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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 12,2.1899

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Heft 15 (1. Maiheft 1899)
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Lose Blätter
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7958#0102

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Wiederverjüngung.

Linsam wandelt durch den lvald ein Alter,
Um ihn schweben blau und goldne Falter:

Linst'ger Träume himmlisches Verjüngen
Schaut er hier in diesen Schmetterlingen.

Linst'ger Iugend selige Gedanken
Grüßen ihn aus diesen Rosenranken.

Linst'ger Kindheit unschuldvolle lvonnen
winken ihm aus diesen Blumensonnen.

Seines Lignen freud'ger Auferstchung
Schaut er zu von seiner Menscherhöhung.

Und ihn selber als geschloss'ne kjaltung
Grüßt sein Linst als Auseinanderfaltung.

Mundscdau

Literatur.

" Tendenzpoesie. Nichts kann
auf eine feincr organisierte Natur
mehr abstoßend und barbarischer wir-
ken, als die Vergewaltigung der Ge-°
setze der Kunst und der Psychologie zu
Gunsten irgend einer politischen, reli-
giösen oder wissenschaftlichcn Ueber-
zeugung. Der Tendenzdichter im üblen
Sinne des Wortcs, den man auch
innerhalb der eignen Partei mit Skor-
ionen züchtigcn sollte, macht sich einer
oppelten Nichtswürdigkeit schuldig,
indem cr einmal das Material, also
dic stofflichen Voraussetzungen, seiner
Dichtung oder dessen künstlerische Ver-
wertung oder aber beide zugleich fälscht
und so zweitens eine viellcicht ehren-
werte Tendenz dem in diesem Falle
bcrcchtigten Abscheu der Gebildeten
preisgibt- Der Tendenzdichter ist mehr
soder je nachdcm: weniger) als
talentlos, er ist schlechthin unehr-
lich, und man sollte ihn im geistigen
Umgang meiden, wie man anrüchige
Subjekte und unsaubere Lohnschreiber
im Leben zu umgehen pflegt; denn
wie diese ist er bezahlt und gekauft
durch eine Tendenz, deren Verteidigung
er entweder aus Beschränktheit oder
— was häufiger und schlimmer ist —
aus unlauterer Spekulationssucht
mit unredlichen Waffen führt. Die

Runstwart

— -o

Tendenz ist bei ihm nicht der konden-
sierte Satz, der sich zwanglos, ja mit
innerer Notwendigkeit aus einer unan-
fechtbarcn Darstellung niederschlägt,
sondern die gewußte und gcwollte Wir-
kung eines aä boo konstruierten und
beleuchteten Weltausschnitts, seineTen-
denz ist eine von Anfang an unterlegte
Absicht und nicht eine als Belohnung
für den Schweiß des Genußes heraus-
springende Aussicht auf ein Stück Welt
und Menschenschicksal in der Beleuch-
tung eineS neuen Gedankens. Er macht
in dem Werden des Kunstwerks einen
fremdartigen Stoff zum legiiimen,
herrschenden Prinzip und degradiert
dadurch ebenso schr die vielleicht ehren-
werte Sachc, die er vertritt, wie er
die Kunst bcschmutzt, deren Ausdrucks-
formen er sich bedient. Er gleicht aufs
Haar jenen verächtlichen Gelehrten,
die im Jnteresse des Kapitals, der
Karriere oder sonst einer materiellen
Macht ihre Wiffenschaft redigieren und
so eines der hehrsten mcnschlichen
Güter respektlos in den Staub zrehen-
Lrich Schlaikjer (in der „Hilfe").

* Zu Klaus Groths Jubeltage
sind von engeren Landsleuten des
Dichters zwei gute Bücher über ihn
erschienen. Das eine, von H. Siercks
bei Lipsius L Tischler in Kicl heraus-
gegeben, nennt sich selber „ein dcutsches
 
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