und weiteren Schenkungen aus dem Besitz der Ju-
dith von Flandern (1032-1094), der Ehefrau des
Herzogs Welf IV. von Bayern, stammten. In Abhän-
gigkeit von eigenen Traditionen und unterschiedli-
chen äußeren Einflüssen entstanden stilistische Be-
sonderheiten in den klösterlichen Skriptorien, die
sich aber durch das Auftreten neuer Maler, neuer
Vorlagen und geänderter Rahmenbedingungen in-
nerhalb weniger Jahre verändern konnten. Eine be-
sonders produktive Zeit fiel mit der Amtszeit des
Abtes Berthold (1200-1232) zusammen und wird
in Bücherlisten aus Weingartener Handschriften be-
legt. Eher aus seiner frühen Amtszeit stammen
Bernhards Predigten zum Hohen Lied Salomos (vgl.
Abb.22) als erster Band eines zweibändigen Werkes
(Band 2, Fulda, Hochschul- und Landesbibliothek
Cod. Aa 47). Die Seite zeigt eine Dracheninitiale auf
geteiltem farbigem Grund zu Beginn des zweispal-
tig in einer artifiziellen romanischen Buchschrift ge-
schriebenen Textes. Den Höhepunkt der Buchpro-
duktion unter Abt Berthold stellt das Berthold-
Sakramentar (New York, Pierpont Morgan Library
M. 710) dar, eine Handschrift, die aufgrund ihres
umfänglichen Bildprogramms, in dem englische,
französische, byzantinische und mittelrheinische
Stilelemente zusammenfließen, und der qualitätvol-
len farbigen Ausmalung sowie der großzügigen Ver-
wendung von Gold und Silber zu den bedeutends-
ten Handschriften der Spätromanik zählt.
Bibeln im Dienst der Reform —
Bücher für die Liturgie
Das Christentum ist eine Buchreligion, eine Religi-
on der Heiligen Schrift. Dennoch waren Bände, die
alle biblischen Bücher enthielten, im Frühmittelal-
ter noch keine Selbstverständlichkeit. Auf frühe Bi-
belhandschriften wurde im Zusammenhang mit den
Bilderbibeln aus karolingischer Zeit hingewiesen,
die jedoch in ottonisch-salischer Zeit so gut wie
keine Nachfolge gefunden haben. Erst die Romanik
knüpft wieder in größerem Stil an die karolingi-
schen Bibeln an. Den Impuls zu einer umfänglichen
Bibelproduktion gaben die gregorianische Reform
und der Erfolg der reformierten Orden, in deren
Reihen das Studium der gesamten Heiligen Schrift
eine herausragende Rollte spielte. In den Schriften
der Ordensreformer galt die Bibel als Medium in-
nerer Erneuerung; ihr Text bestimmte die öffent-
lichen Lesungen im Konvent, die an acht dem litur-
gischen Tagesablauf angepassten Terminen stattfand.
So verlangte die Benediktregel diese Lectiones von
den Mönchen, die während des gemeinsamen
Chorgebets abwechselnd aus der Bibel vorlesen
sollten, um die gemeinsame Andacht zu stärken.
Zunächst aber waren spezifische Bibelausgaben
ein wichtiges Instrument des hochmittelalterlichen
Reformpapsttums, das seit der Mitte des 11.Jahr-
hunderts in Rom zahlreiche zumeist zweibändige
Bibeln, die wegen ihres Formats treffend als Rie-
senbibeln bezeichnet werden, gezielt für den Ex-
port produzieren ließ. Die Entscheidung für die
Vollbibel ist dabei auch ein Rückgriff auf die karo-
lingischen Bemühungen, indem die Texte der Tou-
roner Bibel aufgegriffen wurden und damit gleich-
sam demonstriert wurde, dass die karolingische
Renovatio wie die gregorianische Reform eine kon-
sequente Ausrichtung der Liturgie nach römischem
Brauch gefordert hatte. Überdies stieg die Bedeu-
tung der Bibel noch insofern, als Christus selbst als
das Ewige Wort Gottes betrachtet wurde, in dessen
Gestalt sich die Heilige Schrift verkörperte, sodass
die Bibel endgültige Autorität erhielt. Auf sie bezog
man sich gerade im Rahmen des Investiturstreites,
um die jeweiligen politischen Gegner ihres Fehlver-
haltens zu überführen.
Kennzeichnend für die Ausstattung der Rie-
senbibeln sind vor allem geometrisierte, große Ini-
tialen zu festgelegten Textstellen und schließlich die
Darstellung einzelner Protagonisten zu Beginn der
jeweiligen Bücher, für die offenbar die monumenta-
le Malerei Roms vorbildlich wirkte, so etwa bei der
zwischen 1180 und 1190 entstandenen dreibändi-
gen Palatina-Bibel, Codex Pal. lat.3-5 der Vatika-
nischen Bibliothek. Von diesen in Rom entstande-
nen Riesenbibeln gelangten schon sehr bald einzelne
Exemplare über die Alpen, so die erwähnte Palati-
na-Bibel, die zuerst nach Sankt Mang in Füssen
kam. Diejenigen Bibelhandschriften, die dann in
der Folge nördlich der Alpen hergestellt wurden,
zeichnen sich jedoch durch eigene Ausstattungs-
merkmale aus: Hier sind es vor allem historisierte
und figürliche Initialen, die die biblischen Bücher
gliedern und ausschmücken und auf den nachfol-
genden Text verweisen, wie es das oben schon ge-
zeigte Beispiel der Bibel aus Bredelar verdeutlicht
(vgl. Abb.44).
Ein Beispiel einer großformatigen Handschrift,
die das Alte Testament einschließlich Psalter in
zwei Bänden fasst, ist die aus dem Prämonstra-
tenserkloster Wedinghausen bei Arnsberg stam-
mende Handschrift 48. Angesichts des Formats von
53 x 36 cm und eines beträchtlichen Gewichts glei-
chen die in beiden Bänden notierten, an etwaige
Bücherdiebe gerichteten Verfluchungen „Servanti
87 3. Aufschwung und
Vielfalt romani-
scher Buchkunst
dith von Flandern (1032-1094), der Ehefrau des
Herzogs Welf IV. von Bayern, stammten. In Abhän-
gigkeit von eigenen Traditionen und unterschiedli-
chen äußeren Einflüssen entstanden stilistische Be-
sonderheiten in den klösterlichen Skriptorien, die
sich aber durch das Auftreten neuer Maler, neuer
Vorlagen und geänderter Rahmenbedingungen in-
nerhalb weniger Jahre verändern konnten. Eine be-
sonders produktive Zeit fiel mit der Amtszeit des
Abtes Berthold (1200-1232) zusammen und wird
in Bücherlisten aus Weingartener Handschriften be-
legt. Eher aus seiner frühen Amtszeit stammen
Bernhards Predigten zum Hohen Lied Salomos (vgl.
Abb.22) als erster Band eines zweibändigen Werkes
(Band 2, Fulda, Hochschul- und Landesbibliothek
Cod. Aa 47). Die Seite zeigt eine Dracheninitiale auf
geteiltem farbigem Grund zu Beginn des zweispal-
tig in einer artifiziellen romanischen Buchschrift ge-
schriebenen Textes. Den Höhepunkt der Buchpro-
duktion unter Abt Berthold stellt das Berthold-
Sakramentar (New York, Pierpont Morgan Library
M. 710) dar, eine Handschrift, die aufgrund ihres
umfänglichen Bildprogramms, in dem englische,
französische, byzantinische und mittelrheinische
Stilelemente zusammenfließen, und der qualitätvol-
len farbigen Ausmalung sowie der großzügigen Ver-
wendung von Gold und Silber zu den bedeutends-
ten Handschriften der Spätromanik zählt.
Bibeln im Dienst der Reform —
Bücher für die Liturgie
Das Christentum ist eine Buchreligion, eine Religi-
on der Heiligen Schrift. Dennoch waren Bände, die
alle biblischen Bücher enthielten, im Frühmittelal-
ter noch keine Selbstverständlichkeit. Auf frühe Bi-
belhandschriften wurde im Zusammenhang mit den
Bilderbibeln aus karolingischer Zeit hingewiesen,
die jedoch in ottonisch-salischer Zeit so gut wie
keine Nachfolge gefunden haben. Erst die Romanik
knüpft wieder in größerem Stil an die karolingi-
schen Bibeln an. Den Impuls zu einer umfänglichen
Bibelproduktion gaben die gregorianische Reform
und der Erfolg der reformierten Orden, in deren
Reihen das Studium der gesamten Heiligen Schrift
eine herausragende Rollte spielte. In den Schriften
der Ordensreformer galt die Bibel als Medium in-
nerer Erneuerung; ihr Text bestimmte die öffent-
lichen Lesungen im Konvent, die an acht dem litur-
gischen Tagesablauf angepassten Terminen stattfand.
So verlangte die Benediktregel diese Lectiones von
den Mönchen, die während des gemeinsamen
Chorgebets abwechselnd aus der Bibel vorlesen
sollten, um die gemeinsame Andacht zu stärken.
Zunächst aber waren spezifische Bibelausgaben
ein wichtiges Instrument des hochmittelalterlichen
Reformpapsttums, das seit der Mitte des 11.Jahr-
hunderts in Rom zahlreiche zumeist zweibändige
Bibeln, die wegen ihres Formats treffend als Rie-
senbibeln bezeichnet werden, gezielt für den Ex-
port produzieren ließ. Die Entscheidung für die
Vollbibel ist dabei auch ein Rückgriff auf die karo-
lingischen Bemühungen, indem die Texte der Tou-
roner Bibel aufgegriffen wurden und damit gleich-
sam demonstriert wurde, dass die karolingische
Renovatio wie die gregorianische Reform eine kon-
sequente Ausrichtung der Liturgie nach römischem
Brauch gefordert hatte. Überdies stieg die Bedeu-
tung der Bibel noch insofern, als Christus selbst als
das Ewige Wort Gottes betrachtet wurde, in dessen
Gestalt sich die Heilige Schrift verkörperte, sodass
die Bibel endgültige Autorität erhielt. Auf sie bezog
man sich gerade im Rahmen des Investiturstreites,
um die jeweiligen politischen Gegner ihres Fehlver-
haltens zu überführen.
Kennzeichnend für die Ausstattung der Rie-
senbibeln sind vor allem geometrisierte, große Ini-
tialen zu festgelegten Textstellen und schließlich die
Darstellung einzelner Protagonisten zu Beginn der
jeweiligen Bücher, für die offenbar die monumenta-
le Malerei Roms vorbildlich wirkte, so etwa bei der
zwischen 1180 und 1190 entstandenen dreibändi-
gen Palatina-Bibel, Codex Pal. lat.3-5 der Vatika-
nischen Bibliothek. Von diesen in Rom entstande-
nen Riesenbibeln gelangten schon sehr bald einzelne
Exemplare über die Alpen, so die erwähnte Palati-
na-Bibel, die zuerst nach Sankt Mang in Füssen
kam. Diejenigen Bibelhandschriften, die dann in
der Folge nördlich der Alpen hergestellt wurden,
zeichnen sich jedoch durch eigene Ausstattungs-
merkmale aus: Hier sind es vor allem historisierte
und figürliche Initialen, die die biblischen Bücher
gliedern und ausschmücken und auf den nachfol-
genden Text verweisen, wie es das oben schon ge-
zeigte Beispiel der Bibel aus Bredelar verdeutlicht
(vgl. Abb.44).
Ein Beispiel einer großformatigen Handschrift,
die das Alte Testament einschließlich Psalter in
zwei Bänden fasst, ist die aus dem Prämonstra-
tenserkloster Wedinghausen bei Arnsberg stam-
mende Handschrift 48. Angesichts des Formats von
53 x 36 cm und eines beträchtlichen Gewichts glei-
chen die in beiden Bänden notierten, an etwaige
Bücherdiebe gerichteten Verfluchungen „Servanti
87 3. Aufschwung und
Vielfalt romani-
scher Buchkunst