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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 19.1908

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Stettner, Thomas: Ein Stück Selbstbiographie Bernard Palissys
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https://doi.org/10.11588/diglit.4882#0164

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EIN STÜCK SELBSTBIOGRAPHIE BERNARD PALISSYS

durch ich noch mehr ermutigt wurde nach dem
weißen Email zu forschen, für das ich schon so viel
gearbeitet hatte.

Was die anderen Farben anlangt, so machte ich
mir ihretwegen keinerlei Sorge. Die geringe Spur,
auf die ich damals kam, ließ mich noch zwei Jahre
lang arbeiten, um das erwähnte Weiß zu finden.
Während dieser zwei Jahre kam und ging ich un-
ausgesetzt zu den nächsten Glashütten, bestrebt, end-
lich zu meinem Ziele zu gelangen. Als ich anfing,
den Mut zu verlieren und um einen letzten Versuch
zu machen, mit einem Manne, dem ich mehr als
300 verschiedene Proben mitgab, in eine Glashütte
ging, wollte es Gott, daß eine dieser Proben bereits
vier Stunden, nachdem sie in den Ofen gelegt wor-
den war, schmolz. Diese Probe wurde weiß und
glänzend und machte mir derartige Freude, daß ich
mir wie neugeboren vorkam. Ich glaubte damals
das weiße Email in seiner ganzen Vollkommenheit
gefunden zu haben. Aber hiervon war ich noch weit
entfernt: dieser Versuch war für mich einerseits ein
großes Glück, aber andererseits auch ein großes Un-
glück. Ein Glück insofern, als er den Anfang zu
dem bildete, was ich später geworden bin, dagegen
ein Unglück, weil meine Stoffe nicht in dem nötigen
Verhältnis gemischt waren. Ich war damals so sehr
dumm, daß ich sofort, nachdem ich das Weiß,
welches wunderschön war, hergestellt hatte, irdene
Gefäße anfertigte, obwohl ich die Tonerde bis dahin
nicht gekannt hatte. Nachdem ich zur Anfertigung
dieser Gefäße sieben oder acht Monate gebraucht
hatte, ging ich daran einen ähnlichen Ofen zu bauen,
wie diejenigen der Glashütten. Ich baute ihn mit
unbeschreiblicher Mühe, denn ich mußte alles allein
mauern, mußte meinen Mörtel selbst anrühren und
mir dazu das Wasser selbst heraufziehen, auch mußte
ich selbst die Ziegel auf dem Rücken herzuholen,
weil ich keine Mittel hatte, mir einen Mann zu halten,
der mir bei dieser Arbeit hätte helfen können. Ich
erhitzte meine Gefäße, um ihnen den ersten Brand
zu geben; aber als ich sie zum zweiten Male brannte,
hatte ich so viel Verdruß und Mühe, wie niemand
glauben kann. Anstatt mich von meiner gehabten
Anstrengung ausruhen zu können, hatte ich länger
als einen Monat Tag und Nacht zu arbeiten, um die
Materien, aus welchen ich das schöne Weiß im Glas-
ofen hergestellt hatte, zu zerstoßen. Als ich diese
Materien zerstoßen hatte, bestrich ich damit die von
mir gefertigten Gefäße und machte, wie ich es in
den Glashütten gesehen hatte, in meinem Ofen durch
zwei Schürlöcher Feuer. Ich schob alsdann meine
Gefäße in diesen Ofen und glaubte, daß die Emaille,
mit denen ich dieselben bestrichen hatte, schmelzen
werde: Dies war aber eine unglückliche Sache für
mich, denn obwohl ich sechs Tage und sechs Nächte
vor dem Ofen stand und unausgesetzt durch die
beiden Schürlöcher Holz verbrannte, war es nicht
möglich, das Email zum Schmelzen zu bringen. Ich
war in Verzweiflung. Von dieser Arbeit ganz be-
täubt, sagte ich mir, daß in meinem Email zu wenig
von demjenigen Stoff enthalten sei, welcher die an-

deren zum Schmelzen bringt, und infolgedessen zer-
stieß und zerrieb ich diesen Stoff, ohne daß ich je-
doch meinen Ofen kalt werden ließ. Auf diese Weise
hatte ich doppelte Mühe, denn ich mußte zu gleicher
Zeit zerstoßen, zerreiben und den Ofen heizen. Nach-
dem ich so mein Email gemischt hatte, war ich ge-
nötigt, noch Töpfe zu kaufen, um das Email zu pro-
bieren, denn sämtliche von mir gefertigten Geschirre
waren unbrauchbar geworden. Ich belegte die Stücke
mit dem Email, schob dieselben in den Ofen und
unterhielt fortgesetzt ein starkes Feuer. Dabei hatte
ich aber ein anderes Mißgeschick, welches mir großen
Ärger bereitete; weil ich nämlich Holz brauchte, sah
ich mich gezwungen, die Pfähle zu verbrennen, an
denen die Gewächse meines Gartens angebunden
waren, und als dieselben verbrannt waren, mußte ich
auch noch die Tische und Dielen meines Hauses
verbrennen, um die zweite Mischung zum Schmelzen
zu bringen. Ich war in einer derartigen Angst, daß
ich's Dir nicht sagen kann, denn infolge der Arbeit
und der Hitze des Ofens war ich ganz erschöpft und
abgezehrt.

Länger als einen Monat hindurch war mein Hemd
an mir nicht trocken geworden und, statt mich zu
trösten, machte man sich über mich lustig. Diejenigen,
welche mir hätten beistehen sollen, verbreiteten in
der Stadt das Gerücht, daß ich meinen Fußboden
verbrenne. Auf diese Weise brachte man mich um
meinen Kredit und hielt mich für verrückt.

Die anderen sagten, daß ich versuche, falsches
Geld zu machen und daß dies eine Krankheit sei,
die mich ganz herunterbringe. Ich ging ganz nieder-
gedrückt durch die Straßen, wie ein Mensch, der
sich schämt. An mehreren Orten hatte ich Schulden
und stets zwei Kinder bei Pflegemüttern, denen ich
das Erziehungsgeld nicht bezahlen konnte. Niemand
half mir, im Gegenteil, man hielt sich noch über
mich auf und sagte: es geschieht ihm ganz recht,
wenn er verhungert, warum hat er seinen Beruf auf-
gegeben. Alle diese Reden kamen mir zu Ohren,
wenn ich auf der Straße ging. Es blieb mir aber
trotzdem immer noch etwas Hoffnung, die mich er-
mutigte und stärkte, um so mehr, als die letzten Ver-
suche ziemlich gut verlaufen waren und ich seitdem
glaubte, genug gelernt zu haben, um mir meinen
Lebensunterhalt verdienen zu können. Wie weit war
ich aber hiervon noch entfernt! Du wirst dies weiter
unten hören und darfst es nicht mißbilligen, wenn
ich hierüber etwas länger spreche, um Dich für das
mehr zu interessieren, was Dir nützen kann.

Nachdem ich mich eine kurze Zeit lang ausgeruht
hatte und zwar mit Bedauern darüber, daß mich
niemand bemitleidete, sagte ich zu mir selbst: wes-
halb betrübst du dich noch, nachdem du das ge-
funden hast, was du suchtest? arbeite jetzt und du
wirst deine Verleumder beschämen. Aber mein Ver-
stand sagte mir andererseits: du hast nichts, womit
du deine Versuche fortsetzen kannst; wovon willst
du deine Familie ernähren und wovon die nötigen
Ingredienzien kaufen während der 4 bis 5 Monate,
welche noch erforderlich sind, bis du aus deiner
 
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