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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 9.1874

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Die 23. Ausstellung der Norddeutschen Kunstvereine in Hamburg, [1]
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61 ö

Die 23. Ansstellung der Norddentschen Knnstvercine in Hamburg.

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Hcibe ich unter den Aguarellen der gedicgeneu
Architekturbilder Eibner's uud eines Motivs vou der
Ostsee von L. Spangenberg, unter deu Kohlenzeich-
uungeii des Motivs vom Neckar von Riediuüller in
Stuttgart chrend Erwähnuug gethan, so kann ich mich
zur Besprechung der Geniälde wenden, wobei ich alle
dicjenigen nbergehe, die theils hicr, theils anderswo
schon ausgestellt gewesen und besprochen worden siud.
Es >ind das namentlich die hervorragendeu Bilder von
Vautier (Schachspieler), Piloth (Karl V.), Lasch
(Eine Verhaftung), Jutz, Zordan (Begräbniß eines
alten Seemanns) und Hiddemann's Picnic — eine
Leistung, die uns übrigens ganz bcdenkliche Schwächen
zu haben scheint.

Die Landschafter, wclche natürlich die größte An-
zahl der Gemälde geliefert haben, wenden sich immer
mehr von ihren früheren Tummelplätzen, Jtalien und der
Schweiz ab, und je größer die Anzahl der bedeutendsten
Kräfte wird, welchc eigeutliche Stimmungslandschaft
lültiviren, desto mehr werden die deutschen Lande der
Gegenstand der Darstellung. Ed. Schleich war frei-
lich, obgleich der Katalog mchrere Gemälde von ihm
anzeigte, gar nicht, abcr viele derer, die in seinen
Spurcn wandcln, waren durch theilweise ganz vorzüglichc
Leistnngen vertrcten. Dcr mir zugewiesene Raum verstattct
mir nur einc kursorische Aufzählung dcr bedeutcndsten Er-
scheinungen, und so nenne ich hier mil Uebergehung der
mehr odcr minder talentvollen Nachahmer des großen
Verstorbencu nur den jüngercn Morgenstcrn und
Dietr. Langko, der uns dic Umgebung von München
unter den verschiedensten Verhältnissen immer tüchtig
und stimmnngsvoll vorführt. Der mehr descriptiven
Richtung in der Landschaft huldigen Val. Ruths,
dcm scine Gemälde von theilweise wunderbar schönem
Kolorit und tiefer Ferne eine ganz eigcnartige Stel-
lung zwischcn den bciden Hauptrichtnngcn anwcisen,
Graf Kalkreuth (Vierwaldstätter See), Steffan in
München, Mosengcl in Hamburg (Wetterhoru),
Jansen iu Düsscldorf (Ansicht ^cr Jungfrau),
Jenny in Sckaffhausen (Der Lowerzer Sce) und
Frische in Düsseldorf (Motiv ans dem Jnnthal —
ein porzügliches Bild). Meistcntheils sehr gewagte
koloristische Aufgabcn stellt sich Kvhnholz nud geräth
dadurch iu manchcrlei Wunderlichkcitcn und Ucbertrei-
bungen, woran diesmal sciuc im Ucbrigen verdienstvolle
Ansicht von Genua ganz bcsonders leidet. — Trotz
nianchcr Schwächen, dic den Gemäldcn Lutteroth's
in Berlin immer noch anhaften, hat er doch seit seinem
lctzten cnlschiedenen Fchlschlag auf der Ausstellung des
Jahres 1872 bedcutcnde und nnlcugbare Fortschritte
gemacht. Ein großes Wald-Jnterieur von ihm ist nicht
ohne Poesie, das Spiel dcr Lichtrcflexe im Laube und auf
vemErdboden vongroßer Naturtreue, das Ganze nur elwas

zu dekorativ gehalten. Auch seine italienischen Landschaften
zeigen neben uuverkennbaren Schwächcn so ntanche au-
zieheude Motive, ueben großen Flüchtigkeiten so sauber
durchgeführte Partien, cs finden sich in einzelncn seiner
Bilder, die er mit besonderer Lust und Liebc gemalt
zu haben scheint, so viele Spuren einer seelenvollen Auf-
fassung der Natur, daß von cinem ungestörten Fort-
schrciten des offenbar noch in der Entwicklung begriffe-
nen Künstlers, dcm es auch ungeachtet manchcr Bizarre-
rieen auch an einem feinen Gefühl für Farbenharinouie
uicht fehlt, das Beste zu erwarlcn sein dürfte. Fast
niöchlen wir glauben — wenn es erlaubt ist, eine solche
ketzerische Ansicht laut werden zu lassen —, daß die
Schule Oswalv Achenbach's ihm erst dann zum Heitc
gcreichen dürfte, wenn er sich von deren Aeußerlichkeiten
etwas mehr emancipirt haben wird. Die vier Bilder,
mit denen der genannte Meister diesmal auftrat, und
die durchaus nicht auf der Höhe seines glänzendcu
Ruhmes standen, konnten uns in diesem Gedanken uur
befestigeu. Das nächtliche Fest am Strande von dlcapel
arbeitet uüt grellen Effektcn, und die verschiedcnen Be-
leuchtungsmotive sind mit ciner gcwissen prahlerischeu
Bravour durchgeführt, die erstaunlich nnruhig uuv nichts
weniger als angenehm wirkt. Dic Lorelei soll eiue
deutsche Landschaft sein, macht aber anf Jedcrmann
den,Eindruck eiuer italienischeu, ist übrigens, von vieseiu
Widerspruch abgesehen, diejenige, in welcher wir noch
am crsten die Hand dcs Meisters zu erkeunen glauben.
Der Nemi-See leidet an cincin Widerspruch zwischen
den klassischen Linien und der geniessenen Behandlung
des Hintergrundes cinerseits unv ver unruhig bunteu
Farbcngebung des Vordergruudes. Der Vortrag hat
etwas Genialcs, und man würde sich mit der Auffassung
des Ganzen iniinerhin versöhnen kvnnen, wenn nicht
Luft und Wolkeu, allzu ftüchtig behandelt, den Eiudruck
des Unfertigen hinterließen. Mit einem Gefühl wahr-
hafter Erguicküng wendet man sich von diesem zu dem
außerordeutlich feincm Bildc von Wilberg, römischer
Park, in dcm die letzten Strahlen der untergchendcn
Sonne die Wipfel der Chpressen mit warmen goldigen
Tönen übergießcn, während kaltc abcndliche Tintcn die
tiefer liegendcn Partien beherrscheu, — die bedeu-
tendstc Landschaft der dicsjährigen Ansstellung, der wir
, auch aus dcm letzteu Zahre uichts an die Seite zu
setzen wüßteu. Von sonstigen italienischcn Landschafte»
crwähne ich Unterberger's Motiv bei Salcrno,
des Holländcrs Hilverdiuck Küstc des Mitlclmeers,
Arnz's Abend auf dcr Piazza Barberini, Conrad
Hoff'S mondscheinbcleuchtete lUuriu äeUu suluw in
Vcnevig und A. Flamm's Gemälde^), zumal sein

*) Eines davon iieiiiit der Katalog, ber iiberhaupt von
gräulichen Drncksehlern wimmelt: Straße in Palästina.
 
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