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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 9.1874

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Wislicenus, H.: Die Restauration des Aachener Domes
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.4816#0115

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225

Die Restanration dcS Aachener Domes. — Kunstliteratur.

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ganz allein auf die ungenngcnde Fähigkcit der Persvn
dcs Herrn Bethnne oder vielmchr seincs Arbciters (dcnn
cr sclbst hat die Entwnrfe nicht gczeichnet), sondern sie
war auch bedingt dnrch eine ganz andere prinzipiclle
Anschauung, als sie die leitendc sein kanu, wcnn man
sich niit eincr Kopic der Stilfvrnicn dcr alten Mosaiken
fnr dic fraglichc Aiisschniücknng bcfreiindcn will, nnd
»ichr zn lcistcn als eine iui bcstcn Falle crträgliche Kopic,
>st der Arbciter dcs Hcrrn Bcthnnc nicinals fähig. Auch
>u dcn Sitzungen habe ich erklärt, daß nieine Ueber-
Mgilng dein vvllig cntgegcnstcht, alte Mvsaikenlppcn
in strcngster Nachahinung an einen Ort zn übcrtragen,
wv nur cinige Flecken noch die Stellcn vvn vorhanden
gewcsenen Fignren kenntlich machcn. Wohl ist es ctwas
Anderes, wcnn cs sich uin cine Ausbesscrnng noch vor-
hnndener alter Mosaikcn handclt. Zn diescni letztcrcn
Falle wird inan sclbst das Unvollkonlincnc auS Pictät
Vvr dcin Alter zu schonen und zn crhaltcn habcn. In
Aacheu aber handelt cö sich um völlige Ncngcstaltuug,
also um cin Werk, wclches von A bis Z in unserer
Zcit cntstchen soll. Da untcrlicgt cS mir dcun kcincui
Zwcifel mchr, daß es ein solchcs wcrden muß, welchcs
dcm Gciste des altcn karolingischen Bancs zwar mög-
stchst cntspricht, nicht aber die kinvlichc Form dcr mu-
stvischcn Kunst jcncr 'altcn Zeit knechlisch uachahmt.
Gcschicht das, so wird aus dcr kindlichcn Form mit
der feicrlichcn Scelc ein kindischcS Gcbildc ohne alle
Seele. Während uns die Mängel der altcn Kunst nur rüh-
wn könncn, niüsscn sic hicr als absichtlich und abgcschmackt
belcidigcn. Und würde cs selbst vollendet nachgcahmt,
fv wisscn wir, es ist achtzehnhuiidert so und so viel ge-
wacht wvrdcn, und wir fragcn uns, hat uuscre Zcit
. dcin chrwürdigcn Bau nichts bietcn könncn, als eine
^indhcilsperiodc dcr malcrischcn Dckvration in ihrcn
Fehlcrn zu kopircn, nm auf diese Weise dem alten Geiste
wchc zu koinmen? Jch brauchc nur daran zu erinncrn,
daß Allc, wclchc kcine Altcrthumsfanatiker sind, sicher
darübcr crfrcut scin werden, auf der Wartburg wie
>»i Aachener Kaiscrsaal statt bhzantinischer Karlenkönige
'»>t unmöglichen Glicdmaßcn Schwind's und Rcthel's
Frcsken zu crblickcn. Wie dicse Künstlcr zur Verherr-
lichung der gcnannten historisch gewcihtcn Plätze in
hohem Grade gecignet waren, so wird man doch hoffen
dürfen, daß Nicmand zweifeln wird am Vorhandensein
«nes dcutschcn Künstlers zur würdigen Ausschmückung
ciner Kirchc Karl's dcs Großcn! An dicser bcdcutcndcn
Stellc solltcn wir den germanischcn Geist gcgen den
dhzantinischcn odcr romanischcn vcrtauschcn.

Glaubt man aber wirklich dcm historisch gewcihten
Orte in seiner Eigcnthümlichkeit zu uahe zu trctcn,

sehr pictälvollcn Zcit, wclche in der Kenntniß dcsselben
gründlicher als jcdc frühcre herangebildet isl, gchcn wir
keineswcgs der Gefahr cntgegen, das völlig Frcmdartige
zusammcn zu bringen, wie dies in der brutalen Barock-
zeit tausendfältig bci Restaurationcn geschehen ist. Wir
geben der Kirche, was der Kirche, und dcm Tanzsaal,
waS dcm Tanzsaal gehört. Freilich gcnügt das nicht,
sondern man muß sich deni Zeitcharakter eines alten
Baues außerdcm noch besonders anzuschmiegen wissen,
wenn man cine Dckvration organisch damit verbinden
will. Es darf nicht okulirt wcrdcn, sondern es müsscn
die alten Keime des gesunden Stammes zu neucn Blüthen
anfgchen, abcr zu eincm schöncrcn Jahrgang, als der
altc war. Es würde meines Erachtens ein Flecken für
das künftlcrische Urthcil unserer Zeit sein, wvlltc man
sich an maßgebcndcn Stellen unserer Knnstgelchrtcnkreise
mit jencm äghptischcn, nm nicht zu sagcn „chincsischen"
Geiste einverstandcii erklärcn. Aber es ist auch, wie
ich glaubc mit Sicherhcit annehmen zu dürfcn, lcincswegs
zu erwarten, und ebcn deswegen würde ich es für sehr
bedentungsvoll haltcn, wcnn an dem vorliegcndcn wür-
digcn Beispiele cine Prinzipicnfrage zuni Austrage gc-
bracht würdc, wozu die bildende Knnst dnrch ihrc
Schöpfung crst dann mitwirkcn kann, wenn der Aesthctiker
als Ackersmann den hartcn Boden aufgcpflügt hat, be>
wclchcr Aufgabe auch biswcilcn ein altes Bruchstück zur
Seitc geräumt wcrdcn mllßtc, wenn es ein solches wäre,
welches eincin lcbcndig in der Zeit stehcndcn Werke dcn
Platz vcrsperrte. Hier aber ist nichts im Wege als ein
hochwvhllöbliches Altcrthumsmäcenateiithum, welchcs mit
dcrselbcn Ucbcrzcugungskraft, mit wclcher Knak nvch
hcute bchanptet, die Svnnc marschirc um dic Erde herum,
meint, man könne und solle die ehrwürdigcn Tovtcn
des fünften Iahrhunderts mit Stiefeln und Sporcn auf-
crweckcn und sich statt desscn selbst in die alten Sarko-
phage legcn. Todt solltcn alle einst bedcutend ge-
wcscnen Alten auch für dic spätcsten Zcitcn nicht scin,
aber nur dadurch, daß ihr Unsterbliches in ihncn
fortlebt. H. Wislicenus, Professor.

üunstlittrlltllr.

Blätter aus A. Hendschel's Skizzenbuch. Zwci-

ter Band. Frankfurt a. M. Prcstel. l873. 4.

Als die rühmlich bekannte Kunst- und Verlags-
handlung vor einem Jahrc dcn ersten Band des obcn
bezeichneten Werkes veröffcntlichte, crkannte der Kunst-
kcnner wie der kunstsiiinige Laic sofort dcn hohcn Werth
der darin gebotcncn Zeichnungen und alle Wclt cr-
stauiite um so mehr über Inhalt und Form dcs Ge-
botenen, als dcr Künstlcr abgcschen vvn sciner Vatcr-

wenn man ihn in der Sprachc unscrcr Zcit zu ver-
herrlichcn sucht, so solltc man ihn schniucklvs lassen, wie
er jetzt ist. Jndesscn in unscrer für das Altcrthum

sladi so gut wie ganz unbckannt war. Welche Pvcsic,
 
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