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2Y 31.

Kunstblatt.

Dienstag, den 19. April 1812.

N o m.

Neues im Fach der schönen Künste.

Seit längerer Zeit hat sich mir keine Gelegenheit
dargeboten, der neuern Erscheinungen im Fache der
schönen Künste in diesen Blättern zu gedenken. Es ist
aber Manches ausgetreten — und wie sollte es nicht der
Fall seyn in einer Stadt, die immer noch einen gewi>sen
Primat in der Kunst behauptet, und wo stets so viele
ausgezeichnete Männer aller Nationen sich zusammen-
finden? Vieles wird hier geschaffen, aber in Rom bleibt
das Wenigste davon: kaum ist ein Werk vollendet, kaum
hat man Zeit gewonnen, sich damit vertraut zu machen,
so ist es auch schon über Meer und Alpen gewandert.
Eine Art von Ersatz dafür zu geben und die flüchtigen
Erinnerungen festzuhalten, war die Grundidee bei der
Herausgabe des Journals l.’Ape iiaiiana deiie helle arii,
welches vor mehrern. Jahren zu erscheinen begann, dann
wegen Falliment des Verlegers aufhörte, und vor Kurzem
wieder in's Leben getreten ist, unter der Leitung des
Marchese Melchiorri, der zugleich päpstlicher Nvbelgardist
und Director des capitolinische» Museums, für Kunst
und Archäologie vielfach und mit Erfolg thatig, und
den Reisenden namentlich als Verfasser eines zwar etwas
rasch gearbeiteten aber brauchbaren Wegweisers durch
Rom bekannt ist. In der letzteren Zeit waren die der
A,)e beigegebenen Kupferstiche immer schlechter geworden,
und da auch die Auswahl der Werke nicht stets die sorg-
samste war, so wurde der Zweck sehr unvollständig er-
füllt. Von dem neuen (sechsten) Bande an scheint man
aber die Sache ernster zu nehmen, obgleich auch jetzt
noch Manches zu wünschen bleibt. Unter den zuletzt
mikgetheilten Arbeiten ist Troschcl'S hübsche Statue:
die schlafende Spinnerin, zu bemerken. Mit der Kunst
beschäftigt sich auch die Wochenschrift: N Tiberino,

welche ihren siebenten Jahrgang vollendet hat. Ein
großer Theil dieses Blattes wird vom Album arii-iico
eingenommen, welches sowohl über das, was in Rom,

als auch anderwärts in Italien im Kunstfache geschaffen
wird, ausführliche Nachricht ertheilt, und manche ge-
schätzte und gewandte Schriftsteller unter den Mitarbeitern
zählt. Man würde freilich irren, wenn man Alles, was
im Tiberino gepriesen wird, für ausgezeichnete Werke
hielte; das Lob wird etwas reichlich gespendet, denn die
Redactvren müssen mancherlei Rücksichten nehmen, und
doch kommen Falle vor, d.,ß diesem oder jenem beinahe
der Schädel cingeschlagen wird, wie vor einiger Zeit
einem jungen Schriftsteller, der bei Beurtheilung zweier
scheußlichen historischen Gemälde eines Florentiners sich
darauf beschrankt harre zu sagen, der Künstler habe
schöne Süjcts gewählt, ohne der Ausführung zu erwäh-
nen. So gefährlich ist hier das Amt eines Kritikers.
Von den mit der Kunst sich beschäftigenden Zeitschriften
auf die neuen Knnstproducre selbst zurückzukommen, so
verdient unter denselben Overbeck's Carton der Pietä
die erste Erwähnung, nicht nur wegen der Berühmtheit
des Autors, sondern gleicherweise wegen der hohen Schön-
heit des Werkes. Overbeck's reinste Eigenthümliebkeit
spricht sich in dieser Schöpfung aus: da finden wir seine
Innigkeit, seine tiefe Religiosität, seine Einfachheit und
Dcmuth, und jenes vollkommene Aufgehen des Künstlers
in dem Gegenstände, welches nur bei einem Manne
stattfinden kann, bei welchem eine so seltene Harmonie
der geistigen Kräfte und der Gefühlsstimmung vorhan-
den, und das ganze Leben und Sepn von so wahrer und
warmer Frömmigkeit durchdrungen ist. Beim Anschauen
dieses Werkes wird man sogleich an Pernginv erinnert
und namentlich an dessen wunderschöne Pieta für die
Nonnen von Sta. Chiara von 1495, welche jetzt eine
der Hauptzierden der Pirri-Galerie und wohl das vor-
trefflichste Staffeleigemälde dieses Meisters ist. Aber
man muß nicht glauben, daß dieses Crinnertwerden von
eigentlichen Reminiscenzen sich herschrcibe; Overbeck ist
so sehr in den Geist der umbrischen Schule eingedrnngen,
und die in dieser herrschende Gefühlsrichtung spricht
sich bei ihm so entschieden aus, daß man, bei manchen
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