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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 57.1906-1907

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Gmelin, L.: Peruanische Altertümer, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9336#0293

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peruanische Altertümer.

593. Bemalter Stoff; Farben: braun nnd blaugrau,
(sts d. wirkl. Größe.)

zweigte pflanzenranke wittern. Viel häufiger bilden
die geonietrischen Motive und die zu solchen unr-
stilisierten Tier- und Menschengestalten die Elemente
der Muster. Ganz rein geometrische Muster treten
nur wenige aus; wenn man sich längere Zeit in die
Betrachtung der Muster vertieft hat, erkennt man
nach und nach bei einer Menge scheinbar rein geo-
metrischer Musterungen, ihren tierischen Ursprung.
Man wird so mißtrauisch, daß man in jedem Dreieck
einen Aopf, in jedem runden Fleck ein Auge ver-
mutet —• und oft genug trifft diese Vermutung zu.

Unter den Elementen rein geometrischer Natur
sind das TreppenornamenV) und mäanderartige
Bildungen ^) als die wichtigsten zu nennen; nicht selten
werden diese beiden Motive miteinander vereinigt,
bisweilen in symmetrischer Anordnung (Abb. 533,
36), meist in reziproker Bandform, Ja, man kann
sogar die Meinung vertreten, daß der „laufende
pund", das „Wogenband" — wenigstens in Peru
— aus der bandartigen Vereinigung von Treppen-
motiv und Mäander hervorgegangen istch) Das
Wogenband hat sich in der peruanischen Orna-
inenti? einer ganz besonderen Zuneigung erfreut,
und dieser Umstand ist jedenfalls nicht unbeteiligt
an der großen Lympathie, die diese Gewebe und
Töpfereien bei uns Bewohnern der „alten Welt"
gefunden haben. In den von uns gebrachten Bildern
kommt das Wogenband etwa anderthalb Dutzend-

1) Namentlich deutlich in den Abb. 504, 66, 70.

2) Abb. 526, 27, 2<), 7», 76).

s) Besonders charakteristisch: Abb. 559, 69, 75, 84, 86, 94.

»tal vor, wenn auch mitunter klein utid zwischen
anderes hineingestrcut als Einfassung 2c.1 2) In einigen
Fällen erscheint das Wogenband nach den Lechseck-
linien gebrochen (Abb. 53^, 38,^9). In besonders auf-
fallender Größe und Rundheit kommt es auf dem
Rest eines gemalten Ltoffes vor (Abb. 592).

Einen Zusammenhang zwischen dem „laufenden
pund" von pellas und dem von Peru zu vermuten,
geht natürlich nicht an — wenn man nicht an-
nehmen will, daß ähnliche Ornamente über Indien
nach Polynesien gewandert und von dort — als
Teile von Lchiffstrümmern an der Westküste 5üd-
amerikas geländet worden sind; wenn man dann
weiterhin annimntt, daß die Peruaner das auf so
seltsame Weise zu ihnen gekommene Grnanient als
etwas besonders Verehrungswürdiges angesehen
haben, so hätte man zugleich die schönste Erklärung
für die Vorliebe dafür. Wollte man eine Beziehung
j zwischen pellas und Altperu zugeben, dann könnten
andere geometrische Ornamente (z. B. Abb. 523 rechter
j Rand; 5^8) ebensogut eine Beziehung zwischen der
arabischen und der peruanischen Aunst beweisen — was
natürlich ebenso ausgeschlossen ist. Aeime des Wogen-
bandes finden sich allerdings in Ozeanien vor, aber
weder so entwickelt noch so häufig wie in Peru.?)

Ein größeres Interesse beansprucht jedenfalls
die bei den Mustern verwendete Tierwelt — haupt-
J sächlich Vögel, katzen- oder hundeartige Wesen
und Fische. Daß diese Geschöpfe dabei in einer
bis zur Unkenntlichkeit reichenden Weise stilisiert sind,
kommt daher, daß sich der Lchöpfungsakt für irgend-
eine Darstellung vollständig im Banne der Technik,
der Perstellungsweise, des Werkzeugs vollzog, — daß
man nicht erst Natur st udien zeichnete und
dann das Muster entwarf, sondern inner-
halb der allgemeinen Vorstellung des dar-
zustellenden Gebildes das Abbild schlecht
und recht machte,, wie es eben die Technik
zuließ.

Welcher Art Vögel die Urbilder all dieser aben-
teuerlichen Geschöpfe gewesen sein mögen, wird immer
dunkel bleiben, zumal die Ltilisieruug oft nichts mehr
übrig gelassen hat als den Aopf mit einem langen
LchnabeV) und etwa einige Dreieckchen, um Flügel
oder Lchwanz zu markieren^), namentlich bei kleinerem
Maßstab; gibt es ja doch in diesen Webemustern
Vögelchen von kaum einem Zentimeter pöhe (Abb.
5s0). Es ist ebenso drollig wie lehrreich, in welcher

9 §. B. Abb. 502, 24, 32, 46, 49, 56, 58, 75 b, Tafel 9,
Nr. ;o, ;z, ,4, ;s, ,7.

9 Ratzel a. a. M. S. ;63, 207, 220, 232.

s) Abb. 520, 22, 23, 24, 34, 52—55.

4) Abb. 50;, 49, 57, 58, 60, 66, 67, 73b.

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