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Küster, Jürgen
Spectaculum vitiorum: Studien zur Intentionalität und Geschichte des Nürnberger Schembartlaufes — Remscheid: Kierdorf-Verl., 1983

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https://doi.org/10.11588/diglit.73509#0060
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Gedenken an die Mordnacht gestiftet worden wäre". Erst später ver-
treten verschiedene Autoren die Ansicht, das traditionelle Schein-
gefecht am Aschermittwoch sei zur Erinnerung an den Kampf zwischen
der eidgenössischen und habsburgischen Partei ausgeführt worden.
Immerhin besaß die Herleitung von Zunftbräuchen aus politisch-histo-
rischen Ereignissen Tradition. Rudolf Siemsen führt eine ganze Rei-
he von Beispielen dafür an, daß Brauchspiele der Handwerker im Zu-
sammenhang mit Privilegien erklärt worden seien, die den betreffen-
den Innungen für besondere Verdienste in den Auseinandersetzungen
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um den Erhalt bestehender Ordnungen verliehen worden wären . Sol-
che Gründungssagen gibt es aber auch aus späterer Zeit. Die Feier
ihres "guten Montags" führen die Münsterschen Bäcker auf ihre Ver-
dienste bei den Wiener Türkenkämpfen (1683) zurück'". Die Kürsch-
ner von Hermannstadt in Siebenbürgen leiten ihren Schwerttanz von
einer Waffentat gegen die Türken bei Talmesch am Rotenturmplatz ab.
Die Neißer Fleischergesellen feiern ihren Umzug deshalb an einem
Montag im Februar (Fastnacht?), weil er an eine Hussittenschlacht
erinnern soll. Die "Höge" der Hamburger Brauknechte soll auf ihre
Waffentaten im Dienste der Stadt zurückgehen, und die Berner Metz-
ger feiern ihr "Rüblimahl" in Erinnerung an die Schlacht bei Lau-
pen 1339. Die Reihe der so formulierten "Zunftsagen" ließe sich
weiter fortsetzen.
Es ist immerhin nicht auszuschließen, daß die betreffenden Zünfte
in den geschilderten Auseinandersetzungen tatsächlich auf Seiten
der Vertreter bestehender Ordnungen gekämpft und sich besonders
hervorgetan haben. Zum einen gehörte es zu den Aufgaben der Zünf-
te, städtische Wehreinheiten zu bilden, zum anderen mag insbeson-
dere die Fleischerzunft am Bestand der Ordnung wirtschaftliches
Eigeninteresse besessen haben. Denn vorwiegend begüterte Bürger,
Patrizier und Adelige gehörten zu ihrem Kundenkreis. Andererseits
scheint die Koppelung der Brauchspiele an Privilege angesichts der
Verbreitung des Gedankens fragwürdig zu sein, zumal diese oft erst
Jahrhunderte nach dem betreffenden Ereignis formuliert worden ist.
Man kannte die Brauchtradition und wußte um die wichtige Funktion
der Zünfte als Wehreinheiten. Zu einer Zeit, als die realen Zu-
 
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