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SCHAUFENSTERKUNST
tisch betrachtet,
den Vorteil, dass
der Spazier-
gänger schon in
gewisser Entfer-
nung die Aus-
bauchung des
Fensters sieht,
und dass er, wenn
er an die drei
Seiten herantritt,
die ausgestellten
Waren eventuell
von ebensoviel
Seiten betrachten
kann. Künstle-
risch tritt als
Fassung des nach
drei Seiten schil-
lernden Glases
das blinkende
Messing, das, nun
frei den konstruk-
tiven Aufbau betonend, sich auf die rein sachliche
Schönheit beschränkt. Hierzu kommt dann die Laden-
thür mit einem sich organisch entwickelnden Messing-
beschlag, der die Angeln, Klinken und Schlösser be-
tont und über das Ganze baut sich ein einfaches,
klar gezeichnetes Firmenschild mit möglichst wenig
verschnörkelter Schrift.
Die in Berlin erscheinende Fachzeitung »Das
Schaufenster«, von der auch die Anregung zu den
beiden im Vorjahre dort stattgehabten Schaufenster-
wettbewerben ausging, hat sich nach dem zweiten
derselben auf meine Veranlassung an verschiedene
Kunstkenner gewandt mit der Bitte um ihre Ansichten
über die neue, in Fluss gebrachte Bewegung. Einige
dieser mir im Original vorliegenden Bescheide mögen
hier am Schluss meiner Betrachtung Veröffentlichung
finden. Direktor A. Lichtwark-Hamburg schreibt:
»Die Bestrebungen des Komitees für den Schaufenster-
wettbewerb scheinen mir ungemein wichtig, und ihr
Ziel ist so einleuchtend, dass es zu seiner Recht-
fertigung keines Wortes bedarf. Auch ich habe mich
schon Vorjahren über die Bedeutung des Schaufensters
für die Erziehung des Auges eingehend geäussert.«
Professor Alfred G. Meyer, der bekannte Kunst-
historiker, äusserte sich: »Sie fragen nach meiner
Meinung über Ihre Bestrebungen, das Schaufenster
künstlerisch zu heben. Dass diese Bestrebungen er-
wünscht und lohnend sind, wird niemand leugnen, —
mit besonderer Freude aber wird sie jeder begrüssen,
dem die »Erziehung zur Kunst« Beruf ist.
Schaufensterkunst ist Strassenkunst, wie Plakatkunst.
Sie vermag wie diese den Geschmack aller Bevölke-
rungsklassen zu verderben oder zu heben. Vor allem
wird der Farbensinn berührt — und bisher noch
gar zu oft beleidigt. Ich glaube aber auch, dass in
viel allgemeinerem Sinn die Fähigkeit, aus gegebenen
Stücken ein gefälliges Ganzes herzustellen, unmerklich
und doch wirksam durch gute Schaufensterdekoration
unterstützt werden kann. Manche Anregung vermag
von dort aus selbst in unser Heim dringen!
Aber noch mehr: Die neue Bestrebung hat meines
Erachtens selbst einen gewissen »ethischen« Kern:
»Sich selbst und das Seine zur Geltung zu bringen -
ohne sich vorzudrängen, und innerhalb der von der
Vornehmheit diktierten ungeschriebenen Gesetze«, das
ist auch Lebenskunst.
Also ich wünsche Ihren Bestrebungen den besten
Erfolg.«
Als dritte Antwort lasse ich die vom Baurat Pro-
fessor Messet eingegangene folgen: »Jedes Unternehmen,
welches darauf hinzielt, künstlerische Momente in den
Wirkungskreis des Kaufmannes zu tragen, ist mit
grosser Freude zu begrüssen. Kein Stand ist so be-
fähigt und berufen, auf den Geschmack der grossen
Masse zu wirken, als der des Kaufmannes. Der grosse
Beifall, welchen das Publikum der Bethätigung künst-
lerischer Bestrebungen der Geschäfte entgegenbringt,
beweist, wie sehr dieselben im beiderseitigen Interesse
liegen.«
Dies mag genügen, um jeden zu überzeugen, dass
hier, wie ich anfangs sagte, ein grosses Feld der Be-
thätigung für Künstler und Kaufmann offen liegt.
Möchten recht viele zur Weiterentwickelung der
Schaufensterkunst in oben ausgeführtem Sinne bei-
tragen !
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VORSATZPAPIER UND WANDSCHIRM ENTWORFEN
VON ARCHITEKT M. A. NICOLAI, DRESDEN