seinem Haus gehabten Punzen,
auf welchen der hiesigen älteren Stadtprob fast ähnliche Stimpel gestochen habe, gemarkt habe.
369 (Sta LB) Bestand 178 Bü 120 (S. 788). 19.' Dezember 1747, Punkt 4.
370 SELING 1994, S. 67. Ab 1799 erfolgte der Wechsel der Buchstaben jährlich.
371 (Sta LB) Bestand 178 Bü 124 (S. 837). Vorschläge der Goldschmiedeschaumeister vom 1. Februar 1748,
Punkt 3.

72
 
Annotationen