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Kunstblatt.
Wienstag, den 2. August 1842.
Nekrolog.
L. Johann Sch aller.
Johann Schalter wurde in Wien den 30. März
1777 geboren. Bei den beschränkten Mitteln des Vaters
— dieser war Weißdreher in der k. k. Porzellanfabrik
— wäre die Nachbarschaft eines Uhrmachers, zu dem
ihn der Vater in die Lehre gab, für die künftige Be-
stimmung des Knaben entscheidend geworden, hätte der
für eine höhere Kunst begabende Funke ihn nicht angc-
feuert, zugleich auch an jenem Unterrichte Theil zu
nehmen, der unter der Aufsicht der k. Akademie auch
für Handgewerke in der Verziernngsscnlptur gegeben wird,
und der damals unter der Leitung des Directors Ha-
genauer stand. Schon nach einem halben Jahre erhielt
Schallcr die Aussicht, als Lehrling für daS Boffiren
in die Porzellanfabrik ausgenommen zu werden. Er trat
daher in die Clementarclasse für Figurenzeichnung an
der k. Akademie, damals unter Prof. Maurer, und
nach beiläufig zwei Jahren als Lehrling in die Fabrik
ein. Hier kam er unter der Leitung des Modellmeistcrs
Grass», den die ungemeine» Fortschritte des Jünglings
über seine künftige Entwickelung nicht zweifelhaft ließen.
Dennoch sah sich Schallcr in dem Besuche der Akademie
beschränkt. In diese Zeit fallt seine Bekanntschaft mir
*)cm_ talentvollen Leopold Kiesling, nachmaligem k. k.
Hostratuar, dessen Laufbahn und Sendung als Pensionär
nach Rom Schalters Wetteifer erregte und den inner»
Drang »ach höherer Ausbildung der gefühlten Kräfte
auf's höchste steigerte.
Von dem treffliche,, Prof. Cancig, dem er glück-
licherweise bekannt wurde, fortwährend durch Rath und
That auf das zuvorkommendste unterstützt, versuchte er
sich in mehreren Composirivncu, und endlich in der Aus-
führung einer drei Fuß hohen Figur: Philoktet, der sich
den Pfeil auszieht, die bei Cancig solchen Beifall fand,
daß er Schallcr dem damaligen Herrn Curator der
Akademie, Grafen Cobenzl empfahl, worauf ihm die
Pensionärstelle in Rom nach Kiesling zugesichert wurde.
Ende 1807 starb der Modellmeister Grass». Der
damalige Director der Porzellanfabrik (später Hofrath)
Niedermayr trug Schalter einstweilen die Stelle des
ersten Modelleurs an. Sei,aller lehnte jedoch im Vor-
gefühle seiner höheren künstlerischen Laufbahn diesen
Antrag dankbar ab. Seit dieser gcit wurde Director
Niedermayr, der Schallcr nun näher kennen lernte, sein
wärmster Freund und Gönner. Durch dessen Unterstützung
entstand der Guß des Philoktet in weichem Metall, unter
Prof. Fischers gütiger Anweisung, und eine Büste aus
Tyroler Marmor unter der Leitung des Bildhauers
Joseph Pisani. Diese Arbeiten hatten sich des Beifalls
des Herrn Curators zu erfreuen, und Schallcr erhielt
den Auftrag, für das Piedestal zu Kieslings Gruppe
„Venus und Amor," aufgestellt im Belvedere, ein
Marmor-Basrelief auszuführen, die Venus darstellend,
wie sie von Diomed verwundet zu Mars kommt. In die
Zwischenzeit fielen Bvffirarbeitcn für die Porzellanfabrik.
Der Krieg von 1809 und der Tod des Grasen Cobenzl
trübten Schalters Aussichten. Doch jenes Marmor-
Basrelief war dem Kennerblick des nachfolgenden Cura-
tors der k. Akademie, Sr. Durch!, des Fürsten Metternich,
nicht entgangen. Schalter erhielt 1812 die Pcnsionär-
stclle in Rom, wo er über zehn Jahre blieb. Schalter
kam dahin, als die vorzüglichsten Künstler abwesend,
und überhaupt alle in der trostlosesten Lage waren. Doch
bald kehrte eine bessere Zeit für Rom, und die gefeiertsten
Künstler dahin zurück. Schalter besuchte sie alle, schloß
sich keiner Partei an, und wurde von allen geliebt.
Anfänglich fühlte sich Schalter in Rom, wie cs
dort wohl allen für's Große empfänglichen Gemüthern
begegnet, fast erdrückt und als Künstler entmuthigt
vor jenen hohen Werken vergangener Kunst, für welche
Vergangenheit und Zukunft zu ewig blühender Gegen-
wart wird; doch bald auch erhob sich in ihm, gleichwie
in den wenigen des Großen fähigen Geistern, eine
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Kunstblatt.
Wienstag, den 2. August 1842.
Nekrolog.
L. Johann Sch aller.
Johann Schalter wurde in Wien den 30. März
1777 geboren. Bei den beschränkten Mitteln des Vaters
— dieser war Weißdreher in der k. k. Porzellanfabrik
— wäre die Nachbarschaft eines Uhrmachers, zu dem
ihn der Vater in die Lehre gab, für die künftige Be-
stimmung des Knaben entscheidend geworden, hätte der
für eine höhere Kunst begabende Funke ihn nicht angc-
feuert, zugleich auch an jenem Unterrichte Theil zu
nehmen, der unter der Aufsicht der k. Akademie auch
für Handgewerke in der Verziernngsscnlptur gegeben wird,
und der damals unter der Leitung des Directors Ha-
genauer stand. Schon nach einem halben Jahre erhielt
Schallcr die Aussicht, als Lehrling für daS Boffiren
in die Porzellanfabrik ausgenommen zu werden. Er trat
daher in die Clementarclasse für Figurenzeichnung an
der k. Akademie, damals unter Prof. Maurer, und
nach beiläufig zwei Jahren als Lehrling in die Fabrik
ein. Hier kam er unter der Leitung des Modellmeistcrs
Grass», den die ungemeine» Fortschritte des Jünglings
über seine künftige Entwickelung nicht zweifelhaft ließen.
Dennoch sah sich Schallcr in dem Besuche der Akademie
beschränkt. In diese Zeit fallt seine Bekanntschaft mir
*)cm_ talentvollen Leopold Kiesling, nachmaligem k. k.
Hostratuar, dessen Laufbahn und Sendung als Pensionär
nach Rom Schalters Wetteifer erregte und den inner»
Drang »ach höherer Ausbildung der gefühlten Kräfte
auf's höchste steigerte.
Von dem treffliche,, Prof. Cancig, dem er glück-
licherweise bekannt wurde, fortwährend durch Rath und
That auf das zuvorkommendste unterstützt, versuchte er
sich in mehreren Composirivncu, und endlich in der Aus-
führung einer drei Fuß hohen Figur: Philoktet, der sich
den Pfeil auszieht, die bei Cancig solchen Beifall fand,
daß er Schallcr dem damaligen Herrn Curator der
Akademie, Grafen Cobenzl empfahl, worauf ihm die
Pensionärstelle in Rom nach Kiesling zugesichert wurde.
Ende 1807 starb der Modellmeister Grass». Der
damalige Director der Porzellanfabrik (später Hofrath)
Niedermayr trug Schalter einstweilen die Stelle des
ersten Modelleurs an. Sei,aller lehnte jedoch im Vor-
gefühle seiner höheren künstlerischen Laufbahn diesen
Antrag dankbar ab. Seit dieser gcit wurde Director
Niedermayr, der Schallcr nun näher kennen lernte, sein
wärmster Freund und Gönner. Durch dessen Unterstützung
entstand der Guß des Philoktet in weichem Metall, unter
Prof. Fischers gütiger Anweisung, und eine Büste aus
Tyroler Marmor unter der Leitung des Bildhauers
Joseph Pisani. Diese Arbeiten hatten sich des Beifalls
des Herrn Curators zu erfreuen, und Schallcr erhielt
den Auftrag, für das Piedestal zu Kieslings Gruppe
„Venus und Amor," aufgestellt im Belvedere, ein
Marmor-Basrelief auszuführen, die Venus darstellend,
wie sie von Diomed verwundet zu Mars kommt. In die
Zwischenzeit fielen Bvffirarbeitcn für die Porzellanfabrik.
Der Krieg von 1809 und der Tod des Grasen Cobenzl
trübten Schalters Aussichten. Doch jenes Marmor-
Basrelief war dem Kennerblick des nachfolgenden Cura-
tors der k. Akademie, Sr. Durch!, des Fürsten Metternich,
nicht entgangen. Schalter erhielt 1812 die Pcnsionär-
stclle in Rom, wo er über zehn Jahre blieb. Schalter
kam dahin, als die vorzüglichsten Künstler abwesend,
und überhaupt alle in der trostlosesten Lage waren. Doch
bald kehrte eine bessere Zeit für Rom, und die gefeiertsten
Künstler dahin zurück. Schalter besuchte sie alle, schloß
sich keiner Partei an, und wurde von allen geliebt.
Anfänglich fühlte sich Schalter in Rom, wie cs
dort wohl allen für's Große empfänglichen Gemüthern
begegnet, fast erdrückt und als Künstler entmuthigt
vor jenen hohen Werken vergangener Kunst, für welche
Vergangenheit und Zukunft zu ewig blühender Gegen-
wart wird; doch bald auch erhob sich in ihm, gleichwie
in den wenigen des Großen fähigen Geistern, eine