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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 19.1908

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Stettner, Thomas: Ein Stück Selbstbiographie Bernard Palissys
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https://doi.org/10.11588/diglit.4882#0165

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EIN STÜCK SELBSTBIOGRAPHIE BERNARD PALISSYS

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Arbeit einen Nutzen ziehst? Als ich in solchen Trüb-
sinn und Seelenkampf verfallen war, gab mir die
Hoffnung etwas Mut. Nachdem ich mir überlegt
hatte, daß es zu lange dauern würde, ganz allein einen
Brand herzustellen, übergab ich, um die Arbeit ab-
zukürzen und Zeit zu gewinnen und um das Ge-
heimnis des weißen Emails, welches ich gefunden
hatte, schneller nachzuweisen, einem gewöhnlichen
Töpfer einige Zeichnungen mit dem Auftrage, nach
meiner Angabe Gefäße herzustellen. Während er
dieselben fertigte, beschäftigte ich mich mit verschiedenen
Medaillons. Dies war aber eine sehr schlimme Sache,
denn ich mußte diesen Töpfer in einem Gasthause
auf Kredit verpflegen lassen, weil ich gar nichts in
meinem Hause hatte. Als wir sechs Monate lang
gearbeitet hatten und das bis dahin Gefertigte gebrannt
werden mußte, war ich genötigt, einen Ofen zu bauen
und den Töpfer zu entlassen. Letzterem mußte ich,
weil ich kein Geld hatte, statt seines Lohnes Kleider
von mir geben. Für den Bau des Ofens fehlte mir
aber das nötige Material und machte ich mich deshalb
daran, den alten Ofen, den ich nach Vorbild der
Glashütten gebaut hatte, einzureißen, um die noch
brauchbaren Stücke desselben zu benutzen. Da dieser
Ofen sechs Tage und Nächte hindurch so stark erhitzt
worden war, waren der Mörtel und die Ziegel des-
selben derartig geschmolzen und verglast, daß ich
mich beim Abbau des Ofens so oft in die Finger
schnitt und riß, daß ich meine Suppe mit verbundenen
Fingern essen mußte. Als ich diesen Ofen einge-
rissen hatte, mußte ich den anderen aufbauen, was
nicht ohne große Mühe geschah, denn ich mußte das
Wasser, den Mörtel und die Steine herzuholen, ohne
irgend eine Hilfe zu haben und ohne mich ausruhen
zu können. Nachdem dies geschehen war, gab ich
den obengenannten Gefäßen den ersten Brand. Hierauf
verschaffte ich mir durch Darlehen oder auf andere
Weise die nötigen Mittel, um die Materialien anzu-
kaufen, welche ich zum Email brauchte, mit welchen
ich die hergestellten Gefäße, deren erster Brand gut
verlaufen war, belegen wollte. Als ich jedoch diese
Materialien gekauft hatte, hatte ich solche Mühe, daß
ich glaubte, meinen Verstand zu verlieren. Nachdem
ich mich mehrere Tage lang mit Zerstoßen und Aus-
glühen meiner Ingredienzien angestrengt hatte, mußte
ich dieselben ohne jede Beihilfe mit einer Handmühle
zermalmen, welche gewöhnlich von zwei starken
Männern gedreht werden mußte: der Drang, welchen
ich hatte, endlich zu meinem Ziele zu gelangen, ließ
mich Dinge machen, die ich für unmöglich gehalten
hätte. Nachdem diese Farben wiederum zermalmt
waren, belegte ich meine sämtlichen Gefäße und
Medaillons mit dem Email und schob dann alles wohl-
geordnet in den Ofen. Hierauf machte ich Feuer und
war dabei der Meinung, daß ich aus meinem Brand
3 bis 400 Francs erzielen werde. Ich unterhielt dieses
Feuer, bis ich ein Anzeichen und Hoffnung hatte,
daß mein Email geschmolzen und mein Brand gut
ausgefallen sei. Als ich am nächsten Tag mein Werk
herausziehen wollte und vorher das Feuer entfernt
hatte, steigerte sich meine Betrübnis und mein Kummer

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derartig, daß ich alle Fassung verlor. Denn trotzdem,
daß mein Email und meine Gefäße gut waren, waren
dem Brande zwei Unfälle widerfahren, welche alles
verdorben hatten. (Damit Du Dich in acht nimmst,
will ich Dir dieselben schildern und wenn ich von
diesen Unfällen gesprochen habe, werde ich auch
noch von einigen anderen erzählen, damit für Dich
mein Unglück zum Glück und mein Verlust zum
Gewinn werde.) Weil der Mörtel, mit dem ich meinen
Ofen gemauert hatte, sehr viel Kieselsteine enthielt,
zerplatzten dieselben infolge der starken Hitze des
Feuers (als das Email zu schmelzen begann) in viele
Stücke unter wiederholtem Knallen und Krachen im
Ofen. Da die Splitter dieser Kieselsteine gegen meine
Gefäße sprangen und das Email bereits flüssig und
zu einer klebrigen Masse geworden war, waren diese
Kieselsplitter an allen Stellen meiner Gefäße und
Medaillons kleben geblieben, welche sonst gut ge-
raten gewesen wären. Als ich auf diese Weise ge-
sehen hatte, daß mein Ofen genügende Hitze gab,
ließ ich denselben bis zum nächsten Tag kalt werden.
Ich war damals so betrübt, wie ich Dir gar nicht
sagen kann, und nicht ohne Grund, denn mein Brand
kostete mich mehr als 26 Taler. Ich hatte das Holz
und die Materialien entliehen, ebenso auch einen
Teil meiner Beköstigung, während ich diese Arbeit
verrichtete. Ich hatte meinen Gläubigern Hoffnung
gemacht, daß sie von dem Gelde bezahlt werden
würden, welches ich aus den Stücken des beschriebenen
Brandes erzielen werde. Infolgedessen kamen schon
frühmorgens mehrere Gläubiger zu mir gestürzt, als
ich anfing, meine Sachen aus dem Ofen zu nehmen.
Dadurch wurde mein Kummer nur noch erhöht,
um so mehr, als ich beim Herausnehmen der Gegen-
stände ganz bestürzt und beschämt war. Denn meine
sämtlichen Stücke waren von lauter kleinen Kiesel-
splitter besät, welche an den Gefäßen rund herum
derartig festklebten und mit dem Email verbunden
waren, daß, wenn man mit den Händen darüber fuhr,
die kleinen Kieselsteine so scharf wie ein Rasiermesser
schnitten. Trotzdem, daß dadurch meine Arbeit miß-
glückt war, wollten einige von diesen Gegenständen
zu billigem Preise kaufen. Da dies mich aber hätte
in Verruf bringen und meine Ehre herabsetzen können,
zerbrach ich den ganzen Brand in Stücke und legte
mich aus Schwermut ins Bett, nicht ohne Grund,
denn ich hatte keine Mittel mehr, um meine Familie
zu unterhalten. Ich hörte in meinem Hause nur
Vorwürfe: anstatt mich zu trösten, verwünschte man
mich. Meine Nachbarn, die diese Sache gehört hatten,
sagten, ich sei ein Narr und hätte für die Gefäße,
welche ich zerbrochen hatte, mehr als 8 Francs be-
kommen können. Alles dies Gerede hatte ich gleich-
zeitig mit meinem Schmerze durchzumachen.

Nachdem ich einige Zeit im Bett zugebracht hatte,
sagte ich mir, daß ein Mensch, der in einen Graben
gestürzt ist, versuchen muß, wieder herauszukommen.
Da ich mich in einem ähnlichen Fall befand, machte
ich mich daran einige Bilder anzufertigen und sorgte
auf verschiedene Weise dafür etwas Geld zu bekommen.
Darauf sagte ich mir, daß mein ganzer Verlust und

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