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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 14.1903

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Peters, H.: Die Kunstgewebeschule in Scherrebek
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https://doi.org/10.11588/diglit.4359#0237

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WANDBEHANQ VON ERICH KLEINHEMPEL, DRESDEN

DIE KUNSTWEBESCHULE IN SCHERREBEK

VON H. PETERS-KÖNIGSBERO

DIE berühmte Scherrebeker Kunstwebeschule hat
den Konkurs angemeldet. Diese Notiz geht
jetzt durch alle Zeitungen. Es ist ein Jammer,
dass dieses grossartige Unternehmen sich nicht halten
kann! Vorauszusehen war es aber durch die Art und
Weise seiner Leitung! Da manche kaum wissen,

wo Scherrebek liegt und warum dieser Ort, in ödester
Gegend, gewählt ward, die Kunstwebeschule in sich
aufzunehmen, muss ich etwas zurückgreifen. Das
Kirchdorf Scherrebek liegt nördlich von Tondern,
nahe der dänischen Grenze. Die Sprache der Be-
völkerung ist bis auf den heutigen Tag dänisch,
untermischt mit einem breiten Platt, geblieben. Hier
wollte man einen Vorposten bilden gegen das Ein-
dringen des Dänentums in Deutschland, und das
konnte man am besten erreichen durch Hebung des
Wohlstandes, denn die Bevölkerung dort ist arm.
Ausserdem war in alten Zeiten die künstlerische Webe-
kunst an der ganzen Westküste Schleswig-Holsteins
zu Hause gewesen. In den Kunstgewerbemuseen

finden sich herrliche Stücke dieser schönen, alten
Technik, die aus den Bauernhäusern dort stammen. —
Der Gedanke, in Scherrebek eine Kunstwebeschule
zu gründen, ging von dem Prediger des Ortes aus,
und wir wollen' dem Pastor Jakobsen das Verdienst
nicht schmälern, dass er ihn zur That werden Hess.
Aber zum Hauptleiter des Unternehmens musste man
einen kaufmännisch gebildeten Mann nehmen und
keinen Gelehrten! Das war der erste grosse Fehler!
Zunächst hatte Pastor Jakobsen es verstanden, im
engeren Vaterlande das Interesse für seinen Plan zu
erwecken. Und als man die Angelegenheit in mass-

Kunstgewerbeblatt. N. F. XIV. H. 12.

gebenden Kreisen in Berlin vertrat, brachte man ihr
auch dort das lebhafteste Interesse entgegen Es
dauerte nicht lange, so waren so viele Gelder auf-
gebracht, dass die ersten Webstühle aufgestellt werden
konnten. Schafe gab es genug im Lande, deren vor-
zügliche Wolle sich zur Kunstweberei eignete. Ln
einer eigenen Färberei ward sie, nachdem sie ge-
sponnen, gefärbt, selbstverständlich nur mit Pflanzen-
farbstoffen, da nur diese durch Luft und Licht nicht
leiden. Überhaupt ist die Grundbedingung bei der
Kunstweberei, stets allerbestes Material zu verwenden.
In nordischen Ländern hat diese schöne, alte Technik
sich immer erhalten und in neuester Zeit sich zu
schönster Blüte entfaltet. — Deshalb holte man sich
auch aus Norwegen die erste Lehrerin. Namhafte
Künstler interessierten sich für Scherrebek und ent-
warfen die Kartons, nach denen gewebt werden sollte.
Ich erinnere nur an den Schwanenteppich von Otto
Eckmann, durch den die junge Schule bald zu Ruhm
und Ehren gelangte. — Aber gleich wurden neue
Fehler gemacht: Wer in Scherrebek das Kunstweben
erlernte, musste sich verpflichten, es nicht weiter zu
zeigen, mit Ausnahme derjenigen, die zu Lehrerinnen
ausgebildet wurden. War das nicht gerade ein
Verhindern, dass die schöne Technik wieder Volks-
kunst ward? Die ersten Differenzen mit dem Leiter
der Schule entstanden bald. Herr Pastor Jakobsen
bestimmte den Bestellern gegenüber ganz einfach
die Preise der Wandbehänge, ohne Rücksprache
mit den Damen zu nehmen. Diese waren doch allein
im stände, den Wert der Arbeiten zu bemessen. Auser-
dern kann man das erst thun, wenn die Weberei fertig

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