dass die Ausgabe im März 1475 in Venedig von dem
aus Frankreich stammenden Nicolas Jenson ge-
druckt wurde. Nicolas Jenson war ursprünglich als
Münzmeister des französischen Königs Karl VII.
im Jahr 1458 nach Mainz geschickt worden, damit
er sich dort über den Buchdruck erkundigte. Später
ließ er sich in Venedig nieder und wurde in der
Stadt, die auf dem Gebiet der Buchherstellung und
des Buchhandels mit 150 Offizinen im 15.Jahrhun-
dert in Europa führend war, einer der erfolgreichs-
ten Drucker überhaupt. Unmittelbar nach der Ein-
führung des Buchdrucks in Italien durch den aus
Speyer stammenden Johannes de Spira im Jahr 1469
wurden in Venedig klassische, patristische und juri-
dische Texte auf Pergament gedruckt und gerade
Nicolas Jenson ließ seine Produkte von namhaften
Künstlern, u.a. Girolamo da Cremona, Benedetto
Bordon und Franco dei Russi, illuminieren. Vor al-
lem weil er sich als Druckerverleger und auch als
Buchhändler betätigte, fanden seine Produkte über-
regionalen Absatz (unsere Dekretalen-Inkunabel
kam zunächst in die Bibliothek der Kölner Kartau-
se). 1475 eröffnete Jenson eine Handelsgesellschaft,
die „N.J. sociique", zu deren Mitgliedern auch der
Frankfurter Kaufmann Peter Ugelnheimer der Jün-
gere gehörte; diese löste er später wieder auf, um
mit seinem Konkurrenten Johannes de Colonia eine
neue Gesellschaft zu gründen, die nach dem Tod
der beiden Drucker von dem eben genannten
Ugelnheimer noch bis 1485 weitergeführt wurde.
Wie schon bei Lauber in Vorstufen feststellbar, ga-
ben diese Offizinen und Handelsgesellschaften nun
ihre Verlagsprogramme in gedruckten Buchhänd-
leranzeigen bekannt.
Abgesehen vom Produktionsprozess hatte sich
an der rein äußeren Struktur der Bücher noch nicht
sehr viel geändert. Das gesamte Layout der Seite,
der Bild- und Bordürenschmuck bis hin zur Schrift-
type ähnelt dem der handgeschriebenen Bücher.
Erst wurde die Schrift gedruckt und später auch der
Buchmalereischmuck mit druckgrafischen Techni-
ken imitiert oder auch kopiert. Bordüren, Einzel-
bilder und ganze Bildfolgen, die für Handschriften
des 15.Jahrhunderts geschaffen wurden, werden
nun auf den Holzschnitt übertragen. Das Porträt-
bild von König Alexander (vgl. Abb.88) findet sich
beispielsweise 1473 sehr ähnlich als Titelholzschnitt
einer Alexanderausgabe des Augsburger Druckers
Johann Bämler wieder. Der Inspirationsweg ist aber
auch in entgegengesetzter Richtung vom Holz-
schnitt zum gemalten Bild verlaufen. Zum einen
scheint die typische plakative Ausdrucksweise des
Holzschnitts auch den Stil der gemalten Bildfolgen
einzelner Werkstätten beeinflusst zu haben. Zum
anderen sind mittlerweile einzelne Bildbeispiele be-
kannt, die zunächst für den Frühdruck geschaffen
und erst danach von Buchmalern übernommen
wurden. So wurden zum Beispiel die Holzschnitte
zum Pfister'schen Druck des „Ackermanns aus
Böhmen" in den Federzeichnungen einer nachfol-
genden Handschrift detailgetreu kopiert. Als Para-
debeispiel des reproduktiven Austauschs kann auch
die Augsburger Chronik des Sigismund Meisterlin
gelten, die illustriert in fünf Handschriften und
zwei Drucken von 1457 bis 1522 vorliegt: Die Bil-
der wanderten von der Handschrift zum Druck
und wieder zurück. Trotz einzelner Hinweise in
der Forschungsliteratur steckt die wissenschaftliche
Erschließung der wechselseitigen Beziehungen
zwischen handgemalten Illustrationsfolgen und de-
nen des frühen Buchdrucks noch immer in den
Kinderschuhen. Neue Einzelstudien belegen be-
reits, dass der vermeintliche Medienumbruch von
der Handschriftenkultur zur Druckkultur eher ei-
nen fließenden Übergang darstellt denn als Zäsur
zu begreifen ist, wie sich auch der Epochenwechsel
vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit mit seinen
politisch-sozialen Veränderungen nicht in einzel-
nen Ereignissen und technischen Innovationen ma-
nifestiert.
Buchkunst
1 1 1 • im Spiegel
der Zeiten
146
aus Frankreich stammenden Nicolas Jenson ge-
druckt wurde. Nicolas Jenson war ursprünglich als
Münzmeister des französischen Königs Karl VII.
im Jahr 1458 nach Mainz geschickt worden, damit
er sich dort über den Buchdruck erkundigte. Später
ließ er sich in Venedig nieder und wurde in der
Stadt, die auf dem Gebiet der Buchherstellung und
des Buchhandels mit 150 Offizinen im 15.Jahrhun-
dert in Europa führend war, einer der erfolgreichs-
ten Drucker überhaupt. Unmittelbar nach der Ein-
führung des Buchdrucks in Italien durch den aus
Speyer stammenden Johannes de Spira im Jahr 1469
wurden in Venedig klassische, patristische und juri-
dische Texte auf Pergament gedruckt und gerade
Nicolas Jenson ließ seine Produkte von namhaften
Künstlern, u.a. Girolamo da Cremona, Benedetto
Bordon und Franco dei Russi, illuminieren. Vor al-
lem weil er sich als Druckerverleger und auch als
Buchhändler betätigte, fanden seine Produkte über-
regionalen Absatz (unsere Dekretalen-Inkunabel
kam zunächst in die Bibliothek der Kölner Kartau-
se). 1475 eröffnete Jenson eine Handelsgesellschaft,
die „N.J. sociique", zu deren Mitgliedern auch der
Frankfurter Kaufmann Peter Ugelnheimer der Jün-
gere gehörte; diese löste er später wieder auf, um
mit seinem Konkurrenten Johannes de Colonia eine
neue Gesellschaft zu gründen, die nach dem Tod
der beiden Drucker von dem eben genannten
Ugelnheimer noch bis 1485 weitergeführt wurde.
Wie schon bei Lauber in Vorstufen feststellbar, ga-
ben diese Offizinen und Handelsgesellschaften nun
ihre Verlagsprogramme in gedruckten Buchhänd-
leranzeigen bekannt.
Abgesehen vom Produktionsprozess hatte sich
an der rein äußeren Struktur der Bücher noch nicht
sehr viel geändert. Das gesamte Layout der Seite,
der Bild- und Bordürenschmuck bis hin zur Schrift-
type ähnelt dem der handgeschriebenen Bücher.
Erst wurde die Schrift gedruckt und später auch der
Buchmalereischmuck mit druckgrafischen Techni-
ken imitiert oder auch kopiert. Bordüren, Einzel-
bilder und ganze Bildfolgen, die für Handschriften
des 15.Jahrhunderts geschaffen wurden, werden
nun auf den Holzschnitt übertragen. Das Porträt-
bild von König Alexander (vgl. Abb.88) findet sich
beispielsweise 1473 sehr ähnlich als Titelholzschnitt
einer Alexanderausgabe des Augsburger Druckers
Johann Bämler wieder. Der Inspirationsweg ist aber
auch in entgegengesetzter Richtung vom Holz-
schnitt zum gemalten Bild verlaufen. Zum einen
scheint die typische plakative Ausdrucksweise des
Holzschnitts auch den Stil der gemalten Bildfolgen
einzelner Werkstätten beeinflusst zu haben. Zum
anderen sind mittlerweile einzelne Bildbeispiele be-
kannt, die zunächst für den Frühdruck geschaffen
und erst danach von Buchmalern übernommen
wurden. So wurden zum Beispiel die Holzschnitte
zum Pfister'schen Druck des „Ackermanns aus
Böhmen" in den Federzeichnungen einer nachfol-
genden Handschrift detailgetreu kopiert. Als Para-
debeispiel des reproduktiven Austauschs kann auch
die Augsburger Chronik des Sigismund Meisterlin
gelten, die illustriert in fünf Handschriften und
zwei Drucken von 1457 bis 1522 vorliegt: Die Bil-
der wanderten von der Handschrift zum Druck
und wieder zurück. Trotz einzelner Hinweise in
der Forschungsliteratur steckt die wissenschaftliche
Erschließung der wechselseitigen Beziehungen
zwischen handgemalten Illustrationsfolgen und de-
nen des frühen Buchdrucks noch immer in den
Kinderschuhen. Neue Einzelstudien belegen be-
reits, dass der vermeintliche Medienumbruch von
der Handschriftenkultur zur Druckkultur eher ei-
nen fließenden Übergang darstellt denn als Zäsur
zu begreifen ist, wie sich auch der Epochenwechsel
vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit mit seinen
politisch-sozialen Veränderungen nicht in einzel-
nen Ereignissen und technischen Innovationen ma-
nifestiert.
Buchkunst
1 1 1 • im Spiegel
der Zeiten
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