Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 14.1903

DOI Artikel:
Gross, Karl: Kunstgewerbliche Erziehung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4359#0155

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
WIRTSHAUSSCHILD IN STEIN, MODELL VON BORN, MODELLIERKLASSE
DES PROFESSOR K. GROSS, KUNSTGEWERBESCHULE IN DRESDEN

KUNSTGEWERBLICHE ERZIEHUNO

VON PROFESSOR KARL GROSS



WENN man heute von kunstgewerblicher Er-
ziehung spricht, stellt sich sofort der Begriff
»Schule« ein, in der erzogen werden muss.
Das ist schon so selbstverständlich geworden, dass
alle Klagen über die Mängel des deutschen Kunst-
handwerks mit irgend einem Vorschlag zur Ver-
besserung der einschlägigen Schulen ausklingen. Seit
einigen Jahren häufen sich diese Vorschläge immer
mehr.

Blüht in irgend einem Ort ein kunstgewerbliches
Fach nicht, so ist das Fehlen oder die fehlerhafte
Organisation der Schule daran schuld, sind z. B. die
Leistungen der Kunstschlosserei schlecht, so glaubt
man dem mit einer praktischen Schulwerkstätte ab-
helfen zu können; immer sind es die Schulen, die
es machen sollen. Gegenüber dieser fortgesetzten
Schulmeisterei muss doch einmal die Frage in den
Vordergrund gestellt werden: „Giebt es denn nicht
auch eine kunstgewerbliche Erziehung, welche die
Schulen vielfach entbehrlich machte?"

Man muss sich darauf besinnen, dass jahrhunderte-
lang, wo es noch keine Schulen gab, doch ein Kunst-
gewerbe blühte, dessen Erzeugnisse noch heute in
eben diesen Schulen als unerreichte Vorbilder benützt

Kunstgewerbeblatt. N. F. XIV. H. B.

werden und heute auf einmal sollen die Schulen
alles machen.

Diese Entwickelung ist jedenfalls nicht gesund,
denn die Schulen haben in den wenigsten Fällen die
Macht, einen bestimmenden Einfluss auf den Gang
der Praxis auszuüben.

Denn diese Praxis ist beherrscht von der künstle-
rischen Unerzogenheit des Publikums aller Bildungs-
grade. Die Fabrikanten und Händler kommen diesem
Publikum mit innigem Verständnis entgegen und der
Handwerker und Kunsthandwerker muss mitmachen,
wenn er seine Erzeugnisse losbringen will.

Da dem Käufer oder Besteller das Gefühl für
den Adel solider und gediegener Arbeit abgeht, so
will er für solche Sachen nicht viel ausgeben; der
Gegenstand muss möglichst billig sein und möglichst
viel gleichsehen; technische Gediegenheit ist Neben-
sache, billig ist Trumpf. Auch von den Staats- und
Stadtbehörden wird auf dieselbe Weise auf dem Sub-
missionswege das solide Handwerk untergraben, von
denselben Behörden, die Schulen zu dessen Hebung
gründen.

Das ist der Kernpunkt der Frage. Was hilft es,
Schulen zu gründen, wenn der Schüler dann in der

22
 
Annotationen