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Heilande und seiner', Mutter ans Kragsteinen , die alle
in ihrem Laubwerk verschieden, mit Gold und Jncru-
stationen reich verziert sind. Oft glaubt man sogar in
den Laubwerken der Krage absichtliche Anspielungen zu
erblicken, wie denn Petrus Eichlaub, Maria Rosen-
blatter und der Heiland Kreuzkraut unter seinem Fuß-
gestelle hat. Alle Bilder haben fast anderthalb Lebens-
größe; in den Verhältnissen sind sie aber unter sich ver-
schieden. Vermnthlich waren die älteren in gewöhnlichen
menschlichen Verhältnissen gebildet, die sich aber in so
bedeutender Höhe zusammendrückte, daher man die spä-
teren, die dennoch nur einige Jahre nach jenen haben
können, schlanker hielt, so daß sie die übrigen in einer
Kopflänge (verhältnißmäßig) überragen. Die Gesichtszüge
sind strenge, ebenfalls auf die Höhe berechnet, Bart und
Haar liegen in architektonischen Locken gespalten, Finger
und Zehen sind geschieden, damit Hände und Füße nicht
in Klumpen verschwimmen können. Die meisten halten
Marterzeuge und Bücher in Händen. Die Gewände
sind kunstgerecht und natürlich gehalten, lange Unter-
gewandt, über die ein Mantel faltenreich geworfen ist.
Ober- und Untergewande, wie deren Innenseite, wo sie
zurückgeschlagen, sind nach den verschiedenartigsten Mu-
stern angemalt, und reich mit Vergoldungen und Jn-
rrustationcn geziert. Die Gesichter, wie alle übrigen
Farben, in Eiweiß aufgetragen. Die Gestalten lehnen
alle in Schlangenwindungen an den Säulenbnnden, um
mit diesen weder schroffe Winkel zu bilden, noch in eine
Linie zusammenzufließen. lieber den Aposteln ragen ab-
gestumpfte Baldachine, ans deren jedem ein kleiner
singender oder spielender Engel, ebenfalls reich bemalt,
angebracht ist, so daß nur der Heiland, wie die heilige
Jungfrau, von einem spitzauslaufenden Baldachin über-
wölbt ist.

Als man zur Höhe der Spandrillen (den Räumen
zwischen den Säulen und Bogen) unter dem Lopgange
(Laufgange) hinaufgekommen war, fand man unter der
Tünche wieder Spuren von Malereien, denen man auf
den Grund arbeitete, und dadurch riesige Engelfiguren,
noch theilweise erhalten, entdeckte, welche, über den Bogen
beiderseitig angebracht, Tonzeuge oder Weihrauchfäffer
u. s. w. halten. Mir Eiweißfarbe sind auch diese Bilder
auf den Stein gemalt; auf einem Teppichgrunde, der
reich vergoldet, zuerst in eine Masse gepreßt ist, um
dem Golde noch mehr Glanz zu geben. Die Engel,
nicht schlecht gezeichnet, verrathen, besonders durch die
Flügelfedern, die Periode, welche der eigentlichen gothi-
scheu Malerei vorhergeht, sind also auch wohl vor der
Einweihung des Chores, also um 1300, geschaffen, und
geben, Dank der Tünche, welche sie in den Zeiten deö
Ungeschmackes verhüllte, Zengniß von einer bedeutenden
Höhe, welche die Malerei damals erreicht hatte. Als

man zu der Höhe der Sänlenknäufe hinaufgekommcn,
fand man, daß dieselben ehedem vergoldet gewesen, und
zwar, daß alle Blätterwerke zuerst roth anfgctragen,
dann außen mit Gold überlegt sind, so daß das Metall fort-
während die Gluth der rothen Farbe der inneren Blatt-
seiten wiederspiegelt und von derselben erhoben wird.
An der Wölbung über dem Hochaltar fand man den
Heiland im mystischen Osterei, und an der Rückwand
des Cmpores Christus den Weltrichter auf dem Throne,
wie die Aposrelfürstcn Peter und Paul, rohe Gebilde,
welche auffallend gegen die edleren Gestalten der unteren
Räume abstachen.

Dombaumeister Zwirner, der sowohl durch seine
Kenntnisse, seine reiche Künstlergaben, und noch mehr
durch seine Pietät, mit der er an alter Kunst hängt
und alles selbstsüchtige, eigenmächtige Cindrängen in
den abgeschlossenen Kunstschatz zu entfernen weiß, vor
Allen berufen ist, diesen herrlichen Bau nicht nur
im alten Glanze wiederherzustellen, sondern auch zu
glänzendem Ende zu führen, beschloß gleich, sobald er
alle diese alten Schätze entdeckt, sie mit Zustimmung des
hohen Bauherrn, dem leitenden Sterne deutscher Kunst,
wieder herzustellen, und die Harmonie der alten Künstler
in unser» Tagen so viel wie möglich zu erneuen. Zu
dem Ende berief er den Koblenzer Gcschichtsmaler Gu-
stav Lasinski, einen Schüler Veits, der mit Freuden
dem Ruf Folge leistete und mit Begeisterung die Arbeit
unternahm. Wie viele Maler auch Lasinski in eigenem
Schaffen übersteigen mögen, so dürften wenige gefunden
werden, die sich gewissenhafter der fraglichen Arbeit un-
terzögen, die mit mehr Fleiß den Charakter der Alten
studirten, und eifriger aus den Ueberbleibseln, ohne
neue Zuthaten, das Alte, Ursprüngliche zusammen setzten,
und so die Malerei nur im Ganze», ohne besonderes
Vortrcten, geltend machen dürften. Lasinski begann mit
dem Heilande im Osterei an der Wölbung, 150 Fuß
über dem Hauptaltare, der in einer Hand die Heilbot-
schaft entfaltet trägt, während die andre zum Segen
erhoben ist. Dann widmete er seine Sorge der Rück-
wand, und fand auf dieser, unter der leicht abzulöscndcn
neueren Farbe noch Spuren einer alten würdiger» Ma-
lerei. Nach den ältesten Motiven wurde die Wand
wieder hergestellt. Zu oberst in der Vogenwölbung im
blauen, sterngeschmückten Himmel ruht Christus der
Weltrichter, auf einem prächtigen in Wolken fußenden
Stuhle. Der Richter wägt in der Linken die Welt, und
hat die Rechte zum Segen erhoben. Sein Gewand ist
weiß, sein Mantel roth, der Stuhl hat die Formen des
Uebergangsstyles, gerade wie die Gebäude der unteren
Malereien. Die Züge des Heilands sind streng und edel,
die Locken, des Haars wie des Bartes, braun in's Blonde
spielend, die Formen natürlich, Finger und Zehen
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