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SCHAUFENSTERKUNST
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Wer Seidenstoffe ausstellt, soll sie möglichst ge-
treu ihrer späteren Verwendungsart zeigen. Will er
die Feinheit der Qualität zeigen, gebe er daneben
oder als Hintergrund einen weniger feinen Stoff, dann
wird der Kontrast die Wirkung heben. Ebenso wie
an sich nichts grob oder fein, klein oder gross ist,
sondern all diese Eigenschaften erst durch den Gegen-
satz hervortreten, so beruht die Wirkung der Farben
auf derselben Regel, die uns den Fingerzeig für
manche Dekorationsweise giebt. Der Farbe, die noch
immer zu sehr vernachlässigt wird, muss die Haupt-
rolle bei der künstlerischen Dekoration einer Schau-
fensterauslage zugewiesen werden. Gleich einem von
Künstlerhand lithographierten Plakat kann das Schau-
fensterarrangement durch eine gewisse grosszügige
Flächenverteilung und beschränkte Farbenauswahl
unsere Aufmerksamkeit auf sich lenken. Je nach der
Art des betreffenden Geschäftes und dem Charakter
des Artikels kann eine schreiende Fernwirkung er-
strebt werden, oder aber einem feiner durchgeführten
Innenplakat vergleichbar, kann auch eine diskretere
und zartere Note angeschlagen werden.
Auch nach der Art, wie es uns in der Malerei
so häufig Stimmungsgemälde und Stillleben zeigen,
kann man verfahren. Man dekoriert im wesentlichen
in einer Farbe, die man in vielen Schattierungen
nuanciert und giebt irgendwo einen harmonierenden
Kontrastton zur Steigerung noch bei. Diese Art, das
Gesamtarrangement in einem Grundton abzustimmen
ist verhältnismässig sehr leicht, aber vor allem sehr
dankbar, denn solche grosse Farbenwirkungen ver-
fehlen selten ihren Eindruck auf das Publikum. Auch
vor Geschmackslosigkeiten schützt diese Art am ehesten.
Eine etwa zu befürchtende übermässig grosse Ein-
tönigkeit wird dadurch vermieden, dass man Gegen-
stände aus verschiedenen Grundstoffen zusammenstellt.
Sammet, Seidenvelours, Seide, Wolle erscheinen selbst
gleichfarbig gehalten, doch noch durch ihren Lustre
oder ihren Korn nuanciert genug. Die Verschieden-
heit, wie sie das Licht aufsaugen oder reflektieren,
schafft unterschiedliche Töne genug.
Das Wichtigste ist ausser dem Masshalten in den
Farben überhaupt ein Masshalten in der Masse, die
man ausstellt. Der Hauptfehler liegt bei den meisten
Firmen noch darin, dass sie zu viel ins Fenster
packen. Der Ansicht des Kaufmannes, der irgendwo
als obersten Grundsatz aufstellte, dass das Schau-
fenster so viel zeigen soll, als es irgend zu zeigen
vermag, dass es ganz genau die Funktion haben soll,
die der Kommis hinter dem Ladentisch hat, kann ich
mich durchaus nicht anschliessen. Ich habe sogar gefun-
den, dass viele sich um den erhofften Erfolg bringen,
weil sie zu viel geben wollen. Beim letzten Schau-
fensterwettbewerb in Berlin geschah es, dass ein sehr
bedeutendes Herrenmodengeschäft einen ersten Preis
erhielt für ein Fenster, in dem verschiedenartige Jagd-
anzüge in stumpfem, grünbräunlichem Tone gehalten,
und im Vordergrund ein leuchtend roter Piqueur-
frack aufgestellt waren. Als das am nächsten Tage
veröffentlichte Urteil der Preisrichter von diesem
Fenster hervorhob, wie kühn und glücklich der rote
Frack in den Grundton der übrigen Anzüge hinein-
gestimmt war, hatte der betreffende Dekorateur des
Geschäfts nichts Eiligeres zu thun, als noch einen
zweiten gleich roten Frack mit in das Fenster hinein-
zuthun. Der Mann hatte also offenbar keine Ahnung
TAPETENMUSTER UND VOR-
SATZPAPIER VON ARCHITEKT
M. A. NICOLAI, DRESDEN