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Krause-Schmidt, Heike
"... ihr Brodt mit kleiner Silber-Arbeit erwerben": die Geschichte des Gmünder Goldschmiedegewerbes von den Anfängen bis zum Beginn der Industrialisierung, unter besonderer Berücksichtigung der Filigranproduktion — Schwäbisch Gmünd: Einhorn-Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.52957#0106
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Schmiedehandwerk zu beschränken, erkannte sowohl der Rat als auch das Mittel, und Mög-
lichkeiten, der unkontrollierten Zunahme zu begegnen, sahen sie in einer eingeschränkten
Zulassung zum Handwerk und in der Verlängerung der Ausbildungszeit.
Zur ersten Möglichkeit sind zu rechnen: die Voraussetzungen, die ein künftiger Lehrjunge
zu erfüllen hatte (Geburtsstatus, Vermögen, später auch die Schulbildung, etc.), die Karenz-
zeit, die ein Meister zwischen der Ausbildung zweier Lehrjungen einzuhalten hatte und die
Aufnahmegebühren. In diesem Zusammenhang ist auch die Problematik für Auswärtige zu
sehen, ins Goldschmiedehandwerk aufgenommen zu werden (vgl. Kapitel B. 2.1.2. Zunft-,
Handwerkszwang und Aufnahme ins Handwerk). Zur zweiten Möglichkeit gehört die lange
Lehr- und Gesellenzeit bis zum Erreichen der Selbständigkeit als Meister.
Lehrjungen
Mit Verweis auf die Goldschmiedeordnung von 1593 beschloß am 23. Februar 1669 der
Gmünder Rat in einem Dekret, die LährJungen Betreffendt, daß Jeder Maister, so ein Lähr
Jungen die gebräuchliche Vier Jahr außgelährnet, als dann zwey Jahr Lang sollen still ste-
hen, und under denselben Zwey Jahren nit Macht haben, Einen Anderen anzunehmben,
ehe, und zue vor solche zwey Jahr vorüber, und verflossen, Alles bey Straff Zehen Gulden,
die je zur Hälfte an den Rat und an das Handwerk gingen.519 Man versuchte die Ausbil-
dungszahlen zu senken, indem man einem Meister, wenn die Ausbildungszeit seines Lehr-
jungen520 vollendet und dieser vom Handwerk „lediggesprochen“ war, eine Pause von zwei
Jahren auferlegte, in denen er keinen Lehrjungen „aufdingen“ durfte. Seit 1593 betrug die
Lehrzeit bei den Goldschmieden vier Jahre, und bei Lehrbeginn mußte der Junge das 15. Le-
bensjahr vollendet haben.
Eine ausführlichere Reglementierung der Ausbildung hat sich aus dem Jahre 1697 erhal-
ten.521 In den „Artikeln, (. . .) die Lehrjungen betreffend“ wird deutlich, daß die bisherigen,
die Ausbildung betreffenden Verordnungen von den Meistern eher oberflächlich gehandhabt
wurden, und daß die Maßnahmen zur Eindämmung des Handwerks wenig bewirkt hatten.
Aus diesem Grunde legte das Mittel diese neuen Artikeln dem Rat vor, der diese anschlie-
ßend ratificirt(ff) und pro Lege statuirtlff). Darin wurde festgelegt, daß hinkünfftig kein Mai-
ster von einem Lehrjungen weniger nicht, dann 50 fl Lehrgelt annemben dürfe. Seit wel-
cher Zeit ein Lehrjunge bei Lehrbeginn das genannte Lehrgeld entrichten mußte, wird aus
der überlieferten Aktenlage nicht ersichtlich, jedoch scheinen die Meister sich öfters über
diese, bereits früher erlassene Verordnung hinweggesetzt zu haben. Auch schienen die Kin-
der wohl häufig erheblich jünger als 15 Jahre alt gewesen zu sein, was nun nach den neuen
Artikeln nicht mehr toleriert werden sollte. Die Lehrzeit wurde künftig auf fünf Jahre her-
aufgesetzt; für unvermögende Kinder, die kein Lehrgeld bezahlen konnten, betrug die Lehr-
zeit acht Jahre.522 Jeder Lehrjunge sollte bey dem Maister das Essen, und Ligerstatt zue

519 (Sta Gd) JEGER: Periphrasia 1707, S. 1109 bis 1111. Ratsdekret vom 23. Februar 1669, die LährJungen Be-
treffendt. Zitat S. 1110.
520 In der Reichsstadtzeit durfte ein Goldschmiedemeister immer nur einen, nie zwei oder mehr Lehrjungen zur
selben Zeit ausbilden.
521 (Sta Gd) JEGER: Periphrasia 1707, S. 1142 bis 1145. Neuer Articul der Goldtschmidt die LährJungen Betref-
fendt, vom 31. Oktober 1697.
522 In Augsburg war es üblich, daß die Lehrjungen mit zwölf Jahren die Goldschmiedelehre begannen, die im all-
gemeinen vier, später sechs Jahre dauerte. Konnte ein Junge das Lehrgeld (18 fl, später 24 fl) nicht bezahlen,
verlängerte sich die Lehrzeit auf acht Jahre (Ralf SCHÜRER: „ein erbar handwerckh von goldschmiden ,
S. 58. In: Gold und Silber I. München 1994, S. 57 bis 65). In Straßburg betrug die Lehrzeit ebenfalls zwischen
vier und sechs Jahren (MEYER 1881, S. 206 bis 207.).

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