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Krause-Schmidt, Heike
"... ihr Brodt mit kleiner Silber-Arbeit erwerben": die Geschichte des Gmünder Goldschmiedegewerbes von den Anfängen bis zum Beginn der Industrialisierung, unter besonderer Berücksichtigung der Filigranproduktion — Schwäbisch Gmünd: Einhorn-Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.52957#0089
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geringlötiger Silberware geahndet wurde als vielmehr der Vertrieb.428 Auch in der Folgezeit
gehörten Klagen gegen Gmünder Waren zum Alltag des Rates.
In der Mitte des 18. Jahrhunderts schließlich kam es erneut zu einer Flut von Prozessen, in
deren Verhandlungsverlauf die Rolle des Schauamtes in ein zweifelhaftes Licht gerückt
wurde. In dieser Zeit war der vorgeschriebene Feingehalt für kleinteilige Silberwaren unter
anderthalb Lot Gewicht mindestens 91ötig, ab zwei Lot mindestens 131ötig (vgl. Kapitel
B. 2.1.4. Bestimmungen zum Silbergehalt). Den Stein ins Rollen brachten Silberdosen, die
der Handelsmann Johann Michael Spriegel429 im Dezember 1747 an einen jüdischen Händ-
ler aus Mühringen verkauft hatte. Obwohl die Dosen mit der Stadtbeschaumarke und dem
Lötigkeitsstempel („13“) versehen waren, wiesen die Dosen drei unterschiedliche Legierun-
gen auf: Die Strichproben an verschiedenen Stellen derselben Dose belegten, daß sie aus 4-,
6- und lOlötigen Silber gefertigt worden war.430 Dafür erhielt der Handelsmann in Mührin-
gen eine Geldstrafe von 2500 fl. Daraufhin strengte Spriegel in Gmünd einen Prozeß gegen
den Produzenten der Dosen, den Goldschmied Johann Joseph Straubenmüller, an, in dessen
Verlauf die Frage beantwortet werden mußte, wer verantwortlich war für die Herstellung -
entweder der Goldschmied, der den Handelsmann hinterging und ihm ohne dessen Wissen
geringlötige Dosen verkauft hatte, oder der Handelsmann, der den Goldschmied zur Herstel-
lung solcher Dosen genötigt hatte. Da die Dosen die Gmünder Stadtbeschaumarke trugen,
wurde in den Prozeß auch der Oberachtmeister Caspar Mayer mit hineingezogen, der nach
Aussage des Goldschmiedes die Probe vorgenommen und den Prob Zettel - die Quittung -
ausgestellt habe.431 Johann Joseph Straubenmüller wurde am 26. Februar, weil er die auf-
schlagung des Statt=prob=Zeichens höchstdoloser weise erschlichen, dazu verurteilt, daß
er ein Viertel Jahrlang täglich geschlossner allda öffentlich zur arbeith angehalten, nachts

428 (Sta Gd) RP 1689 bis 95:
28. April 1695, S. 120 a. Sebastian Schödel und Johann Seitz, beides handelnde Goldschmiede, verklagen die
Händlerin Salome Mayerin, weil sie gleich anderen nicht probmäßig sülber geführet. Die Goldschmiede füh-
ren die Klage vermutlich nur unter diesem Vorwand, um eine unliebsam Konkurrentin auszuschalten. Die
Mayerin wird zu 10 Reichstalern (moderiert auf 10 fl) verurteilt.
28. April 1695, S. 121. Die Händler Philipp Geiger, Niclas Bulling und die Händlerin Catharina Bildtsteinin
werden zu 10 Reichstalern (moderiert auf 6 fl) verurteilt, weil selbige geringhaltiges Silber verkaufte
17. Mai 1695, S. 121 bis 121 a. Die Goldschmiede Melchior Fischer und Jakob Seitz verklagen den handeln-
den Mitmeister Melchior Döbler, weil dieser behauptet habe, Seitz würde Schelmen- und Diebs Silber arbait-
hen. Beide Kläger arbeiten für Döbler, der behauptet, Seitz habe Silberprodukte geliefert, die ein Strichlen alß
ein 6 xerer hätten. Seitz meinte, als er von Döbler darauf angesprochen wurde, mann arbeithe auch ring Sil-
ber alhier.
30. Mai 1695, S. 122. Sieben Silberhändler wurden vom Rat befragt, was sie vor Silber undt wie vihl löthig
fürhen? Allerhandt und lOlöthig, wie sie Es nemblich von denen goldtschmidten empfangen. Jeder mußte 3 fl
Straff erlegen, undt sollen bey Verlust des Bürgerrechts Ihre Küsten visitieren lassen, so sie abreisen.
16. Juni 1695, S. 122 a bis 123 a. 20 Goldschmiede oder Goldschmiedsfrauen und neun handelnde Gold-
schmiede werden wegen geringlötigem Silber zu Geldstrafen verurteilt. Der Rat verkündet, alle, die hinkünff-
tig geringlötiges Silber arbaithen oder arbaithen lassen, solche ohnfühlbar auß der Statt mit Weib und Kin-
dern solle verwiesen werden. Drei Goldschmiede wurden weegen wider daß frische gebott gearbaitteten
schlechten silbers in 3 zerschiedene Thürme gesetzt.
5. Juli 1695, S. 124. Der handelnde Goldschmied Johann Franz wurde zu insgesamt 27 fl verurteilt, weil er
ringhaltiges Silber geführt und einiges allein 10 löthig arbaithen hat lassen.
16. August 1695, S. 124 a. Franz Forschner (= Forstner) der Goldtschmidt ist weegen geringhaltigen Sil-
bers, undt das er gesagt Er arbaithe Es wie er wolle, umb 3 Rhtlr Straff angezogen, so aber auf 2 Rhtlr mo-
deriert worden.
429 Die Prozeßakten umfassen einen kompletten Aktenordner mit der Signatur (Sta Gd) GBO G: Spriegelaffäre.
Der Prozeß erstreckte sich über die Jahre 1747 bis 1751.
430 (Sta Gd) GBO G: Spriegelaffäre. 9. Januar 1748. Schreiben Spriegels an den Gmünder Magistrat.
431 (Sta Gd) RP 1747, 28. November 1747, S. 209 bis 213.

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