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Krause-Schmidt, Heike
"... ihr Brodt mit kleiner Silber-Arbeit erwerben": die Geschichte des Gmünder Goldschmiedegewerbes von den Anfängen bis zum Beginn der Industrialisierung, unter besonderer Berücksichtigung der Filigranproduktion — Schwäbisch Gmünd: Einhorn-Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.52957#0107
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nemben, und zue haben schuldig seyn.522, Die Karenzzeit, die ein Meister nach der Ledig-
sprechung seines Lehrjungen einhalten mußte, bis er einen neuen „aufdingen“ durfte, wurde
von zwei auf vier Jahre heraufgesetzt. Beschäftigte ein Meister seinen eigenen Sohn als
Lehrjungen, so durfte er daneben keinen weiteren ausbilden. Jedem Bürgersohn, und nicht
nur den Maisters Söhnen, sollte das Goldschmiedehandwerk offenstehen.
Nachdem die bisherigen Ordnungen dem Zuwachs im Goldschmiedegewerbe nicht entge-
genwirken konnten, unternahm das Mittel mit der Goldschmiedeordnung von 1739 einen
neuerlichen Versuch.523 524 Wie in den Artikeln von 1697 betrug das Lehrgeld 50 fl, wobei jetzt
jeweils 25 fl vor Antritt und nach Beendigung der Lehre dem Meister entrichtet werden
mußten, da es wohl immer wieder vorgekommen war, daß die Eltern des neuen Lehrjungen
dem Lehrherrn gleichwohl in Praesenz und gegenwarth des Oberachtmeisters das gehörige
Lehr=geldt zwahr promittiert, und verhaissen, Nachmahls aber (. . .) unterschlagene
winckhel Accord gegen einander vollbracht werden. Aus diesem Grunde wurde beschlos-
sen, daß sowohl der Lehrherr als auch die Eltern, beziehungsweise bei Waisenkinder der
Pfleger, je fünf Reichstaler beim Oberachtmeister hinterlegen sollten, die nach Beendigung
der Lehre an die Parteien zurück erstattet würden.525 Auf Betreiben des Rates wurde das
Mindestalter der Lehrjungen bei Lehrbeginn auf 14 Jahre heruntergesetzt; außerdem mußte
der Lehrjunge über ein Barvermögen von 50 fl verfügen. Die Lehrzeit betrug, wie zuvor,
fünf Jahre526; für Lehrjungen, die das Lehrgeld nicht bezahlen konnten, sieben Jahre ohne
Nachlass,527 Während der Lehrzeit hatte der Lehrjunge die Pflicht beziehungsweise das
Recht, im Hause seines Lehrherrn zu wohnen und ernährt zu werden. Bei einer Strafe von
10 Reichstalern war es allen Meistern verboten, Beysizeren= und allerhand haylloßen= ge-
sünds= Kinder en auffzudüngen, oder sogar ohne Bezahlung des Lehrgeldes in die Lehre zu
nehmen. Das Recht auf das Erlernen eines „ehrlichen“ Handwerks stand nur ehelich gebore-
nen Bürger-, jedoch keinen Beisitzer- oder Schutzverwandtenkindern offen.528 Ungehorsam-
keiten eines Lehrjungen gegen seinen Meister oder gar ein Lehrstellenwechsel innerhalb der
Lehrzeit konnten zum Ausschluß des betreffenden Lehrjungen vom Handwerk führen.529So/-

523 Neben Kost und Logis hatte jeder Lehrjunge Anrecht auf einen Arbeitslohn. Nach Hinweisen in Ratsprotokol-
len betrug dieser wöchentlich in den Jahren 1711 12 x (Sta Gd, RP 1711 bis 14, 29. Juli 1711, S. 10 a bis 11)
und 1782 15 x (Sta Gd, GRP 1782, 6. November 1782, S. 291).
524 (Sta Gd) Goldschmiedeordnung vom 28. Juli 1739.
525 (Sta Gd) Goldschmiedeordnung vom 28. Juli 1739, Punkt 2. Bei Nichteinhaltung müssen die Parteien insge-
samt 10 Reichstaler Strafe bezahlen, die zu zwei Drittel an den Rat und zu einem Drittel an das Handwerk ge-
hen.
526 (Sta Gd) RP 1764 bis 654, 16. November 1765, S. 190. Manchmal erließ der Rat einen Teil der Lehrzeit, wie
im Falle des Lehrjungen von Goldschmied Ulrich Schleicher, dem noch ein halbes Jahr zur Ledigsprechung
fehlte. Hätte dem Lehrjungen aber ein volles Jahr gefehlt, so hätte man ihn erst ein halbes Jahr später ledigge-
sprochen.
527 (Sta Gd) RP 1739 bis 44, 28. Juli 1739, S. 49 bis 50. Das Handwerk will das bisherige Alter von 15 Jahren bei
Lehrbeginn und die verlängerte Lehrzeit von acht Jahren bei mittellosen Lehrjungen beibehalten. Der Rat ver-
fügt jedoch eine Herabsetzung des Alters und der verlängerten Lehrzeit.
(Sta Gd) RP 1739 bis 44, 12. Januar 1740, S. 76 bis 77. Das Goldschmiedemittel verklagt den Goldschmied
Johann Mayer, weil er seinen Lehrjungen Georg Kuttler nach nur sechs Jahren ledigsprechen lassen will
(Kuttler hatte vermutlich kein Lehrgeld bezahlt und mußte deshalb die verlängerte Lehrzeit absolvieren). Der
Rat bestrafte den Meister für sein Ansinnen mit 40 fl.
528 (Sta Gd) RP 1766 bis 68, 3. Juli 1766, S. 89. Der Goldschmied Johann Hörligkofer hatte einen jungen Pursch
aus Prag bei sich aufgenommen. Wenn dieser mit dem erfordert. Tauf- und Geburthsschein sich legitimiren
und die 50 fl Lehrgeld bezahlen könne, dürfe er als Lehrjunge eingestellt werden.
529 (Sta Gd) Goldschmiedeordnung vom 28. Juli 1739, Punkt 4. Würde ein Meister einen Lehrjungen, der seinen
Lehrherrn verlassen hatte, aufnehmen, so sollte dieser mit einer Geldstrafe von 10 Reichstalern bestraft wer-
den.

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