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N°. 61.

K u n ft - B l a t t.

Dienstag, 3. August i 8 3 o.

Ueber die Gruppe der Niobe und ihre ursprüngliche
Aufstellung.

Von Johann Martin Wagner.
(Fortsetzung.)

§. IV.

Nun hätte ich zum Schluffe meiner Abhandlung noch
einige Bemerkungen über die Streitfrage mit beiznfügen,
welchem Meister jene der Gruppe der Niobe angehörigeu
Bildsäulen am wahrscheinlichsten zuzuschreiben sepen. Denn
es war, wie bekannt, schon zu Zeiten des Plinius 33°)
unentschieden, ob Scopas oder Prariteles die mit
ihren Kindern sterbende Niobe verfertigt
habe? Und auch in neuerer Zeit hat man hierüber sehr
verschiedene Meinungen geäußert, indem einige 139) sich
mehr für den Scopas, andere '") mehr für den Prarite-
les, wieder andere >") hingegen sich gegen beide erklärt
haben. — Es mag zwar sonderbar, ja sogar verwegen er-
scheinen, nun nach fast 2060 Jahren, wo weder vom
Scopas noch vom Prariteles ein einziges Originalwerk
mehr vorhanden ist, über ein Kunstwerk entscheiden zu
wollen, über welches die Zeitgenossen des Plinins, im An-
gesicht so vieler berühmter und zuverlässiger Arbeiten die-
ser Meister, sich nicht bestimmt zu erklären getrauten. Da
nun aber in unfern Tagen einmal zur Mode geworden,
es nur der Bescheidenheit nicht gar zu genau zu nehmen,
sondern dreist sogar über Dinge zu urtheilen und abzu-
sprechen, die man nicht einmal gesehen hat, so unterfange
ich mich, zwar nicht als Verehrer dieser Verfahrungs-

i;i) Plinius Hist. Not. 56. 13. 5. sect. 8. §.

139) Winckelmanns Kunstgeschichte Weimarer Ausgabe,
y. B. 2, Cap. 26. §.

i“>) Visconti zum Museo Pio Clementino. Tom. I.
Tab. II. pag. 18. und Tom. IV. pag. 53.
gca zu Winckelmanns Sloria. Tom. II. pag. 20o.
Völliger Andeutungen zu Vorträgen der Archäologie.
S. I 7 U.

">) Die Herausgeber der Weimarer Ausgabe von Win-
ckelmanns Kunstgeschichte.

weise, auch nicht in der Absicht, mir ein entscheidendes
Urtheil anzumaßen, sondern blos um diesen Punkt nicht
ganz unberührt zu lassen, einiges darüber beiznbringen,
da ich doch einmal über diesen Gegenstand zu sprechen
unternommen.

Verausgesezt nun, diese Gruppe der Niobe sey wirk-
lich diejenige, von welcher Plinius sagt, daß man zu sei-
ner Zeit nickt mit Gewißheit habe angeben können, ob
Scopas oder Prariteles sie verfertigt, so bleibt uns blos
zu untersuchen, welchem von diesen beiden Künstlern die-
selbe mit größerer Wahrscheinlichkeit könne zugeschrieben
werden. — Für allzu gewagt halte ich daher jene Aeuße-
rung der Weimarer Herausgeber von Winckelmanns Kunst-
geschichte '"), welche zu beweisen suchen, daß diese Gruppe
der Niobe weder von Scopas, noch von Prariteles her-
rühren könne. —. Denn, wie laßt sich vermuthen, daß
man zur Zeit des Plinius, wo noch so viele Werke beider
Künstler in Rom vorhanden waren (wie aus des Plinius
Anzeige ihrer Werke selbst zu ersehen) so gröblich habe
irren können? Wie läßt sich ferner bei der großen An-
zahl griechischer Künstler und Kunstkenner, welche aller
Wahrscheinlichkeit zu Folge sich damals in Rom befinden
mußten, so gar wenig Kunstnrtheil erwarten, so daß man
trotz all diesen günstigen Voraussetzungen annehmen könnte,
man habe sich in beiden geirrt. Obgleich irren menschlich
ist, läßt sich doch immer annehmen, daß von jemand, der
eine Sache selbst gesehen und mit andern ähnlichen Wer-
ken vergleichen konnte, ein richtigeres Urtheil zu erwarten
ist, als von jemand, der solche nicht gesehen, noch zur
Vergleichung die nvthige Gelegenheit hatte. Aus welchen
Gründen konnten nun wohl die Herausgeber Winckelmanns
behaupten, daß diese Gruppe der Niobe weder von der
Hand des Scopas, noch des Prariteles se»n könne, da
wir unsers Wissens weder vom Scopas, noch vom Pra-
riteleö ein Originalwcrk besitzen, nach welchem sich dieses
beurtheilen ließe? Am allerwenigsten läßt sich solches ge-
gen den Scopas behaupten, da uns kein Kunstwerk von

i") Siebe die rarste Anmerkung zuin y. Buch von Win-
ckelinauns Geschichte der Kunst des Allerthums.
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