Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 57.1906-1907

DOI Artikel:
Halm, Philipp Maria: Zur Geschichte der Möbel
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9336#0219

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Bayerns kunsthandwerkliche Fachschulen auf der Nürnberger Jubiläums-Landesausstellung.

282. Teebrett; aus der Fachschule in Zwiesel. (*/, d. w. Größe.)

wenn in ihnen ein in anderen Exemplaren nicht mehr
vorhandener Typus sich darbot.

Den Grundgedanken einer Zusammenordnung der
Möbel nach Gattungen hatten vor Meyer schon
Viollet-Ie-Duc iit seinem bekannten Dictionnaire rai-
sonne du raobilier, nach ihm k)enry l^avard u. a.
sestgehalten. Man kann jedoch keineswegs behaup-
ten, daß deshalb das vorliegende Werk nur eine Nach-
ahmung jener Vorläufer sei. Das hieße den Wert
und die Bedeutung desselben völlig verkennen. Was
bei Viollet-le-Duc dem Rahmen des Buches ent-
sprechend nur in gemessenen Grenzen gehalten sein
konnte, ist hier in sorgfältigster Analyse vertieft und
erweitert worden, und vor allem erscheint die weit-
gehende internationale Behandlung der Aufgabe von
größter Wichtigkeit. Man erkennt hier deutlich, daß
ein scharf schauender, historisch denkender und kritisch
prüfender Geist, der den Stoff seiner Aufgabe als Rück-
wirkung der zeitlich verschiedenen Lebensformen sorg-
fältig zu bewerten verstand, ein wohlgefügtes Gebäu
zu errichten begann. Begann — denn leider ward
dem Verfasser, der dem Nunstgewerbe noch eine Reihe
wichtiger Untersuchungen so namentlich über das
Eisen zugedacht hatte, die Heder durch den Tod ent-
wunden. Nur drei Serien — Schemel und Stuhl,
Bank und Sofa, Bett und Wiege — liegen vollendet
vor. Zede der drei Mappen begleitet ein kleiner
Textband, der in geistreicher, prägnanter Horm
Zweck, Entstehung, Konstruktion, Wandlung, Aus-
bau usw. der einzelnen Gattungstypen behandelt.

Hür den oberflächlich Schauenden und Denken-
den inöchte es den Anschein gewinnen, als ob
Meyers Möbelwerk durchaus den Zweck hätte,
lediglich das historisch Gewordene zu er-
gründen und somit wenig Bedeutung
für die Gegenwart und ihre künstlerische

Anschauung und Bedürfnisse in sich trüge. Wer den
feuereifrigen Verfasfer mit seinem rastlosen Vor-
wärtsdrängen und dem praktischen Blick für jedes
Gebiet kannte, weiß es anders. Meyer war, trotz-
dem der Schwerpunkt seines schaffensfreudigen und
schaffensrcichen Lebens auf der historischen Seite lag,
ein Geist der Gegenwart. Julius Lessin9*) hat
in seiner Gedächtnisrede auf Meyer, feine Stellung
zu unserer Zeit und ihrem Schaffen hierfür die besten
Morte gefunden: „Unsere Zeit, entwickelt als natur-
wissenschaftliches Zeitalter, mußte ihre besondere Kunst
Hervorbringen. Alles dieses, was wir Mitlebenden
gleichsam instinktiv spüren, wollte er nicht nur Mit-
empfinden, sondern wissenschaftlich klarlegen, und so
trat er an jeden Hormenkreis forschend heran, indem
er zunächst mit allersolidestem Studium dasjenige
aufrollte, was dis Vorzeit bereits geleistet hatte, um
dann erst weiter zu blicken in die Gegenwart hinein.
Viel zu gescheit, um zu glauben, daß unsere Epoche
fähig sei, sich auf völlig neue Hüße zu stellen, unter-
suchte er Muskel auf Muskel und Nerv auf Nerv,
wie sich unsere Vorstellungen der Kunstformen ent-
wickelt haben, was wir ererbt und was wir zu er-
obern haben." So entstand auch seine „Geschichte
der Möbelformen". Der Wert derselben für den aus-
übenden denkenden Künstler unserer Tage versteht
sich nun aus dem obigen Leitmotiv des Werkes von
selbst. Nicht ein Vorlagewerk soll es für den fi)rak-
tiksr fein, wenngleich es auch eine stille geeigneten
Stoffes —- ca. 250 Bbjekte in 3 Serien — bietet,
sondern es will nnt seinem Reichtum an primitiven
sowohl wie an reichen zweckmäßigen Einzelformen
anregen und die Erfindungsgabe unterstützen. Schwer
wird es halten, für das großzügig angelegte und
subtil durchdachte Werk einen zu finden, der würdig
dem Geiste seines Autors den Bau zu Ende türme.
Er soll bereits gefunden sein! Möge sich erfüllen,
was wir erhoffen!2)

Ungefähr zu gleicher Zeit, als Meyers Werk
zu erscheinen begann, trat ein dem gleichen Stoffe

*) Alfred Gotthold Meyer, Gesammelte Reden und Auf-
sätze; Berlin ;?os, S. 3.

2) (2s sei an dieser Stelle nicht versäumt, auch auf
G. A. Meyers Aufsatz über „das Mobiliar"
irr Lpemanns Goldenem Buch vom eigenen
Beim hinzuweisen - - ein außerordentlich inter-
essantes Kapitel voll sprühenden Geistes.

38^—H8S. 5chnitzstudieu; aus der Fachschule in Zwiesel. (1L d. wirkl. Größe.)
 
Annotationen