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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 19.1908

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Vollmer, Hans: Die Buchbindekunst der alten Meister: Ausstellung des deutschen Buchgewerbevereins im Leipziger Buchgewerbe-Museum. Oktober - November 1907
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4882#0052

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DIE BUCHBINDEKUNST DER ALTEN MEISTER

AUSSTELLUNG DES DEUTSCHEN BUCHOEWERBEVEREINS IM LEIPZIGER BUCHGEWERBE-
MUSEUM. OKTOBER—NOVEMBER 1907
Von Dr. Hans Vollmer

DIE Buchbindekunst war nicht immer eine so
populäre Kunst wie heute, populär in dem
Sinne, daß mehr oder weniger jeder zu ihrer
Beschäftigung beisteuert. Erst mit der wachsenden
Bücherproduktion seit dem 14. Jahrhundert und
namentlich seit der Erfindung Gutenbergs, die an die
Stelle des kostbaren nur einmal existierenden hand-
geschriebenen Buches das auf maschinellem Wege
hergestellte wohlfeile gedruckte Buch setzte, konnte
auch der Buchbindekunst ein entsprechend größeres
Absatzgebiet sich eröffnen. Sobald eine kleine Biblio-
thek jetzt auch für den weniger Bemittelten ein er-
schwinglicher Besitz wurde, was naturgemäß eine
rapid anschwellende Bücherverbreitung zur Folge
hatte, war auch die Buchbindekunst genötigt, durch
Benutzung wohlfeilerer Materialien eine allgemeine
Verbilligung des Bucheinbandes heraufzuführen: die
kostbaren mittelalterlichen Metall- und Elfenbeinbuch-
deckel, die oft noch mit Perlen und Edelsteinen förm-
lich besät waren, verschwinden, und an ihre Stelle
tritt der Lederband, der seine Herrschaft durch fast
vier Jahrhunderte hindurch unbestritten behaupten und
erst in jüngster Zeit in dem billigeren Leinenband
einen gefährlichen Konkurrenten finden sollte.

Über diesen 400 Jahre umfassenden Abschnitt der
Geschichte des Bucheinbandes gibt die vom deutschen
Buchgewerbeverein veranstaltete Ausstellung der Buch-
bindekunst der alten Meister eine glänzende und selten
gründliche Übersicht. Nach chronologischen und
geographischen Gesichtspunkten geordnet, umfaßt die
Sammlung fast 300 durchweg gut, zum Teil aber
tadellos erhaltene, meist für ihre Zeit typische Origi-
naleinbände. Daran schließt sich eine Ausstellung
alter Buntpapiere an, über deren Herstellungsverfahren
wöchentliche praktische Vorführungen unterrichten,
wie denn die gesamte Ausstellung einen eminent
praktischen, instruktiven Charakter trägt, indem nicht
nur der Effekt, sondern auch das Zustandekommen
desselben durch Auslagen von Beispielen der haupt-
sächlichsten Werkzeuge des Buchbinders wie Stempel,
Rolle, Filete, von Lederproben in den verschiedenen
Stadien der Bearbeitung usw. gezeigt wird.

Den Grundstock der Einbandabteilung bildet die
schöne Sammlung Dr. Becher in Karlsbad. Die zur
Komplettierung des historischen Bildes notwendigen
Ergänzungen bringen die Schätze der Bibliotheken
in Berlin, Dresden, Darmstadt, Gotha, Kassel, der
Universitätsbibliotheken von Marburg und Leipzig und
endlich der Bibliothek des Börsenvereins deutscher
Buchhändler in Leipzig.

Da die Auswahl der Einbände sich auf spezifische
Buchbindearbeiten beschränkt, so setzt die Ausstellung
füglich erst bei dem späten Mittelalter ein. Bis dahin
spielt der Buchbinder eine nur untergeordnete Rolle

— der kirchliche Prachtband des frühen Mittelalters
ist in der Hauptsache Erzeugnis des Goldschmiedes
und Elfenbeinschnitzers — erst seit dem 15. Jahr-
hundert tritt er für die eigentliche Verzierungsarbeit
des Buchdeckels in Aktion. Der älteste deutsche
Einband der Ausstellung ist ein stattlicher schwer-
fälliger Nürnberger Foliant vom Jahre 1453 aus dem
Besitz des Leipziger Buchgewerbemuseums, einer von
den fünf berühmten, von dem Dominikanermönch
Conrad Forster angefertigten Einbände, der namentlich
durch seine wunderbare Erhaltung hervorsticht (Abb. 1).
Die Technik ist die der sogenannten Blindpressung,
d. h. einer Verzierung des Leders durch eingepreßte
Stempel unter Verzicht auf Gold- und Farbenauftrag.
Die Fläche des Deckels zeigt eine mit dem Streich-
eisen eingedruckte Lineatur in der Form von regel-
mäßigen rautenförmigen Feldern; rings herum läuft
eine aus einzelnen Buchstabenstempeln zusammenge-
stellte Inschrift, die den Namen des Verfassers des
Einbandes und das Datum der Herstellung nennt.
An den vier Ecken und in der Mitte durchbrochene
Metallbeschläge mit starken Buckeln, die den Buch-
deckel fußartig stützen und so das Leder vor Reibung
schützen. Auch die Metallstücke an den Enden der
beiden Schließen fehlen nicht, so daß dieses schöne
Exemplar eine vollkommene Vorstellung von dem
Typus des mittelalterlichen Ledereinbandes in Blind-
pressung gibt. Der mittelalterliche Lederschnittband
ist durch zwei gute Spezimina aus der Dresdener und
Marburger Bibliothek repräsentiert, von denen nament-
lich letzteres durch die figürliche Ornamentation seines
Oberdeckels — einen hl. Hieronymus mit seinem
Löwen — interessant ist. Die Vorzeichnung, der das
Messer des Lederschneiders nicht überall genau ge-
folgt ist, läßt sich hier noch deutlich erkennen. Für
Bucheinbände wurde die Lederschnittechnik bekannt-
lich bald verdrängt durch das Verfahren der Blind-
pressung mit Stempeln, das, weniger mühselig, als
Druckverfahren dazu eine dem Buchdruck selbst mehr
analoge Technik darstellte. An einer Reihe charak-
teristischer deutscher Einbände der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts kann man die reichen Variationen
in der Ornamentierung studieren. Da ist der elegante
Folio aus der Bibliothek des Börsenvereins d. Buch-
händler (Abb. 2), dessen Oberdeckel mit einem Netz
rautenförmiger, kielbogenartig geschwungener Felder
bedeckt ist, ein dem gotischen Granatapfelmuster
nachgebildetes Ornament, das häufig auf deutschen
Einbänden dieser Zeit anzutreffen ist. Dieselbe De-
koration zeigt ein Band der Sammlung Becher, der
noch besonders interessant ist, weil er einen soge-
nannten Halbeinband, den Vorläufer unseres Halb-
franzbandes, darstellt; nur die eine Hälfte des Deckels
ist mit Leder überzogen, die andere läßt die glatte
 
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