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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 57.1906-1907

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Berlepsch-Valendas; Hans E. von: Das Kunstgewerbe-Museum zu Flensburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.9336#0357

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Das Kunstgewerbe-Museum zu Flensburg.

72^. Beiderwand-Stoff, Molle und Leinen, grün und
weiß; Z8. Iahrh.; Kreis kfadersleben.

In all diesen Räumen mischt sich die Wirkung
neuer Einflüsse mit Althergebrachtem. An der Form
des Dauses, an seiner konstruktiven Beschaffenheit
vermochte die Hochflut der dekorativen Einzelheit
nichts zu ändern. Die alte Art der Anlagen hat
sich weit über die Zeit hinaus erhalten, wo die
Erscheinungen der zierenden Aunst eine Anwendung
fanden, wie sie sonst im deutschen Bauernhause
wohl kaunr anderweitig anzutreffen ist. Verschwand
vor nicht gar langer Zeit die alte Bauweise mehr
und mehr, so liegt dieser Wechsel in ganz anderen
Umständen, als künstlerische Einflüsse sie zu schaffen
vermögen.

Es gab ebensowenig wie anderswo in Schleswig-
polstein ein Renaissance-Bauernhaus, trotz aller ver-
schwenderisch reich angewendeten Renaissanceformen
im innern Ausbau. Immerhin aber bleibt es nicht
recht verständlich, daß die Menschen sich in manchen

Punkten mit der Erscheinung allein zufrieden gaben,
die Ansprüche an Wohnlichkeit im übrigen aber, für
die kalte Jahreszeit wenigstens, auf ein Maß be-
schränkten, das heute nicht inehr annehmbar erschiene.
Zum mindesten muß es ein unglaublich abgehärtetes
Geschlecht gewesen sein, was tu diesen entweder gar
nicht oder nur nräßig erwärmbaren Stuben wohnte,
eine um so auffälligere Erscheinung, als die peiz-
vorrichtung sowohl im skandinavischen Norden als
weiter im deutschen Süden ein beständiges Bestreben
nach Vervollkommnung aufweist. Bedürfnis nach
prächtiger Erscheinung scheint hier weitaus stärker als
alles andere gewesen zu sein. — Jedes dieser In-
terieurs bietet ein eigenartiges Bild. Sehr wirksam ist
der für die nordsriesischen Däuser charakteristische
„Uattschurf" oder „Aattschirm" (Abb. u. 695).
Sauenitamt sagt darüber: „An den Längsseiten
der Gebäude, häusig auch in der Mitte (d. h.
Stirnseite) sind mächtige Unterzüge eingefügt, auf
denett sowohl die schweren Balken, wie auch die
gattze Dachkonstruktion ruht. Kräftige erdfeste, in
ziemlich gleichen Abständen errichtete Ständer tragen
die Unterzüge; verstärkt wird diese Anordnung durch
AopfbändetS) und Streben, die wieder jedes einzelne
Gezimmer miteinander verbinden. Bei schweren
Stürmen und Fluten war dadurch der Bestand des
pauses gesichert; wurde auch das Mauerwerk zer-
trümmert, so leistete doch das Gerüst des pauses
durch seine solide Konstruktion und Verbindung dem
Anprall der Wogen erfolgreichen Widerstand." Aus
dieser Konstruktion sind die für die Friesenhäuser
bezeichnenden, durch die Abstände der Träger in ihrer
Längsausdehnung begrenzten Ausbauten mit schräger
Decke und niedrig gelegenem Fenster hervorgegangen.
Sie geben dem Gemach etwas überaus Trauliches,
sind der bevorzugte Platz für allerlei häusliche pan-
tierung. — Noch fei einer Art von Arbeiten gedacht,
die, auch im Lande etttstanden, in den Wohnräumen,
zeilenweise wenigstens, ein wesentliches Wort mit-
sprachen: der keramischen Produktes, speziell Fayencen.
Die Fabrikation, seit f755 im Lande nachweisbar,
blühte an verschiedenen Drten, so in Schleswig, Flens-
burg, Rendsburg (wo auch Erzeugnisse vom Tharakter
der schwarzen Wedgwood-Ware eine Zeitlang hergestellt
wurden), Grisebye, Eckernförde, Kiel und Kelling-
husen. Besonders die Arbeiten letzterer Fabrik zeich-

9 Mft erinnern Sprüche an das Element, gegen welches
diese standfesten Konstruktionen sich als widerstandsfähig erwiesen
haben: „Du mußt dervann — denk dran".

2) Spezielles darüber gibt I. Brinckmanns „Führer durch
das Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg", das reiche
Bestände auch dieses technischen Kunstzweiges aus Schleswig-
Holstein enthält.

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