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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 19.1908

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Stettner, Thomas: Ein Stück Selbstbiographie Bernard Palissys
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https://doi.org/10.11588/diglit.4882#0166

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EIN STÜCK SELBSTBIOGRAPHIE BERNARD PALISSYS

alle meine Gefahren vorüber seien und daß mich
jetzt nichts mehr hindern könne, etwas Gutes anzu-
fertigen: und somit machte ich mich wieder (wie
früher) an meine Kunst. Bei der Herstellung eines
neuen Brandes hatte ich jedoch einen Unfall, den ich
nicht erwartete. Die Vehemenz der Flamme hatte
nämlich eine Menge Asche auf meine Gefäße geblasen,
derartig, daß letztere überall da, wo sie von der Asche
berührt worden waren, holperig und rauh waren, weil
sich das flüssige Email mit der Asche verbunden hatte.
Trotz dieses Schadens behielt ich Hoffnung, durch
meine Kunst wieder zu Gelde zu kommen, denn ich
ließ mir von mehreren Töpfern eine große Anzahl
irdene, Laternen gleichende Gehäuse anfertigen, um
in dieselben meine Gefäße, bevor ich sie in den
Ofen schob, einzuschließen, damit sie nicht von der
Asche berührt würden. Diese Erfindung bewährte
sich gut und hat mir bis heute genützt.

Nachdem ich die Gefahr der Asche beseitigt hatte,
zeigten sich andere Fehler und Unfälle, z. B. wenn
ich einen Brand machte, fiel derselbe das einemal
zu stark, das anderemal zu schwach aus, so daß
dadurch alles unbrauchbar war. Ich war noch zu
sehr Anfänger und konnte deshalb noch nicht unter-
scheiden, was zu viel und was zu wenig war. Manch-
mal waren meine Gefäße von vorn gebrannt, aber
auf der Rückseite gar nicht, und wenn ich einem
solchen Mißgeschick ausweichen wollte, ließ ich die
Rückseite verbrennen, während die Vorderseite gar
nicht gebrannt war. Ein andermal waren die Gefäße
rechts verbrannt und links verbrannt, manchmal war
der Emailbelag zu dünn, manchmal zu dick ausge-
fallen, wodurch mir viel Schaden entstand; wenn ich
verschiedenfarbiges Email im Ofen hatte, war manchmal
die eine Farbe bereits verbrannt, bevor die anderen
Farben geschmolzen waren. Kurz, ich habe auf diese
Weise 15 oder 16 Jahre lang probiert. Wenn ich
gelernt hatte, mich vor einem Schaden in acht nehmen,
trat ein anderer ein, an den ich nie gedacht hatte.
Damals baute ich mir mehrere Ofen, die mir großen
Verlust brachten, bevor ich gelernt hatte, sie gleich-
mäßig zu heizen. Endlich fand ich die Mittel, um
einige Gefäße mit einem jaspisartigen Gemisch von
verschiedenem Email herzustellen. Davon konnte ich
einige Jahre leben. Trotzdem versuchte ich aber
immer mit Kostenaufwand und Auslagen weiter zu
kommen, wie ich es ja jetzt noch tue. Als ich er-
funden hatte, einfache Gegenstände herzustellen, ent-
stand mir viel mehr Mühe und Verdruß, als früher.
Denn wenn ich eine Anzahl einfache Schüsseln (pieces
rustiques) gefertigt hatte und dieselben brannte, war
das Email an gewissen Stellen schön und gut ge-
schmolzen, an anderen schlecht geworden, andere
Stellen waren verbrannt, weil das Email aus ver-
schiedenen Materialien hergestellt war, die bei ver-
schiedenem Hitzegrad schmelzen. Das Grün der
Eidechsen war verbrannt, bevor die Farbe der Schlangen
schmolz; ebenso schmolz die Farbe der Schlangen,
Krebse, Schildkröten und Krabben, ehe das Weiß gut
war. Alle diese Mängel machten mir soviel Mühe und
Kummer, daß ich, bevor es mir gelang mein ver-

schiedenes Email bei ein und demselben Hitzegrad
zum Schmelzen zu bringen, glaubte sterben zu müssen.
Nachdem ich mich bei dieser Arbeit mehr als 10 Jahre
lang abgequält hatte, war ich derartig abgemagert,
daß weder meine Arme noch Beine eine Spur von
Rundung mehr zeigten. Meine Beine waren so dünn
geworden, daß, wenn ich ging, mir sofort die Bänder,
mit denen ich meine langen Strümpfe befestigte, nebst
dem unteren Teil der Hose auf die Fersen herunter
rutschten. Ich ging oft in der Wiese von Saintes
spazieren und dachte dabei über meinen Kummer und
meine Sorgen nach und besonders darüber, daß ich
in meinem Hause keine Ruhe haben konnte und
niemandem etwas recht machte. Ich wurde von aller
Welt verachtet und verhöhnt. Trotzdem fertigte ich
unausgesetzt verschiedenfarbige Gefäße an, die mich
so leidlich ernährten. Bei dieser Arbeit brachte mir
aber die Verschiedenheit der Tonerde, durch die ich
vorwärts zu kommen glaubte, in kurzer Zeit mehr
Schaden, als alle früher gehabten Unfälle. Denn wenn
ich mehrere Gefäße aus verschiedener Tonerde ange-
fertigt hatte, war die eine Tonerde verbrannt, bevor
die andere gebrannt war; einige Tonerden nahmen
das Email an und zeigten sich für diese Sache sehr
geeignet, andere täuschten mich hingegen bei allem,
was ich mit ihnen anfing. Da meine Emaillen auf
ein und demselben Gefäße nicht gleich gut ausfielen,
war ich oft enttäuscht, was mir immer Verdruß und
Kummer machte. Trotzdem ließ mich die Hoffnung,
welche ich hatte, so mutig an meine Sache gehen,
daß ich mich manchmal überwandt zu lachen, um
Menschen, die mich besuchten, zu unterhalten, obgleich
ich in meinem Inneren sehr betrübt war.

Ich setzte meine Arbeit in der Weise fort, daß ich
für den gut ausgefallenen Teil meiner Gefäße viel
Geld verdiente; aber gleichzeitig mit dem oben an-
geführten Verdruß hatte ich einen neuen zu tragen.
Der größte Teil meines Werkes wurde mir nämlich
vor dem Brande durch die Hitze, den Frost, den
Wind und Regen sowie durch die Dachrinne ver-
dorben, so daß ich mir Balken, Latten, Dachziegel
und Nägel leihen mußte, um alles wieder in Ordnung
zu setzen. Da ich aber oft zum Bauen kein Geld
hatte, war ich gezwungen, Efeu oder anderes grünes
Laub zu verwenden. Als sich aber meine Verhältnisse
besserten, riß ich das, was ich gemacht hatte, wieder
ein und baute es etwas besser. Infolgedessen sagten
gewisse Handwerker, wie Strumpfwirker, Schuster,
ferner Gerichtsdiener und Notare, ein Haufen alter
Weiber, ohne zu bedenken, daß sich meine Kunst
nicht ohne eine große Behausung ausüben ließ, daß
ich nichts weiter tue, als bauen und niederreißen, und
dabei tadelten sie etwas, das ihr Mitleid hätte erregen
sollen, denn ich war gezwungen das, was ich für
meinen Lebensunterhalt gebraucht hätte, zur Herstellung
der für meine Kunst nötigen Einrichtungen zu ver-
wenden. Und was noch schlimmer ist, der Anstoß
zu den Verhöhnungen und Nachstellungen ging von
meinen Angehörigen aus, die so wenig Verstand hatten,
daß sie wollten, ich solle meine Arbeit ohne Hand-
werkszeug ausführen, ein mehr als unvernünftiges
 
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