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Kugler, Franz
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 2) — Stuttgart, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.27230#0603
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VIII. Kap. Die Kunstbestrebungen der Gegenwart.

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während Moritz von Schwind 1 mit ähnlichem Streben nach klassi-
schem Formenadel einen romantischen Inhalt verbindet, minder
gdiicklich in grossen monumentalen Werken (Kunsthalle zu Carls-
ruhe und zum Theil Wandgemälde auf der Wartburg) als in
kleineren Darstellungen deutscher Sagen und Legenden (die köst-
liche Aquarellzeichnung vom Märchen der sieben Raben, die Dar-
stellungen zur schönen Melusine, die Scenen aus der Zauberflöte im
Opernhause zu Wien, und die Darstellungen aus dem Leben der
hl. Elisabeth auf der Wartburg). — In Frankreich1 2 steht Ingres
als der einzige bedeutende Vertreter solcher strengen klassicistischen
Richtung da, die dort aber mehr auf äussere Repräsentation (Apo-
theose Homer’s u. a.) als auf gedankenvolle Innerlichkeit ausgeht.

Allgemeiner fand auch bei den Franzosen ein Umschwung zur
Romantik statt, der dort zugleich mit energischer Aufnahme colo-
ristischer Studien sich verband. Als einer der bedeutendsten Künst-
ler tritt hier Leopold Robert hervor, dessen Genrebilder südlichen
Volkslebens sich bis zur Erhabenheit historischer Auffassung steigern.
Neben ihm sind Steuben, Sehnetz und besonders der edle, ausdrucks-
volle, wenn gleich etwas stark zum Elegischen und Sentimentalen
neigende Ary Scheffer zu nennen. Mit revolutionärer Glut stürmte
aber der hochbegabte frühverstorbene Th. GericauU (das Floss der
Medusa im Louvre) gegen die Tradition der David’schen Schule
an; noch gewaltsamer, geradezu rückhaltlos und selbst ausschwei-
fend bricht sich dann die Reaktion gegen die klassische Richtung
in Eugene Delacroix Bahn, der mit seinen leidenschaftlichen, kühn be-
wegten Gemälden der coloristischen Schule und zugleich dem ent-
schiedenen Realismus zum Siege verhalf. Seitdem ist die französische
Malerei fast ausschliesslich der Fortbildung dieser Seite des Schaffens
hingegeben, die ihr zu ihren glänzendsten Erfolgen, freilich nicht ohne
scharfe Einseitigkeit und mancherlei auffallende Irrthümer, verholfen
hat. Zugleich ist der Sinn der Künstler mehr als zuvor auf mög-
lichst prägnante Schilderung der Geschichte, auf fesselnde Darstel-
lung der ruhmvollen Begebenheiten des französischen Volkes gewendet.
Die nachhaltigste Nahrung erfuhr dies Streben unter Louis Philipp
durch die Gründung der historischen Galerie von Versailles, in
welcher Tausende von Bildern — freilich des verschiedensten Wer-
thes -— die Grossthaten der „grossen Nation“ schildern. Ist damit
unleugbar etwas Bedeutendes gewonnen, und die Kunst mit dem
wirklichen Leben und der Geschichte des Volkes innig verbunden,
so lässt sich andererseits nicht läugnen, dass die Aufgabe im Sinne
der Verherrlichung der „gloire“ gar zu äusserlich gefasst ist und
fast ausschliesslich glänzende Ceremonien oder Schlachten zur Dar-
stellung gekommen sind. So bewunderungswürdig nun Leistungen
wie die von Horace Vernet in den berühmten Riesenbildern der afri-

1 Denkmäler, der Kunst, Taf. 125, Fig. 4 u. 5. — 2 Ebenda, Taf. 129

u. 130.
 
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