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ie Bibel - das Buch
aus vielen Büchern
Die christliche Bibel besteht aus zwei unterschiedlichen Kom-
pendien: dem Alten und Neuen Testament. Das Neue Testa-
ment, das im Wesentlichen vom heilsgeschichtlichen Wirken
Christi berichtet, ist in einem längeren Entstehungsprozess
zusammengetragen worden und stammt aus der Feder un-
terschiedlicher Autoren. Zu den Texten der vier Evangelien
gruppieren sich noch weitere früh gesammelte Texte, wie die
Briefe des Apostels Paulus, die schon um das Jahr 50 und
noch vor den Evangelientexten entstanden sind, oder die
Apostelakten und die Offenbarung des Johannes. Erstmals
wurde im ausgehenden 4. Jahrhundert eine Auswahl getrof-
fen, die nach dem Verzeichnis einer im Jahr 382 abgehalte-
nen römischen Synode 27 Textgruppen umfasst. Dieser Ka-
non wurde im Mittelalter weitestgehend beibehalten,
wenngleich die Sammlung der biblischen Texte sowohl hin-
sichtlich der Abfolge als auch der Textauswahl noch über
diesen Zeitpunkt hinaus einer anhaltenden Weiterentwick-
lung unterworfen blieb. Dem Neuen Testament wird das Alte,
das auf der jüdischen Bibel basiert, gegenübergestellt. Auch
diesem Corpus liegen Texte unterschiedlicher, meist aber an-
onymer Autoren zugrunde, die zu verschiedenen Zeitpunk-

ten aufgezeichnet und in das Gesamtcorpus integriert wor-
den sind. In den lateinischen Bibeln des Mittelalters bestand
das Alte Testament gewöhnlich aus 40 Büchern. Für den Ge-
brauch im Westen besorgte im 4. Jahrhundert Hieronymus im
Auftrag von Papst Damasus eine lateinische Übersetzung, die
darauf gebräuchliche Vulgata. Wegen des Textumfangs
wurden vor dem Hochmittelalter selten einbändige Bibeln -
Pandekten — hergestellt. Häufiger konzentrierte man sich
dafür in den ersten christlichen Jahrhunderten auf das Ab-
schreiben (und auch Illustrieren) einzelner Bücher oder
Buchgruppen: der Genesis oder des Pentateuchs, der Psal-
men, Evangelien oder der Apokalypse.
Der Bildschmuck der Bibelhandschriften (Biblia sacra,
Testamentum Vetum) konzentriert sich bei den frühen Bei-
spielen auf narrative Zyklen, etwa zur Schöpfungsgeschichte
(vgl. Abb. 31). Hauptsächlich seit der Romanik werden die
Initien der einzelnen Bücher durch Zierinitialen und Bild-
schmuck besonders hervorgehoben, allen voran das Buch
Genesis, wo der Buchstabe I des „In principio creavit Deus
coelum et terram" häufig den Schöpfergott während des
Sechstagewerkes zeigt (vgl. Abb. 1 und 76). Nicht selten sind
auch Einzelfiguren wie die des Moses am Beginn des Penta-
teuchs, der Propheten (vgl. Abb. 43, Judith, Hiob) sowie der
Apostel vor den neutestamentlichen Briefen (vgl. Abb. 44).

benedictio, tollenti maledictio" heute einer Floskel.
Damit wurde einerseits der Wert der Bibel für das
Kloster zum Ausdruck gebracht. Andererseits hatte
der Schreiber der Zeilen gewiss auch die potenziel-
len Gelegenheiten für einen Diebstahl gerade wäh-
rend des Transports der Bibel im Auge, die zum
Gebrauch während der Liturgie in die Kirche ge-
tragen werden musste. Der Bildschmuck der beiden
Bände zeigt zu Beginn der einzelnen Bücher von
Tieren und Drachen bevölkerte, formvollendete ro-
manische Rankeninitialen (vgl. Abb.23); außerdem
wird die Darstellung des Propheten Esra auf grün-
blau abgestuftem Kastengrund geboten, der zwar
aus maasländischer Kunst herleitbar ist, dessen
Bildkonzeption jedoch die rheinische Monumental-
malerei voraussetzt und in seinem dreidimensiona-
len Streben den Typus des stehenden Herrscherbildes
der kölnischen Chroniken (Brüssel, Königliche Bi-
bliothek, Ms. 4609) vorwegzunehmen scheint (vgl.
Abb.43).
Der Psalter, der schon seit frühchristlicher Zeit
in Gebrauch war, bleibt außerdem für das Stunden-
gebet der klösterlichen Gemeinschaft erforderlich,

wie er ebenso von Klerikern und Laien als Gebet-
buch verwendet wird. Eine Besonderheit bietet hier
die englische Romanik, wo für höher gestellte Per-
sonen Psalterien sowohl mit liturgischen Kalenda-
ren versehen als auch mit aufwändigen Bildinitialen
und erzählenden Bildzyklen aus dem Alten und
Neuen Testament geschmückt worden sind. Der
Sankt-Albans-Psalter etwa, der um 1125-1130 im
Kloster Sankt Albans bei London für Christina von
Markyate geschaffen wurde (Hildesheim, Dombib-
liothek, St. God. 1) und eines der eindrücklichsten
Beispiele der geradezu expressiven bildhaften Er-
zählkunst der Romanik darstellt, illustriert jeden
einzelnen Psalm. Die erst später entstandenen
Prachtpsalterien des deutschsprachigen Raums,
etwa der für die Landgräfin Sophie von Thüringen
um 1210 hergestellte Landgrafenpsalter (Stuttgart,
Württembergische LB, Cod. HB II 24), sollten nie-
mals eine so umfangreiche Ausstattung erhalten
(vgl. „Facetten der Gotik" in Kap.111,4).
Für die Liturgie dringend benötigt wurden
fraglos Messbücher. Ein solches Beispiel ist ein Sa-
kramentar, das aus der in der Eifel gelegenen Abtei

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