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DIE AUSSTELLUNG DER NEUEN FRAUENTRACHT
BRAUTKLEID, ENTWORFEN VON MALER SCHULTZE-
NAUMBURO, AUSGEFÜHRT VON HERMANN GER-
SON, BERLIN
zum Verdecken. Gerade dieser Punkt ist meines Er-
achtens für die weitere Fortbildung der neuen Tracht
von grosser Bedeutung und ganz besonders möchte
ich auf ihn hinweisen, da die Ausstellung nur
wenige in dieser Richtung gehende Versuche zeigt.
Im folgenden kann es sich natürlich nicht um
Besprechung jedes einzelnen Kleides handeln, nur die
Haupttypen seien hervorgehoben, was besonders gut
gelungen und weiterer Entwickelung fähig scheint.
Den einfachsten Typus des Hauskleides vertritt wohl
Gertrud Achenbach. Mit feinem Takt erkennt sie jede
reichere Ornamentik als überflüssig und lässt das ein-
fache, von der Schulter herabfallende Kleid nur die
Brust durch ein querlaufendes gürtelartiges Band leicht
betonen. Zwei Knöpfe an der linken Seite darüber
zeigen, dass das Kleid auch wirklich praktisch anzu-
legen ist. Nicht ganz befriedigen konnte uns Schultze-
Naumburg's Hauskleid, so glücklich die Idee mit dem
überwurfartigen Mieder auch ist. Ich empfinde die
in Spiralen verlaufende Ornamentik als zu hart, fast
panzerartig. Um so wirksamer aber tritt uns hier die
Konstruktion als solche entgegen. Von den reicheren,
wohl nicht zum Arbeiten bestimmten Hauskleidern
sei das von Margarete Trautwein angeführt, nament-
lich deshalb, weil hier die richtige Verteilung des
Beiwerks angestrebt ist, insofern dem Jäckchen und
der reichen Spitzengarnitur an der Brust ein breiter,
mit aufgenähten Ornamenten versehener Saum ent-
spricht, der Rock selbst aber vorn mit immer länger
werdenden Bisen verziert ist, welche die Verbindung
zwischen oben und unten herstellen.
Die erste Gruppe der Strassenkleidcr, die wir
unter dem Titel »Gewand- zusammenfassen, gliedert
sich in mehrere Unterabteilungen; wir finden: das
eigentliche Gewand, bestehend aus einem einzigen
Stück, dann das Gewand mit Mieder und endlich das
Gewand mit spanischer Jacke. Die erste Abteilung
ist nur wenig vertreten, hervorgehoben seien die Ent-
würfe von Gräfin Qeldern-Egmond (Schule Schultze-
Naumburg) und Emy Friling. Beide fallen dadurch
auf, dass sie die dekorative Verwendung des Knopfes
anstreben. Ungefähr von Kniehöhe an gehen sechs
oder acht Knöpfe rechts und links nach der Schulter
zu, in der Mitte eine breite Bahn abtrennend, die
Emy Friling in der Rockfarbe belässt, während sie bei
Gräfin Geldern - Egmond von schwarzer Farbe ver-
kleidet wird. Geradezu einzigartig in seiner Wirkung
ist das auch ganz vereinzelt gebliebene Kleid mit
Mieder von Schultze-Naumburg. Hier tritt uns am
reinsten entgegen, was sich über Konstruktion und
Ausbildung des neuen Gewandes sagen lässt. Ein-
fach und schlicht fällt der glatte Rock, vom Mieder
ungefähr bis zur Hüftgegend zusammengehalten; in
wirkungsvollem Gegensatz stehen dessen Querfalten
zu der durch den Rock betonten Vertikale. Es ist
wirklich zu bedauern, dass gerade diese Konstruktion
bei keinem anderen Kleide wiederkehrt. Denn ich
bin mit Schultze-Naumburg der festen Überzeugung,
dass gerade diese Art die meiste Aussicht auf künf-
tige Entwickelung bietet. — Am zahlreichsten ver-
treten sind die Kleider mit sogenannten spanischen
Jäckchen, was sich wohl daraus erklärt, dass sie den
Übergang von der bisherigen Mode zu der neuen
Tracht am meisten erleichtern. Und von diesem Ge-
sichtspunkt aus muss man sie auch billigen, obgleich
sie gerade das Strenge der Konstruktion oft vermissen
lassen. Dafür finden wir hier wieder den Versuch,
das Beiwerk richtig zu verbinden, was namentlich
Hermine Bartescli in einem eleganten Strassenkleid,
dessen Jäckchen und Saum reiche Applikation zeigen,
gelungen ist. Hier sei auch gleich eines Sommer-
kleides von Bertha Froriep gedacht, dessen Jäckchen
und Rocksaum den gleichen Versuch zeigen, wobei
die auf das Blau aufgenähten weissen Litzen einen
gar freundlichen Eindruck machen.
In der Verbindung von Rock und Bluse steht
wieder an erster Stelle Schultze - Naumburg. Er hat
auch hier die schönste Lösung gefunden, indem er
DIE AUSSTELLUNG DER NEUEN FRAUENTRACHT
BRAUTKLEID, ENTWORFEN VON MALER SCHULTZE-
NAUMBURO, AUSGEFÜHRT VON HERMANN GER-
SON, BERLIN
zum Verdecken. Gerade dieser Punkt ist meines Er-
achtens für die weitere Fortbildung der neuen Tracht
von grosser Bedeutung und ganz besonders möchte
ich auf ihn hinweisen, da die Ausstellung nur
wenige in dieser Richtung gehende Versuche zeigt.
Im folgenden kann es sich natürlich nicht um
Besprechung jedes einzelnen Kleides handeln, nur die
Haupttypen seien hervorgehoben, was besonders gut
gelungen und weiterer Entwickelung fähig scheint.
Den einfachsten Typus des Hauskleides vertritt wohl
Gertrud Achenbach. Mit feinem Takt erkennt sie jede
reichere Ornamentik als überflüssig und lässt das ein-
fache, von der Schulter herabfallende Kleid nur die
Brust durch ein querlaufendes gürtelartiges Band leicht
betonen. Zwei Knöpfe an der linken Seite darüber
zeigen, dass das Kleid auch wirklich praktisch anzu-
legen ist. Nicht ganz befriedigen konnte uns Schultze-
Naumburg's Hauskleid, so glücklich die Idee mit dem
überwurfartigen Mieder auch ist. Ich empfinde die
in Spiralen verlaufende Ornamentik als zu hart, fast
panzerartig. Um so wirksamer aber tritt uns hier die
Konstruktion als solche entgegen. Von den reicheren,
wohl nicht zum Arbeiten bestimmten Hauskleidern
sei das von Margarete Trautwein angeführt, nament-
lich deshalb, weil hier die richtige Verteilung des
Beiwerks angestrebt ist, insofern dem Jäckchen und
der reichen Spitzengarnitur an der Brust ein breiter,
mit aufgenähten Ornamenten versehener Saum ent-
spricht, der Rock selbst aber vorn mit immer länger
werdenden Bisen verziert ist, welche die Verbindung
zwischen oben und unten herstellen.
Die erste Gruppe der Strassenkleidcr, die wir
unter dem Titel »Gewand- zusammenfassen, gliedert
sich in mehrere Unterabteilungen; wir finden: das
eigentliche Gewand, bestehend aus einem einzigen
Stück, dann das Gewand mit Mieder und endlich das
Gewand mit spanischer Jacke. Die erste Abteilung
ist nur wenig vertreten, hervorgehoben seien die Ent-
würfe von Gräfin Qeldern-Egmond (Schule Schultze-
Naumburg) und Emy Friling. Beide fallen dadurch
auf, dass sie die dekorative Verwendung des Knopfes
anstreben. Ungefähr von Kniehöhe an gehen sechs
oder acht Knöpfe rechts und links nach der Schulter
zu, in der Mitte eine breite Bahn abtrennend, die
Emy Friling in der Rockfarbe belässt, während sie bei
Gräfin Geldern - Egmond von schwarzer Farbe ver-
kleidet wird. Geradezu einzigartig in seiner Wirkung
ist das auch ganz vereinzelt gebliebene Kleid mit
Mieder von Schultze-Naumburg. Hier tritt uns am
reinsten entgegen, was sich über Konstruktion und
Ausbildung des neuen Gewandes sagen lässt. Ein-
fach und schlicht fällt der glatte Rock, vom Mieder
ungefähr bis zur Hüftgegend zusammengehalten; in
wirkungsvollem Gegensatz stehen dessen Querfalten
zu der durch den Rock betonten Vertikale. Es ist
wirklich zu bedauern, dass gerade diese Konstruktion
bei keinem anderen Kleide wiederkehrt. Denn ich
bin mit Schultze-Naumburg der festen Überzeugung,
dass gerade diese Art die meiste Aussicht auf künf-
tige Entwickelung bietet. — Am zahlreichsten ver-
treten sind die Kleider mit sogenannten spanischen
Jäckchen, was sich wohl daraus erklärt, dass sie den
Übergang von der bisherigen Mode zu der neuen
Tracht am meisten erleichtern. Und von diesem Ge-
sichtspunkt aus muss man sie auch billigen, obgleich
sie gerade das Strenge der Konstruktion oft vermissen
lassen. Dafür finden wir hier wieder den Versuch,
das Beiwerk richtig zu verbinden, was namentlich
Hermine Bartescli in einem eleganten Strassenkleid,
dessen Jäckchen und Saum reiche Applikation zeigen,
gelungen ist. Hier sei auch gleich eines Sommer-
kleides von Bertha Froriep gedacht, dessen Jäckchen
und Rocksaum den gleichen Versuch zeigen, wobei
die auf das Blau aufgenähten weissen Litzen einen
gar freundlichen Eindruck machen.
In der Verbindung von Rock und Bluse steht
wieder an erster Stelle Schultze - Naumburg. Er hat
auch hier die schönste Lösung gefunden, indem er