DIE JUBILÄUMS-AUSSTELLUNG DES VEREINS FÜR DEUTSCHES KUNSTGEWERBE
89
So bewährte sich dieser
auch in der unmittelbar
dem Kunstgewerbe und
der Zimmerdekoration an-
gehörenden Thätigkeit
Cranach's für dasGerson-
sche Haus. Das Gebiet
der Goldschmiedekunst
betrat er mit dem Ent-
wurf der auch jetzt wie-
der ausgestellten Bowle
nach Art der Münzbecher,
in freier Konkurrenz für
den eigenen Familienbesitz.
In Paris erwarb Cranach
1900 den Grand prix
nicht als Maler, sondern
als Zeichner der von
Hulbe ausgestellten Leder-
kassette. Schon dort aber
fielen seine von Louis
Werner ausgeführten
Schmuckstücke auf. Seit
kurzem stehen sie im Mit-
telpunkte seiner Thätigkeit.
Anlass dazu gab die
Müsse eines schweren
Krankenlagers. Aber von
dieser physisch bedingten
Stimmung spürt man an
den Werken selbst nichts.
Sie sind vielmehr ganz
erfüllt von der sonnigen
Freude an den Farben-
und Formenwundern, die
die Natur dem Künstler-
auge bietet. Und das ist
ihre bezeichnendste Eigen-
art. Darin liegt auch
ihre symptomatische Be-
deutung gegenüber der
»Moderne«, wie sie van
de Velde vertritt.
In der Nähe des schön-
sten deutschen Waldes ist
Cranach aufgewachsen.
Er war zuerst Forstmann.
Und er liebt Wald und
Feld mit derselben Innig-
keit, die aus den land-
SCHMUCK-
STÜCKE,
ENTWURF
VON L. v.
CRANACH,
BERLIN
#
>
J
schaftlichen Hintergrün-
den seines berühmten
Ahnherrn klingt. Er liebt
ihr Klein leben, wie es die
japanische Kunst auffasst,
und wie es doch von jeher
gerade zum deutschen
Sinn sprach. Er liebt vor
allem die Blumen. Weit-
aus die meisten Schmuck-
stücke zeigen Blumen-
formen und -Farben, zu-
weilen in genauer Wieder-
gabe des wirklichen Ge-
bildes in seiner Gesamt-
heit, häufiger als Teilform
und in einer Umdichtung,
bei welcher die Natur nur
das Motiv« giebt. Und
diese Motive greifen über
das vegetabilische Reich
hinaus. In diesen Bro-
schen und Anhängern,
Vorstecknadeln und Gür-
telschliessen lebt auch
eine sehr mannigfache
Tierwelt der Luft und
besonders des Meeres.
Eines der originellsten
Stücke geht von dem
Farben- und Bewegungs-
reiz eines Tintenfisches
aus, und an anderen
sind es die »Naturformen«
Ernst Häckel's, Entwicke-
Iungsstadien des organi-
schen Lebens, die sich
nur dem Mikroskop offen-
baren. Aber nirgends ist
die Absicht nur auf die
Wiedergabe eines Vor-
bildes ganz beschränkt.
Cranach sucht einen künst-
lerischen Zusammenklang
der in den edelsten Ma-
terialiengebotenen Farben-
und Formenwerte, und die
Natur ist ihm dabei nur
die Meisterin aller Meister.
Ihre Wunder sollen in
AUSFUHRUNO VON
OEBR. FRIEDLÄNDER,
BERLIN
89
So bewährte sich dieser
auch in der unmittelbar
dem Kunstgewerbe und
der Zimmerdekoration an-
gehörenden Thätigkeit
Cranach's für dasGerson-
sche Haus. Das Gebiet
der Goldschmiedekunst
betrat er mit dem Ent-
wurf der auch jetzt wie-
der ausgestellten Bowle
nach Art der Münzbecher,
in freier Konkurrenz für
den eigenen Familienbesitz.
In Paris erwarb Cranach
1900 den Grand prix
nicht als Maler, sondern
als Zeichner der von
Hulbe ausgestellten Leder-
kassette. Schon dort aber
fielen seine von Louis
Werner ausgeführten
Schmuckstücke auf. Seit
kurzem stehen sie im Mit-
telpunkte seiner Thätigkeit.
Anlass dazu gab die
Müsse eines schweren
Krankenlagers. Aber von
dieser physisch bedingten
Stimmung spürt man an
den Werken selbst nichts.
Sie sind vielmehr ganz
erfüllt von der sonnigen
Freude an den Farben-
und Formenwundern, die
die Natur dem Künstler-
auge bietet. Und das ist
ihre bezeichnendste Eigen-
art. Darin liegt auch
ihre symptomatische Be-
deutung gegenüber der
»Moderne«, wie sie van
de Velde vertritt.
In der Nähe des schön-
sten deutschen Waldes ist
Cranach aufgewachsen.
Er war zuerst Forstmann.
Und er liebt Wald und
Feld mit derselben Innig-
keit, die aus den land-
SCHMUCK-
STÜCKE,
ENTWURF
VON L. v.
CRANACH,
BERLIN
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J
schaftlichen Hintergrün-
den seines berühmten
Ahnherrn klingt. Er liebt
ihr Klein leben, wie es die
japanische Kunst auffasst,
und wie es doch von jeher
gerade zum deutschen
Sinn sprach. Er liebt vor
allem die Blumen. Weit-
aus die meisten Schmuck-
stücke zeigen Blumen-
formen und -Farben, zu-
weilen in genauer Wieder-
gabe des wirklichen Ge-
bildes in seiner Gesamt-
heit, häufiger als Teilform
und in einer Umdichtung,
bei welcher die Natur nur
das Motiv« giebt. Und
diese Motive greifen über
das vegetabilische Reich
hinaus. In diesen Bro-
schen und Anhängern,
Vorstecknadeln und Gür-
telschliessen lebt auch
eine sehr mannigfache
Tierwelt der Luft und
besonders des Meeres.
Eines der originellsten
Stücke geht von dem
Farben- und Bewegungs-
reiz eines Tintenfisches
aus, und an anderen
sind es die »Naturformen«
Ernst Häckel's, Entwicke-
Iungsstadien des organi-
schen Lebens, die sich
nur dem Mikroskop offen-
baren. Aber nirgends ist
die Absicht nur auf die
Wiedergabe eines Vor-
bildes ganz beschränkt.
Cranach sucht einen künst-
lerischen Zusammenklang
der in den edelsten Ma-
terialiengebotenen Farben-
und Formenwerte, und die
Natur ist ihm dabei nur
die Meisterin aller Meister.
Ihre Wunder sollen in
AUSFUHRUNO VON
OEBR. FRIEDLÄNDER,
BERLIN