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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 14.1903

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Brinckmann, Justus: Allerlei von Fälschungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4359#0246

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ALLERLEI VON FÄLSCHUNGEN

Museums, sei es als privater Sammler, schämt sich in
den meisten Fällen des öffentlichen Eingeständnisses
seines Irrtums, schweigt und verspricht sich, das
nächste Mal vorsichtiger zu sein. Die Museen, ob-
wohl auch ihnen bittere Erfahrungen nicht erspart
bleiben, sind in der Mehrzahl aus naheliegenden
Gründen besser daran und wissen sich wechselseitig
zu helfen. Der private Sammler aber erkennt oft
niemals, wie er betrogen worden, und erst seine
Erben erfahren davon, wenn Prachtstücke der hinter-
lassenen Sammlung beim öffentlichen Verkauf nicht
so viele Hunderte bringen als sie mit Tausenden zu
Buche stehen. Dann aber ist's zu spät, und der
Verkäufer, auch wenn er bekannt, ist nicht mehr zu
fassen. Nicht ein Geldinteresse allein steht dabei auf
dem Spiele, auch die Wissenschaft wird durch Fäl-
schungen gefährdet, wenn auch zum Glück nicht auf
die Dauer. Beispiele genug Hessen sich anführen, dass
Falschsachen als echte Dokumente alten Kunstgewerbes
in Lehr- und Handbüchern und Zeitschriften vorge-
führt werden, die Lernenden täuschen und kommenden
Geschlechtern eine sehr massige Vorstellung von der
Gründlichkeit der Kunstwissenschaft unserer Tage
übermitteln. Gefährlich sind besonders solche Fäl-
schungen, die an und für sich kunstvoll gearbeitet, durch
Wappen und Inschriften eine bestimmte Herkunft be-
kunden und im Vertrauen auf die Echtheit dieser Her-
kunft in privaten Besitz der Nachkommen des Vor-
fahren gelangen, auf den Wappen und Beischriften
hinwiesen, als Familiengüter gehütet werden, danach
aber, oft erst nach langen Jahren, als alter Familien-
besitz gutgläubiger Eigentümer wieder in den Handel
gebracht werden. Nur eine Wahrheit giebt es, aber
oft hält es doch schwer, mit den Gründen der Wissen-
schaft ihr zum Siege zu verhelfen gegen derartige
Herkunftsbekundungen gefälschter Altsachen, zumal
nicht erst seit einem Jahrzehnt, sondern seit mehr
denn einem halben Jahrhundert das Fälscherhandwerk
blüht, nicht zu gedenken einiger Gebiete, in denen es
auf eine weit längere Thätigkeit zurückblickt.

In besonders schreienden Fällen wird sich durch
strafrechtliches Vorgehen wohl ein Exempel statuieren
lassen, im allgemeinen aber darf man davon nicht
viel erwarten, so lange das Fälschen an und für sich
so wenig strafbar ist wie das Lügen. In der Praxis
erscheint der wirkliche Fälscher zumeist als ein ebenso
harmloser und unangreifbarer Gesell, wie jener Odessaer
Goldschmied, dem das Louvremuseum die goldene
Tiara verdankt. Man hat ja nur nach schönen alten
Vorbildern oder auf Bestellung nach gelieferten Ent-
würfen neue Kunstwerke geschaffen, ohne daran zu
denken, jemand könne so schlecht sein, diese arglistig
als Altsachen auf den Markt zu bringen. Dieser
Jemand aber hat, wenn er gefasst wird, die Sachen
irgendwo gekauft im Vertrauen auf ihre Echtheit, ist
dieses Vertrauen zu beschwören bereit und versichert,
wenn's ganz schief geht, harmlos, er sei ja kein
Kenner, sondern selber ein Betrogener, er habe gut-
gläubig die von ihm für alt gehaltenen Sachen als
solche weiter gegeben.

Nur ein Mittel giebt es, uns gegen die wissen-
schaftlichen und finanziellen Nachteile zu schützen,
mit denen die Künste und Kniffe der Fälscher uns
bedrohen: mehr zu lernen, mehr zu wissen als diese;
der unser eigenes Urteil einschläfernden »Garantie der
Echtheit« nicht mehr zu trauen als unserer persön-
lichen Überzeugung, aber auch nie zu glauben, nun
wüssten wir alles und seien hieb- und schussfest,
sondern weiter zu lernen mit ernstem Bemühen an
jedem Tage. Das gilt für jeden Sammler, möge er
nur zu eigenem Vergnügen kaufen oder in verant-
wortlicher Stellung der Wissenschaft und der Allge-
meinheit dienen.

Hamburg, Juli 1903. JUSTUS BRINCK.MANN.

Anmerkung: Sämtliche diesem Artikel beigegebene
Abbildungen stellen gefälschte Altsachen vor, wie sie Herr
J. Petrj vertreibt, teils Stücke aus Museen, teils solche, die
durch Versteigerungen an die Öffentlichkeit gelangten, teils
solche, die er vor kurzem noch feilbot. J. B.

(^ S.twwifM-,
 
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