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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 19.1908

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Graul, Richard: Neue Organisationen: zur Förderung von Kunst und Gewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.4882#0051

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NEUE ORGANISATIONEN

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einfachsten Arbeit gestalten zu lernen. Ich denke, wenn
etwa die erste Periode dieser Tätigkeit vorüber sein
wird, etwa nach vier Jahren, werden wir sehen, daß
von den 11 ooo Lehrlingen der Stadt München etwa
10000 künstlerisch unbrauchbar sind und daß das letzte
Tausend geistig und künstlerisch begabt ist, weiter
fortzuschreiten. Diese Tausend werden dann die Schule
verlassen und werden unter der Hand und Führung
derjenigen Meister und Gesellen, welche die Werk-
stätte geleitet haben, ausgesucht und alle einzelnen
herausgenommen, die fähig und wert sind, weiter-
entwickelt zu werden. Es wird damit also gewisser-
maßen ein Selektionssystem geschaffen sein, in welches
nun andere Schulen, etwa die Kunstgewerbeschulen,
eingreifen können«. Die so Vorgebildeten werden
dann diejenigen sein, die einer weiteren Entwickelung
fähig und künstlerischer Befruchtung zugänglich sind.
Auf diesem Wege der allmählichen Auslese scheint
wirklich ein Weiterkommen zu sein. Möchte nur
Kerschensteiners Vorgehen auch an anderen Orten,
wo die Beglückung mit Kunstunterricht meist wahllos
alle und jeden trifft, die Beachtung finden, die ihr
gebührt !j

Die Auszüge aus den Reden Schumachers und
Kerschensteiners beweisen zur Genüge, auf wie breite
Grundlage sich der Werkbund stellt, denn er führt
im Großen weiter, was die Sächsische Landesstelle
für die engeren kunstgewerblichen Bedürfnisse Sach-
sens beabsichtigt. Wie der Schriftführer des Bundes,
Dr. Wolf Dohrn aus Dresden, schon auf der Münchener
Tagung ausführte, wird der Werkbund die Pflege
lokaler Interessen wohl unterstützen, vor allem aber
durch die strenge Wahl seiner Mitglieder dahin zu
wirken suchen, daß in diesen der alle einende Bundes-
gedanke: »ein Wille zur Qualität«, lebendig sei. Der
Bund will überzeugte Männer vereinen, Männer, die
das gleiche hohe Ziel einer wachsenden künstlerischen

Kultur beseelt und die entschlossen sind, auch dem
Volke ein Recht auf Qualität zu erkämpfen.

Die Auslese neuer Mitglieder liegt in den Händen
eines von den Gründern des Werkbundes gewählten Aus-
schusses von Vertrauensmännern und die Ausarbeitung
der Bundessatzung ist in die Hände eines besonderen
vorbereitenden Ausschusses gelegt. So wird eifrig
und mit Hingebung an dem Ausbau des Werkbundes
zu einer ganz Deutschland überspannenden Organi-
sation gearbeitet. Und die Namen der bis jetzt auf
den Bund eingeschworenen Mitglieder bürgen dafür,
daß ganze Arbeit getan werden wird.

Es ist ein Vorgehen ohne Zaudern und Zagen,
ein Appellieren an alle, die es angeht. Die Idee,
die den Werkbund beseelt, ist ja so einfach und
klar, in ihren kulturellen, sozialen, praktischen
Folgerungen so fruchtbar und reich, daß sie nicht
nur in den Werkstätten der Künstler oder im Studio
der gelehrten Anwälte der modernen Kunst sich
heimisch fühlt, sondern sie will eindringen in die
weifen Hallen der Fabriken und Warenhäuser, in die
Kabinette der Kommerzien- und anderen Räte.

Dann erst, wenn der neue Geist überall bei hoch
und niedrig zu wirken beginnt, ist eine Gesundung
unseres Kunstgewerbes und unserer Geschmacksbildung
im fortschrittlichen Sinne zu erwarten. Dann erst
wird die Grundlage gegeben sein, auf der sich eine
nationale Art des Geschmacks und mithin die Mög-
lichkeit eines selbständigen und im Wettbewerb der
Völker anerkannten Stils moderner und deutscher
Prägung einmal entwickeln kann.

Das sind gewiß große und edle Ziele, weite
Pläne, aber weil sie hervorgehen aus einer mächtigen
Sehnsucht nach einer harmonischen Kultur — und
weil sie mit all dem Ernst angefaßt werden, den
unsere wirtschaftliche Lage erfordert, werden alle
wohlmeinenden und einsichtigen Schätzer unserer
jungen künstlerischen Kraft die Sache des Werkbundes
zu ihrer eigenen machen.

Brosche von R. Kovvarzik, Pforzheim

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