Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 57.1906-1907

DOI Artikel:
Berlepsch-Valendas; Hans E. von: Das Kunstgewerbe-Museum zu Flensburg
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9336#0354

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Das Runstgewerbe-lNuseum zu Flensburg.

war, als es später durch die Einwirkung der Re-
naissance sich geltend gemacht hat. Selbst die Mehr-
zahl ritterlicher Schlösser inag in diesem Punkte weit
ärmlicher ausgesehen haben als gemeinhin ange-
nommen wird. Wo bei den mittelalterlichen Aus-
stattungsstücken aus den hier in Frage kommenden
Gegenden das dekorative Bedürfnis schaffend auf-
tritt, da ist der Rahmen des Zierwerkes ziemlich be-
scheiden. Aerbschnittmuster und Rosettenbildung sind
häufig, bei spätmittelalterlichen Objekten dagegen das
in den verschiedensten Varianten austretende Falten-
werk; bisweilen kommt auch Maßwerk vor. Rahmen-
werk und Profilierung treten überhaupt nicht in An-
wendung. Das Material ist ausschließlich Eichen-
spaltholz. Reichliches Schmiedewerk, weiter Bemalung
des Untergrundes beim Flachschnitzwerk heben die
angestrebte dekorative Wirkung; freie plastische De-
korationsweise wirkt noch nirgends mit. Das Zimmer |
Abb. 688, ist nach vorhandenen Originalen, die
dein Ende des (5. Jahrhunderts angehören und
unter Verwendung alter Originalstücke zusammen-
gestellt. Von einem Betonen farbig kräftiger Er-
scheinung, vor allem aber von jenem überquellenden
Formenreichtum, der in: ^7. Jahrhundert sich bis
zum Uberreichtum steigert (siehe Abb. 700 u. 70A
Schrank und Abb. 705, Truhe) ist nirgends die
Rede; äußerste Schlichtheit bildet den Grundriß des
Ganzen; eine etwas kräftigere dekorative Note er-
hält es bloß durch den lisenengeschmückten Wand-
schrank und das ornamentierte Gesinrsbrett. Dennoch
muß gerade die Holzplastik eine nicht unbedeutende
Rolle gespielt haben, im Pause freilich weniger als
zu kirchlichen Zwecken. Das geht aus den plastischen
Werken der kirchlichen Abteilung hervor. Dänemark
mag, wie schon früher bemerkt, auf den Norden des
Landes lange Zeit von ausgesprochenem Einstusse
gewesen sein, indeß ist auch die dänische Uunst keine
in sich selbständig abgeschlossene; sie erscheint viel-
mehr beständig von fremden Einstüssen durchzogen.
Frei davon waren offenbar die sächsischen Anbau-
ungsgebiete, ebenso die Nordsriesen. Zm späteren
Mittelalter dringt überall süddeutscher und rheinischer
Einfluß bestimmend auf die Formengebung durch.
Wie weit nach Norden dies zutrifft, geht deutlich
aus den zahlreichen großen Airchen der von den
Dänen zerstörten pansastadt Wisby auf Gotland
hervor. Sicher ist, daß auch in verschiedenen Airchen
Schleswig-Polsteins die Taufbecken, Weihwasserbecken
usw. vom Rhein, von der Weser, aus Belgien stam-
men. Verwendung einheimischen Granits weist auf
Entstehung in: Lande selbst. Auch hier wie anderswo
ist ein fortwährendes Zu- und Rückfluten bald dieser
bald jener Einflüsse deutlich erkennbar, die Grenze

720. Flensburger Kunstgewerbemuseum:

Gußeiserne Bylegger-Vfenxlatte; ;8. Jahrhundert,
Herkunft unbekannt.

zwischen Einheimischem und Fremdem daher nicht
immer zu bestimmen. Noch enthalten die Airchen
des Landes eine Menge äußerst wertvollen Mate-
rials. Das Mufeun: selbst ist im Besitze verschie-
dener sehr guter Arbeiten, wie Abb. 7s0 u. 7ss
dartun. Pier, wie im skandinavischen Norden, war
nicht Stein das gewöhnliche Material der Bildhauerei,
sondern Polz, das an die Behandlungsweise ganz
andere Bedingungen stellt, als widerstandsfähigeres
Material. Die ganze Formenbehandlung wird dadurch
beeinflußt, mithin ist es erklärbar, daß gerade die
dekorative Polzplastik sich später so kräftig entwickelte.
Der gotische Nikolausaltar aus Osterlügun:, zweite
pälfte des s5. Jahrhunderts, das Altarwerk aus
Groß-Flintbeck, ein Werk der nordfchleswigfchen
Schnitzschule ca. um s^50, eine Suite von acht pei-
ligenfiguren, ebenfalls aus Nordschleswig stammend
und andere Beispiele im Flensburger Museum zeigen,
daß die Vorbedingungen für eine so üppige Blüte,
wie sie in der Renaissancezeit eintrat, vorhanden
waren. Ein weiterer Ausbau gerade dieses Teiles
der Sammlung erschiene äußerst wünschenswert.

Schier unübersehbar gestaltet sich die Menge
dessen, was an Arbeiten aus den Gebieten der Tech-
nik aus der Zeit nach dem Eindringen der Re-
naissance bis weit ins ffl. Jahrhundert hinein hier
zusammengetragen ist.

335
 
Annotationen