DIE DRESDNER AUSSTELLUNGEN 1903
217
Die Stadt Dresden erliess einen Wettbewerb um
Entwürfe zum Schmuck der neuen Carolabrücke, der
Mozartverein einen intimeren unter drei dazu aufge-
forderten Künstlern, um ein Mozartdenkmal, der Staat
Bahnen. Damit ist natürlich nicht entfernt gesagt,
dass sie irgendwie direkt nachahmen und abschreiben.
Eine Schreitmüller'sche zweifarbige Lindenholzbüste
»Nonne« steht aber deutlich unter dem Einfluss der
»Alten« von Stephan Sinding, ein kleines Marmor-
werk desselben Künstlers erinnert ebenso, technisch,
an Rodin; ein farbiges Majolikarelief »Mutter und
Kind« von Hudler hat zum Paten Charpentier's
»Bäcker«, drei hässlich-komische Masken von Paschold
den feinfühligen Steinformer Jean Carries, ein Stein-
schleuderer von Paul Moye - - Konstantin Meunier;
kleine feine Silber- und Bronzestatuetten erinnern eben-
falls an Vorbilder von Franzosen.
Durch diese naheliegenden Vergleiche wird indessen,
das soll nochmals ausdrücklich betont werden, die
eigene Leistungsfähigkeit unserer heimischen Künstler
nicht beeinträchtigt: im Gegenteil! Und es giebt auch
viele vortreffliche Werke von ihnen, die ein völlig
selbständiges starkes Können erweisen.
Gleich indem wir die »Sächsische Kunstausstellung«
BUTTERDOSE UND
SAHNENOIESSER IN SIL-
BER, ENTW. VON HANS
UNOER, SCHLIESSE UND
MANSCHETTENKNOPF,
ENTW. VON ERICH
KLEINHEMPEL,AUSOEF.
VON GOLDSCHMIED
ARTHUR BERGER, DRES-
DENS. (GES. GESCH.)
Staat hat
einen dritten erheblich grösseren um
Klein- und Kabinettsplastiken, und der
Landtag stellte dafür 20000 Mark zur Ver-
fügung, und für ähnliche Zwecke weiter-
hin dieselbe Summe Jahr für Jahr. Da
stand mit einem Male die sächsische
Bildnerkunst vor der Probe: hie Rhodus
est, hie salta!
Die Zeit des Studierens und Probierens
ist nun vorbei und die sächsichen Künstler
haben die auf sie gesetzten Erwartungen
glänzend gerechtfertigt. Auf das staat-
liche Preisausschreiben allein gingen aus
42 Ateliers 132 Entwürfe ein, und der
davon sogleich 30 von 23 Urhebern um 18360 Mark
erworben. In der That ein treffliches Ergebnis. Diese
Arbeiten machen den Hauptteil der Plastikenkollektion
der jetzigen Sächsischen Kunstausstellung aus, die wir
sogleich betreten werden.
Um aber auf unserem Gedankengange zu bleiben,
so ist doch der dominierende Eindruck dieser: Jene
Veranstalter der grossen internationalen Kunstaus-
stellungen, jene Museumsdirektoren mit ihren viel-
bekritelten Ankäufen, hatten recht und thaten recht,
die sächsischen Plastiker bestätigen es ihnen nach-
mals mit der That. Sie haben von jenen Ausländern
und Auswärtigen viel gelernt und die Hervorragendsten
von ihnen wandeln sichtbarlich vielfach in deren
durch ein — wieder von Otto Gussmann!
— mit Majolikafliesen in leuchtenden
Farben prächtig umkleidetes Portal be-
treten, stehen wir übrigens vor den Haupt-
werken unserer hervorragendsten sächsi-
schen Bildhauer. Es ist im Vestibül, das
durch goldroten, gekörnten Putz einen
starken farbigen Reiz erhalten hat, und
dessen unten quadratische Form in mitt-
lerer Höhe durch den Dresdner Archi-
tekten Gräbner vermittels eines aparten
Frieses in oxydierter Bronze zum Achteck
übergeführt wurde. Inmitten blinkt in
einem einfach gehaltenen, weitrunden Brunnenbecken
ein Wasserspiegel als ein helles Auge. Die sämtlichen
Hauptplastiken dieses Vorraumes schufen aber be-
zeichnenderweise vier Leipziger Bildhauer. An der dem
Eintretenden gegenüber liegenden Wand flankieren die
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Die Stadt Dresden erliess einen Wettbewerb um
Entwürfe zum Schmuck der neuen Carolabrücke, der
Mozartverein einen intimeren unter drei dazu aufge-
forderten Künstlern, um ein Mozartdenkmal, der Staat
Bahnen. Damit ist natürlich nicht entfernt gesagt,
dass sie irgendwie direkt nachahmen und abschreiben.
Eine Schreitmüller'sche zweifarbige Lindenholzbüste
»Nonne« steht aber deutlich unter dem Einfluss der
»Alten« von Stephan Sinding, ein kleines Marmor-
werk desselben Künstlers erinnert ebenso, technisch,
an Rodin; ein farbiges Majolikarelief »Mutter und
Kind« von Hudler hat zum Paten Charpentier's
»Bäcker«, drei hässlich-komische Masken von Paschold
den feinfühligen Steinformer Jean Carries, ein Stein-
schleuderer von Paul Moye - - Konstantin Meunier;
kleine feine Silber- und Bronzestatuetten erinnern eben-
falls an Vorbilder von Franzosen.
Durch diese naheliegenden Vergleiche wird indessen,
das soll nochmals ausdrücklich betont werden, die
eigene Leistungsfähigkeit unserer heimischen Künstler
nicht beeinträchtigt: im Gegenteil! Und es giebt auch
viele vortreffliche Werke von ihnen, die ein völlig
selbständiges starkes Können erweisen.
Gleich indem wir die »Sächsische Kunstausstellung«
BUTTERDOSE UND
SAHNENOIESSER IN SIL-
BER, ENTW. VON HANS
UNOER, SCHLIESSE UND
MANSCHETTENKNOPF,
ENTW. VON ERICH
KLEINHEMPEL,AUSOEF.
VON GOLDSCHMIED
ARTHUR BERGER, DRES-
DENS. (GES. GESCH.)
Staat hat
einen dritten erheblich grösseren um
Klein- und Kabinettsplastiken, und der
Landtag stellte dafür 20000 Mark zur Ver-
fügung, und für ähnliche Zwecke weiter-
hin dieselbe Summe Jahr für Jahr. Da
stand mit einem Male die sächsische
Bildnerkunst vor der Probe: hie Rhodus
est, hie salta!
Die Zeit des Studierens und Probierens
ist nun vorbei und die sächsichen Künstler
haben die auf sie gesetzten Erwartungen
glänzend gerechtfertigt. Auf das staat-
liche Preisausschreiben allein gingen aus
42 Ateliers 132 Entwürfe ein, und der
davon sogleich 30 von 23 Urhebern um 18360 Mark
erworben. In der That ein treffliches Ergebnis. Diese
Arbeiten machen den Hauptteil der Plastikenkollektion
der jetzigen Sächsischen Kunstausstellung aus, die wir
sogleich betreten werden.
Um aber auf unserem Gedankengange zu bleiben,
so ist doch der dominierende Eindruck dieser: Jene
Veranstalter der grossen internationalen Kunstaus-
stellungen, jene Museumsdirektoren mit ihren viel-
bekritelten Ankäufen, hatten recht und thaten recht,
die sächsischen Plastiker bestätigen es ihnen nach-
mals mit der That. Sie haben von jenen Ausländern
und Auswärtigen viel gelernt und die Hervorragendsten
von ihnen wandeln sichtbarlich vielfach in deren
durch ein — wieder von Otto Gussmann!
— mit Majolikafliesen in leuchtenden
Farben prächtig umkleidetes Portal be-
treten, stehen wir übrigens vor den Haupt-
werken unserer hervorragendsten sächsi-
schen Bildhauer. Es ist im Vestibül, das
durch goldroten, gekörnten Putz einen
starken farbigen Reiz erhalten hat, und
dessen unten quadratische Form in mitt-
lerer Höhe durch den Dresdner Archi-
tekten Gräbner vermittels eines aparten
Frieses in oxydierter Bronze zum Achteck
übergeführt wurde. Inmitten blinkt in
einem einfach gehaltenen, weitrunden Brunnenbecken
ein Wasserspiegel als ein helles Auge. Die sämtlichen
Hauptplastiken dieses Vorraumes schufen aber be-
zeichnenderweise vier Leipziger Bildhauer. An der dem
Eintretenden gegenüber liegenden Wand flankieren die