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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 18.1906-1907

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4869#0050

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42

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

LEIPZIGER VEREINIGUNG FÜR ÖFFENTLICHE
KUNSTPFLEGE

(Schluß)

Der Vorstand besteht aus Architekt Baurat Weiden-
bach (B. D. A.) als Vorsitzender, Rechtsanwalt Lebrecht
als stellvertretender Vorsitzender, Regierungsbaumeister
Baer als Schriftführer, Dr. Kurzwelly als stellvertretender
Schriftführer. Die Gesamtzahl der Mitglieder soll 35 nicht
überschreiten, und zwar um einerseits die Tätigkeit der
Vereinigung, schnelle gegenseitige Verständigung und Be-
schlußfassung nicht zu beeinträchtigen, sowie alle Ver-
wallungsgeschäfte usw. möglichst zu verringern, um an-
dererseits eine Verschiebung des Gleichgewichts der
verschiedenen Interessengruppen und eine einseitige Be-
einflussung der Tätigkeit der Vereinigung zu verhindern.
Es kann ja auch angenommen werden, daß jeder, der
sich für die Ziele der Vereinigung interessiert, einem
der in ihr vertretenen 17 Vereine angehören wird. Es
steht außerdem auch jedem außerhalb Stehenden frei,
direkt Vorschläge, Wünsche und Anregungen dem Vor-
stand zur weiteren Behandlung zu unterbreiten. Es kann
ja nun Befremden erregen, daß in der Vereinigung auch
mehrere Vereine vertreten sind, denen künstlerische In-
teressen etwas ferner liegen. Es ist aber hierbei die Er-
wägung maßgebend gewesen, daß durch eine Beteiligung
an den Bestrebungen der Vereinigung am ehesten Ver-
ständnis und Interesse für dieselben in jenen Kreisen erweckt
werden kann, deren Mitarbeit höchst wünschenswert ist,
da sie ja bei vielen Angelegenheiten einerseits am meisten
in Frage kommen (wie z. B. die Hausbesitzer), andererseits
aber in der Bürgerschaft und der Stadtvertretung einen
oft ausschlaggebenden Einfluß besitzen. Schließlich ist
auch zu bedenken, daß bei allen Baufragen nicht nur
künstlerische Gesichtspunkte maßgebend sein können, son-
dern auch die praktischen Erfordernisse berücksichtigt
weiden müssen, soll nicht die Ausführung auf unüber-
windliche Hindernisse stoßen. Durch die Zusammen-
setzung der Vereinigung ist nun von vornherein die Ge-
währ geboten, daß allen Beschlüssen und Maßnahmen
Erörterungen in verschiedenster Hinsicht vorangehen.

Zur Erläuterung der Ziele der Vereinigung seien fol-
gende Sätze aus dem Arbeitsprogramm angeführt:

»Die Aufgabe der Vereinigung soll eine doppelte sein.
Einerseits will sie in Leipzig einen Mittelpunkt bilden für
die Bestrebungen, die man gegenwärtig unter dem Namen
Denkmalpflege und Denkmalschutz zusammenfaßt.

Die Vereinigung will also darauf hinwirken, daß künst-
lerisch und geschichtlich wertvolle ältere Gebäude, solange
und so gut als es irgend möglich ist, erhalten und Ab-
änderungen nur in dringenden Fällen und unter möglichster
Schonung des Vorhandenen vorgenommen werden, daß
ferner bei einer notwendig erscheinenden Erweiterung oder
Vermehrung der alten Verkehrsräume (Straßenverbreite-
rungen, Straßendurchbrüchen) jede Übertreibung vermieden
und das alte Straßennetz möglichst gewahrt werde, daß
endlich bei allen Neubauten, die an Stelle abgebrochener
älterer Häuser errichtet werden sollen, wenigstens soviel
auf die Umgebung Rücksicht genommen werde, daß die
altertümliche Schönheit des Straßenbildes nicht beein-
trächtigt wird, sondern das Neue sich in seiner äußeren
Erscheinung dem Alten harmonisch einfügt.

Wie die Vereinigung das gute und schöne Alte schützen
und erhalten will, so will sie andererseits auch alles gute
und schöne Neue fördern und selbst dazu anregen. Sie
will also auch darauf hinwirken, daß bei der Anlegung
neuer Stadtteile oder Straßen, bei der Errichtung von Neu-

bauten in neuen Stadtteilen, namentlich wenn es sich um
hervorragende und voraussichtlich tonangebende Gebäude
handelt, ferner bei der Schaffung neuer Verkehrsanlagen
(Eisenbahnen, Uferbauten, Brücken und dergleichen), endlich
auch bei der Schaffung neuer Garten-, Park- und Friedhofs-
anlagen, bei der Aufstellung von Denkmälern und Brunnen
nach höheren, künstlerischen Gesichtspunkten verfahren
und höheren, künstlerischen Ansprüchen genügt werde.
Diese doppelte Aufgabe zu erfüllen und die Bestrebungen
der Vereinigung in die Tat umzusetzen, dazu soll die zu
bildende ständige Kunstkommission dienen.

Demnach wird vorgeschlagen, die Kunstkommission aus
folgenden zwölf Mitgliedern zusammenzusetzen:

1. dem Stadtbaurat des Hochbauamtes,

2. dem Dezernenten des Baupolizeiamtes,

3. und 4. zwei Stadtverordneten,

5. dem Direktor des Ratsarchivs,

6. und 7. den Direktoren des Städtischen Museums und
des Städtischen Kunstgewerbemuseums,

8.—12. fünf Mitgliedern der Vereinigung für öffentliche
Kunstpflege.

Zur Vereinfachung und Beschleunigung der Tätigkeit
der Kommission wird die Anstellung eines besonderen
Kunstkommissars ins Auge gefaßt, der der Kommission
als ständiges Mitglied anzugehören, alle minder wichtigen
Sachen aber selbständig zu entscheiden und nur die wich-
tigeren in die Kommission zur Beratung zu bringen hätte.

Mit der Schaffung und regelmäßigen Ergänzung der
Kunstkommission soll aber die Tätigkeit der Vereinigung
nicht erschöpft sein. Die Vereinigung will die Arbeit
der Kommission unausgesetzt begleiten und unterstützen.

Das gedenkt sie dadurch zu tun, daß sie alle in ihre
Bestrebungen einschlagenden Anregungen, Wünsche und
Vorschläge, die unter ihren Mitgliedern oder in den Kreisen
der Bürgerschaft laut werden, berät und in geeigneten
Fällen der Kommission oder den zuständigen Behörden
zur Kenntnis bringt, ferner dadurch, daß sie Teilnahme
und Verständnis für die Ortsgeschichte, insbesondere für
die örtliche Kunstgeschichte, und für die Fragen und Auf-
gaben des Städtebaues und der Stadiverschönerung in die
weitesten Kreise zu tragen bemüht ist, namentlich durch
Aufsätze in der Tagespresse, durch öffentliche Vorträge
und durch Besprechungen in den Vereinen, deren Abge-
ordnete der Vereinigung angehören.

Sollte sich herausstellen, daß den Bestrebungen der
Vereinigung und der Tätigkeit der Kommission durch die
bestehenden staatlichen oder städtischen gesetzlichen Be-
stimmungen unüberwindliche Hindernisse bereitet werden,
würde der Vereinigung von selbst die Aufgabe zufallen,
mit allen zu Gebote stehenden Mitteln auf die Abänderung
oder Ergänzung dieser Bestimmungen hinzuwirken.«

Die Vereinigung hat nun zunächst an den Rat der
Stadt Leipzig die Bitte gerichtet, die Errichtung einer
städtischen Kunstkommission nach den vorstehenden Vor-
schlägen in die Wege zu leiten. Der erste Schritt zur
Erfüllung der idealen Aufgabe ist damit getan. Es wird
unermüdlicher Arbeit und viel hingebender Liebe zur
Sache bedürfen, bis das schöne Ziel erreicht ist und nicht
wird man schnelle Erfolge erwarten dürfen. Hoffen wir,
daß auf der mühevollen Bahn die Kräfte und der gute
Wille aller Mitarbeiter nicht erlahmen, sondern zum Siege
führen, denn es winkt ein Lohn, »des Schweißes der
Edlen wert!« ./. baer.

VERMISCHTES

Die Karlsruher Ausstellungen. Zu unserem Bericht
über diese mit dem Jubiläum des Großherzogs zusammen-
 
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