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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 14.1903

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Gross, Karl: Kunstgewerbliche Erziehung
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https://doi.org/10.11588/diglit.4359#0161

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KUNSTGEWERBLICHE ERZIEHUNO

151

nackten Oeldinteresse allein beruht. Der Tüchtigste
wird zum Kunsthandwerker heranwachsen und die
einschlägigen Schulen haben ergänzend einzugreifen.

In dem scharfen wirtschaftlichen Wettkampf der
Völker wird schliesslich nur jenes Sieger bleiben,
welches die Tüchtigkeit als Fundament gewählt hat,
nicht die Billigkeit.

Die Tüchtigkeit wird mit einer gesunden Mischung
von praktischen und idealen Werten arbeiten. Wenn
der Staat Kanonen bestellt, stellt er mit Recht die
höchsten Anforderungen an technische Vollkommen-
heit und er hat damit diese deutsche Industrie zur
höchsten Blüte gebracht; wenn der Norddeutsche
Loyd Schiffe bestellt, scheut er keine Kosten, dass
jedes in technischer und künstlerischer Hinsicht voll-
kommener wird und der deutsche Schiffsbau hat
Weltruhm erlangt; wenn der deutsche Staat Architektur
und Kunstgewerbe bestellt — doch halt, das ist was
anderes, da braucht er auf Vollkommenheit keinen
Anspruch zu machen, da hat er ja Schulen gegründet,
wo gelehrt werden soll, wie es sein soll!

Hat man denn schon bedacht, dass z. B. ein
Architekt, der einen Millionenbau leitet, Jahre hindurch
für eine Stadt, oft für ein ganzes Land, ein Lehrer
ist, der die Macht hat durch seine direkten Aufträge
Handwerk, Kunstgewerbe, Kunstindustrie und die
Kunst selbst stark zu fördern oder auch zu schädigen,
indem er ihnen falsche Bahnen weist?

Wie gering kann dem gegenüber der Einfluss
einer Schule sein auf den Gang der Praxis! Höchstens
können die Lehrer durch eigene praktische Thätigkeit

ARBEITEN AUS DER
MODELLIERKLASSE
VON PROF. GROSS,
KUNSTGEWERBE-
SCHULE DRESDEN

Träger desselben sein und da-
durch ihren tüchtigen Schülern
die Wege ebnen helfen. Aber
alle Praxis in der Schule kann
die direkte Schulung der Praxis
durch ziclbewusste Aufträge
nicht ersetzen Nach dem
Gesagten ist dies nicht nur eine
künstlerische, sondern auch
eine eminent volkswirtschaft-
liche und sozialpolitische Auf-
gabe, die hier zu lösen ist. Es
muss allerdings eine starke
und von der Wichtigkeit der
Sache überzeugte Kraft sein,
die es sich zu unternehmen
getraut, die bisherigen, oft mit
bestem Wollen gesteckten bu-

reaukratischen Richtpflöcke herauszureissen, um den
geraden Weg abzustecken, der zunächst zu einer Ge-
sundung des Handwerks führt durch das Verlangen nach
technisch und künstlerisch steter Vervollkommnung.

Hierfür müssen zunächst die vielen Millionen
dienstbar gemacht werden, die die Behörden für hier
einschlägige Arbeiten alljährlich ausgeben. Diesem
Beispiel werden dann auch die privaten Auftraggeber
folgen.

Diese Bedingungen, nicht die Schulen, sind das
Fundament einer kunstgewerblichen Erziehung, durch
die eine Menge der jetzigen ungesunden Verhältnisse
von seihst verschwinden müssten, wogegen aber alle
anderen Mittel versagen werden.

FRIES FÜR STEIN
UND SÄULE VON
KERBE, VASENSKIZZEN, A UND B VON
REHM, C VON GROSSE, KNAUF (KÜRBIS-
BLÜTE) VON KERBE
 
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