„Oaturaltsliscber Llil".
Wahrheiten werden bekanntlich meist dann erst von der Masse begriffen,
wenn sie überslüssig geworden sind. Vor etlichen Jahren redeten einsichtige
Männer davon, daß es schmachvoll wäre, stets als bewußte Epigonen
die Formen der historisch gewordenen Stile nur nachzubeten, statt, wie die
Alten, selbstschöpferisch aufzutreten. Das müsse ein Ende haben. Man
dürfe nicht glauben, daß im Renaissance- und Barockornament, und wie
sie alle heißen, die Möglichkeit der Formen erschöpft seien; man solle
nur in Wald und Feld und Wiesen nachsehen, da würden einem schon
die Augen aufgehen vor den Wundern an Formen, so phantastisch und
reich, wie sie noch niemand ersonnen, und tausendmal schöner als alle
Stilornamentik.
Das war gewiß recht wahr und schön, und es wäre gut, wenn
es die Leute geglaubt hätten. Die aber lachten darüber und behaupteten:
sie wüßten ganz genau, daß mit dem, was dagewesen, die Möglichkeiten
der Formen erschöpft seien, und sie könnten das beweisen damit, daß
ihnen auch rein gar nichts anderes einfiele. Was jene Neulinge zu
machen versuchten, sei scheußlich und beleidige ihr am „ewigen Geiste klas-
sischer Schönheit'" gebildetes Auge.
Bei den Künstlern allerdings fand das Mahnwort fruchtbaren Boden.
Jn der abstrakten Kunst schoß man gleich derartig über das Ziel hinaus,
daß man gar manches von den alten Meistern mit über Bord warf,
was man besser behalten hätte, weil es mit dem Geist der Zeit gar nichts
zu thun hatte, sondern lediglich mit den Thatsachen, die sich aus der
Verschiedenheit der einzelnen Kunstfunktionen ergaben. Davon haben wir
ja schon oft gesprochen.
Diejenigen, die es mit der angewandten Kunst bei uns gut meinten,
sahen mit Staunen und Entzücken das seltsam Neue, das in England
geschaffen wurde und so merkwürdig unserem modernen Geiste und unseren
modernen Anforderungen zu entsprcchen schien, vielmehr als all der Eklek-
tizismus, der bei uns staatlich gezüchtet ward. Die einen sahen mit
Aunstwart 2. Nkaiheft sSAA
Wahrheiten werden bekanntlich meist dann erst von der Masse begriffen,
wenn sie überslüssig geworden sind. Vor etlichen Jahren redeten einsichtige
Männer davon, daß es schmachvoll wäre, stets als bewußte Epigonen
die Formen der historisch gewordenen Stile nur nachzubeten, statt, wie die
Alten, selbstschöpferisch aufzutreten. Das müsse ein Ende haben. Man
dürfe nicht glauben, daß im Renaissance- und Barockornament, und wie
sie alle heißen, die Möglichkeit der Formen erschöpft seien; man solle
nur in Wald und Feld und Wiesen nachsehen, da würden einem schon
die Augen aufgehen vor den Wundern an Formen, so phantastisch und
reich, wie sie noch niemand ersonnen, und tausendmal schöner als alle
Stilornamentik.
Das war gewiß recht wahr und schön, und es wäre gut, wenn
es die Leute geglaubt hätten. Die aber lachten darüber und behaupteten:
sie wüßten ganz genau, daß mit dem, was dagewesen, die Möglichkeiten
der Formen erschöpft seien, und sie könnten das beweisen damit, daß
ihnen auch rein gar nichts anderes einfiele. Was jene Neulinge zu
machen versuchten, sei scheußlich und beleidige ihr am „ewigen Geiste klas-
sischer Schönheit'" gebildetes Auge.
Bei den Künstlern allerdings fand das Mahnwort fruchtbaren Boden.
Jn der abstrakten Kunst schoß man gleich derartig über das Ziel hinaus,
daß man gar manches von den alten Meistern mit über Bord warf,
was man besser behalten hätte, weil es mit dem Geist der Zeit gar nichts
zu thun hatte, sondern lediglich mit den Thatsachen, die sich aus der
Verschiedenheit der einzelnen Kunstfunktionen ergaben. Davon haben wir
ja schon oft gesprochen.
Diejenigen, die es mit der angewandten Kunst bei uns gut meinten,
sahen mit Staunen und Entzücken das seltsam Neue, das in England
geschaffen wurde und so merkwürdig unserem modernen Geiste und unseren
modernen Anforderungen zu entsprcchen schien, vielmehr als all der Eklek-
tizismus, der bei uns staatlich gezüchtet ward. Die einen sahen mit
Aunstwart 2. Nkaiheft sSAA