2.4.8. Gmünder Provenienz: Probleme in der Zuordnung von Filigran nach Gmünd
Früher Filigranschmuck oder Devotionalien aus Filigran bereiten bei der Lokalisierung ge-
wisse Probleme, weil sie im 18. Jahrhundert nicht mit der Stadtbeschaumarke versehen wer-
den mußten und erst nach dem 1. Januar 1813, mit Einführung der städtischen Kontrollan-
stalt, die allgemeine Stempelungspflicht eingeführt wurde. Man kann zwar davon ausgehen,
daß schon gegen Ende des 18. Jahrhunderts auch kleinteilige Silberobjekte mit der Stadtbe-
schaumarke versehen wurden, aber dies war nicht die Regel (vgl. Kapitel B. 2.1.6. Die
Stadt- und Meistermarken). Doch allein mit einer Stadtbeschaumarke ist eine eindeutige Zu-
weisung der Provenienz gewährleistet; jede andere Zuweisung kann nur aufgrund stilisti-
scher Merkmale geschehen. Durch die Stereotypie mancher Gmünder Produkte, wie zum
Beispiel Anhänger oder Rosenkranzkreuze etc., fällt dies im allgemeinen nicht schwer, doch
es gibt auch sehr viele Grenzbereiche, wo man hinter die Möglichkeit, ob ein bestimmtes
Objekt wohl in Gmünd gefertigt wurde, ein Fragezeichen setzen muß. Problematisch wird
eine Zuweisung zudem, wenn man bedenkt, daß zwischen 1750 und 1790 viele Gmünder
Goldschmiede ihre Heimatstadt verließen, sich in ihren Absatzgebieten ansiedelten und dort
ihre seither geübte Technik, Formensprache und Produktpalette beibehielten (vgl. Kapitel D.
5.3. Die Josephinischen Reformen und ihre Folgen). Ein Garant dafür, ein ungestempeltes
Objekt nach Gmünd zu lokalisieren beziehungsweise es der Hand eines aus Gmünd kom-
menden Goldschmieds zuzuweisen, bleibt aber die über zweihundert Jahre fast unveränderte
Produktion und das nur im Detail sich gewandelte Aussehen.
Vorsicht sollte man jedoch immer dann walten lassen, wenn ein völlig aus dem Rahmen fal-
lender Gegenstand aus Filigran - was sowohl Typus als auch Technik betrifft - mit einer
Gmünder Stadtbeschaumarke vorliegt. So tauchten in den 1960er Jahren im Kunsthandel
immer wieder Objekte auf, die aufgrund der von Marc Rosenberg1092 aufgelisteten Stadtbe-
schaumarken ins frühe 18. Jahrhundert zu datieren sind, die aber sonst völlig von der Gmün-
der Produktion abweichen. Das Beispiel eines Filigrankästchens1093 ist dafür symptomatisch:
Es wurde im Handel als ein Produkt des Gmünder Goldschmieds Joseph Fischer (1676—
1728) angeboten. Neben der Meistermarke - die Buchstaben „JF“ mit zwei gekreuzten Fi-
schen, darüber eine Krone - und dem Tremolierstich als Spur für eine vom Schaumeister
vorgenommene Feuerprobe findet sich am oberen Rand des Kästchens, der vom Deckel
überlappt wird, auch die Gmünder Stadtbeschaumarke mit dem stehenden Einhorn, die nach
Rosenberg um 1730 in Gebrauch war. Die voneinander abweichenden Zeiten - Fischer starb
1728, das Einhorn soll aus der Zeit um 1730 sein - ließen an sich noch keine Zweifel zu, da
das gleiche Einhorn gemeinsam mit der Fischerschen Meistermarke auf einem Ölgefäß im
Besitz der katholischen Pfarrkirche zu Iggingen1094 zu finden ist. Es drängte sich aber die
Frage auf, warum ein Goldschmied wie Joseph Fischer, von dem allein kirchliches Gerät
überkommen ist,1095 ein Kästchen aus Filigran gefertigt haben soll, das in der Formenspra-
che so gar nicht nach Gmünd paßte. Auch der Tremolierstich erregte gewisses Mißtrauen, da
die Feuer- oder Stichprobe in Schwäbisch Gmünd äußerst selten vorgenommen wurde (vgl.
1092 Marc ROSENBERG: Der Goldschmiede Merkzeichen. 2. Auflage Frankfurt/Main 1911.
1093 (Museum für Natur und Stadtkultur Schwäbisch Gmünd) Inventarnummer: 1982/5434.
1094 KLEIN: Goldschmiedegewerbe, S. 43.
1095 KLEIN: Goldschmiedegewerbe, S. 42 bis 43. Insgesamt listete Klein vier Kelche, zwei Ölgefäße und drei
Reliquienmonstranzen auf, die sich alle in katholischen Kirchen in der Gegend um Schwäbisch Gmünd be-
finden.
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Früher Filigranschmuck oder Devotionalien aus Filigran bereiten bei der Lokalisierung ge-
wisse Probleme, weil sie im 18. Jahrhundert nicht mit der Stadtbeschaumarke versehen wer-
den mußten und erst nach dem 1. Januar 1813, mit Einführung der städtischen Kontrollan-
stalt, die allgemeine Stempelungspflicht eingeführt wurde. Man kann zwar davon ausgehen,
daß schon gegen Ende des 18. Jahrhunderts auch kleinteilige Silberobjekte mit der Stadtbe-
schaumarke versehen wurden, aber dies war nicht die Regel (vgl. Kapitel B. 2.1.6. Die
Stadt- und Meistermarken). Doch allein mit einer Stadtbeschaumarke ist eine eindeutige Zu-
weisung der Provenienz gewährleistet; jede andere Zuweisung kann nur aufgrund stilisti-
scher Merkmale geschehen. Durch die Stereotypie mancher Gmünder Produkte, wie zum
Beispiel Anhänger oder Rosenkranzkreuze etc., fällt dies im allgemeinen nicht schwer, doch
es gibt auch sehr viele Grenzbereiche, wo man hinter die Möglichkeit, ob ein bestimmtes
Objekt wohl in Gmünd gefertigt wurde, ein Fragezeichen setzen muß. Problematisch wird
eine Zuweisung zudem, wenn man bedenkt, daß zwischen 1750 und 1790 viele Gmünder
Goldschmiede ihre Heimatstadt verließen, sich in ihren Absatzgebieten ansiedelten und dort
ihre seither geübte Technik, Formensprache und Produktpalette beibehielten (vgl. Kapitel D.
5.3. Die Josephinischen Reformen und ihre Folgen). Ein Garant dafür, ein ungestempeltes
Objekt nach Gmünd zu lokalisieren beziehungsweise es der Hand eines aus Gmünd kom-
menden Goldschmieds zuzuweisen, bleibt aber die über zweihundert Jahre fast unveränderte
Produktion und das nur im Detail sich gewandelte Aussehen.
Vorsicht sollte man jedoch immer dann walten lassen, wenn ein völlig aus dem Rahmen fal-
lender Gegenstand aus Filigran - was sowohl Typus als auch Technik betrifft - mit einer
Gmünder Stadtbeschaumarke vorliegt. So tauchten in den 1960er Jahren im Kunsthandel
immer wieder Objekte auf, die aufgrund der von Marc Rosenberg1092 aufgelisteten Stadtbe-
schaumarken ins frühe 18. Jahrhundert zu datieren sind, die aber sonst völlig von der Gmün-
der Produktion abweichen. Das Beispiel eines Filigrankästchens1093 ist dafür symptomatisch:
Es wurde im Handel als ein Produkt des Gmünder Goldschmieds Joseph Fischer (1676—
1728) angeboten. Neben der Meistermarke - die Buchstaben „JF“ mit zwei gekreuzten Fi-
schen, darüber eine Krone - und dem Tremolierstich als Spur für eine vom Schaumeister
vorgenommene Feuerprobe findet sich am oberen Rand des Kästchens, der vom Deckel
überlappt wird, auch die Gmünder Stadtbeschaumarke mit dem stehenden Einhorn, die nach
Rosenberg um 1730 in Gebrauch war. Die voneinander abweichenden Zeiten - Fischer starb
1728, das Einhorn soll aus der Zeit um 1730 sein - ließen an sich noch keine Zweifel zu, da
das gleiche Einhorn gemeinsam mit der Fischerschen Meistermarke auf einem Ölgefäß im
Besitz der katholischen Pfarrkirche zu Iggingen1094 zu finden ist. Es drängte sich aber die
Frage auf, warum ein Goldschmied wie Joseph Fischer, von dem allein kirchliches Gerät
überkommen ist,1095 ein Kästchen aus Filigran gefertigt haben soll, das in der Formenspra-
che so gar nicht nach Gmünd paßte. Auch der Tremolierstich erregte gewisses Mißtrauen, da
die Feuer- oder Stichprobe in Schwäbisch Gmünd äußerst selten vorgenommen wurde (vgl.
1092 Marc ROSENBERG: Der Goldschmiede Merkzeichen. 2. Auflage Frankfurt/Main 1911.
1093 (Museum für Natur und Stadtkultur Schwäbisch Gmünd) Inventarnummer: 1982/5434.
1094 KLEIN: Goldschmiedegewerbe, S. 43.
1095 KLEIN: Goldschmiedegewerbe, S. 42 bis 43. Insgesamt listete Klein vier Kelche, zwei Ölgefäße und drei
Reliquienmonstranzen auf, die sich alle in katholischen Kirchen in der Gegend um Schwäbisch Gmünd be-
finden.
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