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Krause-Schmidt, Heike
"... ihr Brodt mit kleiner Silber-Arbeit erwerben": die Geschichte des Gmünder Goldschmiedegewerbes von den Anfängen bis zum Beginn der Industrialisierung, unter besonderer Berücksichtigung der Filigranproduktion — Schwäbisch Gmünd: Einhorn-Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.52957#0092
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gern Silber nicht allein für die Goldschmiede, sondern dem gantzen gemeinen wesen den
völligen Ruin und umsturtz bedeuten würde. Sie appellierten erneut an das aus uhralten
ohnfürdenckhlichen Zeiten herrührende Recht, neben dem probmäßigen zugleich auch von
geringhaltigerem schrott die kleine Crammerey- und wahlfahrter waaren zu fabricieren.
Zudem würden anietzo in mehreren so klein als grossen Orthen unterschiedliche Goldt-
schmidt sich befinden, welche an gar keinen schrott gehalten Einem jeden nach Verlangen
die waaren fabriciren, mithin die frembde Silber Cramer, welche mit derley geringhaltige-
ren Silber-waaren commerciren unseren allhiesigen Handelsleuthen /: welchen kein anders
als 13. löthiges zu führen erlaubet :\ merkhlichen schaden zu fügen, da sie neben derley
Cramern niks verkauffen können. Da die aufrecht Haltung des gantzen gemeinen wesens
pur allein Von der Handelschafft abhanget, sei der größte Teil der Bevölkerung von den
Folgen betroffen. In den verschiedenen Absatzgebieten gebe es überdies unterschiedliche
Einfuhrbestimmungen für die Lotigkeit von Silberwaren;446 insofern sei es unsinnig, auf die
13-Lötigkeit ausnahmslos für alle Silberwaren zu bestehen. Der Rat war jedoch nicht kom-
promißbereit und bestand weiterhin auf die Einhaltung der Feingehaltsbestimmungen (vgl.
Kapitel B. 2.1.4. Bestimmungen zum Silbergehalt).
Die Prozesse um den Handelsmann Johann Michael Spriegel entwickelten sich immer mehr
zur Grundsatzdiskussion zwischen Handwerk und Magistrat. Nachdem der Rat eindeutig
Stellung bezogen hatte, was den Feingehalt betraf, griffen die Goldschmiede auf die alten
Methoden zurück, um den geforderten Feingehalt vorzutäuschen. Schon Eustachius Jeger
erwähnte für die Zeit nach 1659 das Weißsieden als gängige Praxis, um ein Stück höherlötig
erscheinen zu lassen (vgl. S. 76 f). Und 1709 berichteten die Ratsprotokolle, daß das Silber
mit Englischem Zün (Zinn) oder Bley widerlegt wurde, so daß das Stück eine hellere, silber-
ne Farbe erhielt.447 In der Mitte des 18. Jahrhunderts schienen manche Meister die Methoden
perfektioniert zu haben: Der Anwalt von Johann Michael Spriegel, Franz Xaver Franck,
schrieb in einer Imploration an den Kaiser, datiert vom 11. August 1750, von dieselW) mit
Betrügerey umgehendelyi) Künstlerin), die das Silber auf dem Strich höher treiben können,
als es in seinen innerlichen Werth, und in feuer ist. Zum Beispiel seien die Löffel des Gold-
schmieds Anton Herzer 9.löthig auf dem Strich, und S.löthig in Feuer gewesen; einem
Kauf- oder Handelsmann sei es darum unmöglich, allein durch den Probir Stein hinter die
Wahrheit zu kommen, deshalb müsse man die Feuerprobe obligatorisch machen.448 449 Eine Al-
ternative zum Weißsieden war, Gegenstände, die aus Einzelteilen (Deckel, Boden, Zarge)
zusammengesetzt wurden, wie Dosen, Becher etc., aus unterschiedlichen Legierungen zu
fertigen. Dabei achtete der Goldschmied darauf, daß der Schaumeister nur von einer höher-
lötigen Stelle die Probe machte. Ein solches Stück wurde dann vor gut erkannt, und von
dem verordneten Bürgermeister gemeiner Stadt=Wappen darauf geschlagen. Zum Beispiel
wiesen die beanstandeten Dosen von Johann Joseph Straubenmüller dreierlei Legierungen
auf: Der Boden und Deckel ö.löthig, der eingesprengte Boden 3.löthig, und der Rauf^,
worauf die Stadtprobe geschlagen worden, nur lO.loth und 3 Quint.450 Obwohl das soge-

446 (Sta LB) Bestand 178 Bü 124 (S. 838), 2. Juli 1748. (. . .) allermassen in Holl= und Welschlandt 14löthig, in
Pohlen nur schlechtes, in Maria Zell 7- oder 8löthig auf dem Feuer, zu Augspurg aber 9löthig verkaujft wer-
den darff.
447 (Sta Gd) RP 1707 bis 11, 28. Mai 1709, S. 130 bis 131. Normalerweise war geringlötiges Silber vor allem mit
Kupfer oder Messing legiert, so daß ein Stück eine eher rötliche bzw. gelbliche Farbe erhielt.
448 (Sta Gd) GBO G: Spriegelaffäre. Gesuch vom 11. August 1750.
449 Als Rauf oder Ranf bezeichnete man den leicht zurückspringenden Randstreifen, über den der Deckel einer
Dose schließt.
450 (Sta Gd) GBO G: Spriegelaffäre. Schreiben Spriegels an den Kaiser Franz I. vom 8. Juli 1748.

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